Ein Krummstab ungewisser Herkunft

Sollte der heilige Germanus den heute ältesten verzierten Krummstab der Welt bei sich getragen haben, als er starb, hatte womöglich auch der Teufel seine Hand im Spiel.

Ein Prunkstück mittelalterlicher Goldschmiedekunst und ein schönes Rätsel für Historiker: der älteste verzierte Krummstab der Welt.

(Bild: Musée jurassien d'art et d'histoire)

Die Geschichte ist verzwickt. Ihr Titel heisst: «Ein Stab und ein Paar Schuhe suchen einen Besitzer.»
Beim Stab handelt es sich um den sogenannten Abtsstab des heiligen Germanus (auf Französisch: Saint Germain), welcher um die Mitte des 7. Jahrhunderts der erste Abt des Klosters Moutier-Grandval war.

Der Stab ist heute das Prunkstück des Musée jurassien d’art et d’histoire in Delémont. Früher wurde er in der Sakristei der Kirche von Delémont aufbewahrt und interessierte allenfalls ein paar Gelehrte.

Als er 1979 ins Museum kam, war man sich nicht bewusst, dass es sich um den bisher ältesten bekannten verzierten Krummstab der Welt handelt. Dessen wurde man sich erst 1996 dank einer Studie von Sarah Stékoffer gewahr.

Die Zeit könnte stimmen

Der Abtsstab besteht aus zwei Komponenten, einem Stab aus Haselholz und Verzierungen aus kostbaren Metallen und Edelsteinen. Geschnitzt wurde der Stab in den Jahren zwischen 608 und 776, die Verzierungen dürften zwischen 650 und 700 angefertigt worden sein.

Der Zeitraum, der durch diese Datierung umschrieben wird, lässt es als nicht unmöglich erscheinen, dass Abt Germanus den Stab einst in den Händen hielt. Dabei muss man aber einräumen, dass wir sein Geburtsjahr nicht genau kennen und auch bei seinem Todesjahr auf Mutmassungen angewiesen sind.

So viel wissen wir allerdings dank einer Biografie, die ein Mönch mit dem Namen Bobolenus kurz nach Germanus’ Tod verfasste: Der Abt des Klosters von Moutier-Grandval wurde beim Versuch, mordende und brandschatzende Truppen des fränkischen Feudalherrn Etichon zum Abzug zu bewegen, zusammen mit einem Mitbruder erschlagen. Dies trug sich wahrscheinlich im Jahr 675 zu.

Manches bleibt im Dunkeln

Worum es bei diesem Konflikt zwischen dem Feudalherrn und der lokalen Bevölkerung ging und inwiefern das Kloster dabei involviert war, bleibt im Dunkeln. Der Verfasser der mittelalterlichen Germanus-Vita legt allerdings nahe, dass der Teufel die Hand im Spiel hatte.

Bleibt die Frage, ob Germanus in seiner Funktion als Abt überhaupt ein Krummstab zustand. Ein Krummstab ist nämlich ein kirchliches Amtszeichen, das eigentlich den Bischöfen vorbehalten ist.

Einer dieser Bischöfe ist saint Dizier (auf Lateinisch: Desiderius). Als er einst im Gebiet der Alemannen unterwegs war, kamen ihm Äusserungen eines Prälaten zu Ohren, die ihm ketzerisch vorkamen. Ein Gottesurteil sollte entscheiden, welcher der beiden vom richtigen Glauben abwich. Zu diesem Zweck wurden die Stäbe beider Gottesmänner in ein Feuer geworfen. Derjenige des Häretikers brannte, jener von Dizier bliebt unversehrt.

Wie Germanus fand im Übrigen auch Dizier ein gewaltsames Ende. Um 670 bis 680 wurde er in der Ajoie bei Delle von Wegelagerern überfallen und ermordet.

Sandalen aus dem 7. Jahrhundert?

Zu den Beständen des Musée jurassien d’art et d’histoire gehören auch ein Paar mittelalterlicher Sandalen und ein entsprechender Strumpf. In früheren Jahrhunderten wollte man in ihnen ebenfalls Reliquien des heiligen Germanus sehen. In neuerer Zeit setzte sich die Ansicht durch, dass sie wohl erst 500 Jahre nach Germanus’ Tod hergestellt wurden.




Wie alt dieser Schuh ist, soll Ende 2016 genauer bestimmt sein. (Bild: Musée jurassien d’art et d’histoire )

In den Erläuterungen des Museums las man denn auch: «In den Jahren um 1100 haben geschickte Fälscher diese Stücke fabriziert, und die Leiter der Abtei Moutier-Grandval haben sie vermutlich im Wissen gekauft, dass sie nicht diesem Heiligen gehört hatten. Die arglosen Gläubigen glaubten an die Echtheit der Reliquien.»

Eine Studie, die das Museum 2015 bei der renommierten Schuhhistorikerin Marquita Volken in Auftrag gegeben hat, legt allerdings eine frühere Datierung nahe. Marquita Volken geht davon aus, dass die Sandalen wesentlich älter sind, als man bisher angenommen hat. Dafür spreche namentlich die Machart der Sohle, die nur bis ins 9. Jahrhundert verbreitet war. Der definitive Schlussbericht soll Ende 2016 vorliegen.

Vieles bleibt Spekulation

Sollten die Sandalen tatsächlich im 7. Jahrhundert hergestellt worden sein, ist damit allerdings nicht erwiesen, dass sie einst Germanus gehörten. Beweisen liesse sich das auch kaum. Ein Unglück ist das nicht. Die Sandalen sind auch so ein schönes Zeugnis vergangener Schuhmacherkunst.

Das Ganze ist – wie gesagt – eine verzwickte Geschichte, die zeigt, in welch unsicherem Gebiet wir uns in der Mittelaltergeschichte immer wieder bewegen.

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Demnächst geht der Krummstab auf Reisen: Vom 26. Oktober bis zum 13. Februar 2017 wird er im Rahmen der Ausstellung «Les Temps mérovingiens» des Musée de Cluny in Paris zu sehen sein.

Quellen

-Bobolenus Presbyter: Passio sancti Germani. probablement écrit vers 690 pae le moine Bobolène. Lateinischer Text, franz. Übersetzung, div. historische Beiträge. Neuallschwill 1984.

-Ausstellungstexte und Auskünfte des Musée jurassien d’art et d’histoire.

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