Der neue Bluttest zur Erkennung von Trisomie 21 ist heftig umstritten. Kritiker sprechen von zunehmender Selektion.
Eine Schwangerschaft bedeutet heute für die meisten Frauen einen Stafettenlauf von Untersuchung zu Untersuchung. Unter dem Begriff «pränatale Diagnostik» gibt es eine ganze Reihe von Tests, die Auskunft über den Gesundheitszustand des ungeborenen Kindes geben sollen.
Ultraschalluntersuchungen, vor 20 Jahren noch zu Beginn und gegen Ende einer (normal verlaufenden) Schwangerschaft gemacht, werden heute im Monatsrhythmus durchgeführt. Aufgrund von Nackenfaltenmessungen, Blutwertanalysen sowie dem Alter der Frau berechnet man zu Beginn der Schwangerschaft das Risiko einer genetischen Abweichung beim Ungeborenen, und je nach Ergebnis dieses sogenannten Ersttrimester-Screenings folgen weitere Untersuchungen. Betroffen davon sind vor allem Schwangere ab 35, und dieses Alter haben heute viele, weil bei ihnen ein höheres Risiko für ein Kind mit Trisomie 21 – auch bekannt unter der Bezeichnung Down-Syndrom – besteht als bei jüngeren Frauen.
Bisher konnte man diese weiteren und genaueren Abklärungen nur über eine Fruchtwasseruntersuchung vornehmen. Eine solche aber kann eine Fehlgeburt auslösen, das Risiko liegt zwischen einem halben und einem Prozent. Und auch wenn das relativ klein ist, war das für viele Frauen doch der Grund, trotz ärztlicher Empfehlung auf invasive Tests zu verzichten. Zu lange hat man vielleicht auf die Schwangerschaft gewartet, um sie wegen einer Untersuchung zu risikieren. Zumal keine eine 100-prozentige Gewissheit geben kann.
Der Wert eines Lebens
Inzwischen ist aber ein neuer Test zur Früherkennung von Trisomie 21 auf den Markt gekommen, der weder für die werdende Mutter noch für das Ungeborene ein Risiko birgt. Der vom Konstanzer Biotechnologie-Unternehmen LifeCodexx hergestellte «Praena-Test» analysiert die DNA des Fötus, die sich im Blut der Mutter befindet. Es handelt sich also lediglich um eine Blutprobe, mit der bereits ab der 12. Schwangerschaftswoche und gemäss Hersteller mit einer Treffsicherheit von 95 bis 98 Prozent Trisomie 21 festgestellt werden kann. Doch gerade diese Einfachheit, mit der sich ein Down-Syndrom neu ermitteln lässt, löste heftige Debatten aus. Nicht nur in der Schweiz, sondern auch in anderen europäischen Ländern.
Insbesondere Behindertenorganisationen meldeten sich zu Wort mit der Befürchtung, dass der Druck auf Schwangere deswegen zunehme. Der neue Bluttest, schreibt «insieme 21» in einer Stellungnahme, verstärke die Meinung, dass ein Leben mit Down-Syndrom unzumutbar sei. «Hinter dieser Haltung steht das Denken, mit einer Beeinträchtigung zu leben sei ein unwerteres, leidvolles Leben.»
Von Krankenkasse nicht bezahlt
Der Behindertenbeauftragte der deutschen Bundesregierung, Hubert Hüppe, verlangt gar ein Verbot des «Praena-Tests» und beruft sich dabei auf ein Rechtsgutachten, wonach der Test gegen das Gendiagnostik-Gesetz verstosse. Dieses erlaube genetische Untersuchungen ausschliesslich für medizinische Zwecke. Trisomie 21 aber, so argumentiert Hüppe, sei nicht heilbar, der Test diene folglich ausschliesslich der Selektion.
In der Basler Frauenklinik ist der Bluttest bereits seit Juli verfügbar, bis dato hätten sich sechs Patientinnen dafür entschieden, sagt Sibil Tschudin, leitende Ärztin auf der Abteilung gynäkologische Sozialmedizin. Allerdings, so betont sie, nach ausführlicher Besprechung und Beratung. Der Test kostet 1500 Franken und wird von den Krankenkassen nicht bezahlt. Vorläufig. Wie Daniel Surbeck, Chefarzt an der Frauenklinik im Berner Inselspital und Vorsitzender bei der Schweizerischen Gynäkologischen Gesellschaft in der NZZ sagt, ist es «naheliegend, dass alsbald ein entsprechender Antrag gestellt wird».
Artikelgeschichte
Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 31.08.12