Ein spätwinterlicher Sommernachtstraum

Einen Jux wollen sie sich machen: Mit «Vaudeville! Open Air» setzt das Basler Schauspiel auf dem Theaterplatz einen luftigen, spielfreudigen, letztlich aber recht belanglosen Schlussstrich unter die Saison 2012/13.

«Vaudeville! Open Air» u.a. mit Johannes Schäfer als tollkühner Töffli-Artist und Philippe Graff als Magier (Bild: Judith Schlosser)

Das Basler Schauspiel präsentiert sich in der letzten Premiere der laufenden Spieltzeit auf dem Theaterplatz als lustige Gaukler-Truppe. Nichts weniger, aber auch nicht mehr.

Für das Wetter kann man das Theater nun wirklich nicht zur Verantwortung ziehen. Ganz sicher hatten sich die Verantwortlichen was anderes vorgestellt, als sie zum Saisonende (nun, es dauert ja noch ein paar Wochen, bis Schluss ist) eine Open-Air-Veranstaltung auf den Spielplan setzten. Einen lauen Frühlingsabend vielleicht? Aber das Wetter war, wie es halt im Moment oft ist: deprimierend, zu grau, zu kühl und zu nass.

Irgendwie hatten die meterologischen Verhältnisse auch etwas dramatisch Spannungsvolles für eine Freilichtveranstaltung: Kommt der Regen, der sich durch den dunkelgrauen Himmel ankündigt – und gegen den man sich mit den verteilten Regenpellerinen nur marginal hätte schützen können? Halten die Funkkopfhörer das Nass aus, wenn es denn runterprasselt? Wie will man Notizen machen auf Papier, das eingeweicht ist? Nun, der Regen kam nicht. Ziemlich pünktlich auf Vorstellungsbeginn (21 Uhr) hin kam eine Niederschlagspause. Das mal die erste positive Nachricht zur Premiere von «Vaudeville! Open Air».

Spiellustiges Ensemble

Die zweite ist, dass man sich einem Ensemble respektive einer Truppe – es handelt sich ja vornehmlich um die eingebetteten Mitglieder von Far A Day Cage, die zusammen mit dem künstlerischen Leiter (und Co-Schauspielchef) Tomas Schweigen den Abend zusammengestellt und umgesetzt haben – gegenübersieht, die trotz des regennassen Bodens und den dunklen Wolken am Himmel eine erfreuliche und teilweise ansteckende Spiellust ausstrahlt.

Sie präsentiert sich mit weiss geschminkten Gesichtern und grellen Kostümen (Anne Buffetrille) als Gauklertruppe aus vergangenen Tagen: Da ist Le Directeur (Silvester von Hösslin) in Frack und Zylinder, der die Fäden mehr oder weniger zusammenhält, auch wenn er sich hin und wieder beleidigt davonschleicht. Und da ist die skurrile Truppe mit dem Shakespeare zitierenden Stärksten Mann der Welt (Jesse Inman) im typischen Ringer-Outfit, mit der Frau ohne Seele im stofflosen Reifrock, die nicht weiss, wie frau sich ohne Seele geben soll (Mareike Sedl), mit der bärtigen Tänzerin Consuela (Vera von Gunten), dem Magier Marcello (Philippe Graff), der zwar nicht zaubern, aber die Zeit anhalten kann; mit Karl, dem kühnen Kaskadeur (Johannes Schäfer), der als Rapper ein um einiges besseres Bild abgibt als in seinen artistischen Stuntszenen; und da ist auch Madame Josephine (Chantal Le Moign), die als Chansonnière eigentlich als einzige wirklich beherrscht, was sie in ihrer Funktion beherrschen muss, nämlich das Singen.

Verloren auf dem Platz

Diese Truppe ist ganz und gar auf ironisierte Nostalgie angelegt. Ebenso die Schaubude (Bühne: Stephan Weber und Demian Wohler), die auf den Theaterplatz gefahren wurde. Nur leider – und jetzt kommen wir zu den weniger erfreulichen Nachrichten – wissen die Gaukler nicht wirklich, was sie mit sich und vor allem mit uns Zuschauerinnen und Zuschauern anfangen sollen. Vier Regisseure (Jan-Christoph Gockel, Massimo Rocchi, Nina Mattenklotz und Markus Heinzelmann) haben sich mit ihnen beschäftigt und Szenerien zusammengestellt, die keinen inhaltlichen Bezug zueinander haben. Die auch keine wirklich nachvollziehbaren Inhalte zu vermitteln vermögen, ausser, dass die skurrile Menagerie halt eben skurril ist.

Da hilft es auch nicht wirklich, wenn mit den Audiokommentaren von Tomas Schweigen und Gabriel Vetter eine Art Metaebene eingeschaltet wird. Die beiden Kommentatoren füttern das Publikum wie bei einer Live-Übertragung eines gesellschaftlichen Grossanlasses mit zum Teil originellen Hintergrundinformationen zu den Urzeiten des Basler Stadttheaters, das sich in seinen Anfangszeiten eben noch gegen solche beliebte Vaudeville-Truppen behaupten musste. Einen inhaltlichen Spannungsbogen lässt sich damit aber auch nicht bewerkstelligen.

So plätschert der Abend vor sich hin, etwas seicht und ganz und gar harlmos. Es gibt witzige und ein paar überraschende Regieeinfälle zu erleben, die Kostüme sind schön, die Schaubude, die zum Schluss weggefahren wird, eigentlich reizend. Es gibt ein paar nette Musik- und Gesangseinlagen und sogar ein bisschen Shakespeare: die parodisierte Liebesgeschichte von Pyramus und Thisbe aus «Ein Sommernachtstraum».

Als Showeinlage bei einem Theaterfest wäre dies ganz passend, als abendfüllendes Spielzeitprojekt hat «Vaudeville! Open Air» letztlich aber gar wenig Fleisch am Knochen. Das Spannendste an diesem Abend blieb die Ungewissheit, ob der grosse Regen nun kommt oder ob man die anderhalb Stunden trockenen Hauptes auf den Stufen der grossen Freitreppe auf dem Theaterplatz sitzend hinter sich bringen kann. 

«Vaudeville! Open Air»
Nach einer Idee von und mit FADC
Künstlerische Leitung: Tomas Schweigen, Regie: Jan-Christoph Gockel, Massimo Rocchi, Nina Mattenklotz, Markus Heinzelmann, Bühne: Stephan Weber, Demian Wohler, Kostüme: Anne Buffetrille, Musikalische Leitung: Martin Gantenbein, Audiokommentar: Tomas Schweigen, Gabriel Vetter, Dramaturgie: Eva Böhmer, Licht Anton Hoedl
Mit: Philippe Graff, Jesse Inman, Chantal Le Moign, Johannes Schäfer, Mareike Sedl, Vera von Gunten, Silvester von Hösslin
Theater Basel, Theaterplatz
Die nächsten Vorstellungen: 6., 16., 27., 29. Mai und 4., 7., 8., 18., 20., 22. Juni

Nächster Artikel