Eine unaufgeregte Sauerei

Die öffentliche Schlachtung zweier Schweine in Sissach war trotz grossem Medienrummel eine unaufgeregte Sache.

Stolze Handwerksmänner: Die Metzger in Sissach zeigten, wie viel Arbeit in einer Blutwurst steckt. (Bild: Hansjörg Walter)

Am entspanntesten sind definitiv die Schweine. Wohlig grunzend liegen sie im Stroh und kauen auf grünen Äpfeln rum. Von der weitaus aufgeregteren Menschenmenge rundherum nehmen sie keine Notiz. Die beiden Tiere wirken derart ruhig, dass sich Metzgermeister Rolf Häring schon beinahe darum sorgt, ob er sie überhaupt dazu bringen kann, ihr Gehege zu verlassen.

Es ist Samstag, kurz vor acht Uhr morgens, und in einem Hinterhof in Sissach drängen sich bereits Schaulustige, Journalisten und Helfer unter dem Zeltdach. Nicht wenige Kinder sind darunter. Die Stimmung ist still-gespannt, Häring beantwortet in ruhigem Ton die Fragen der Medienvertreter.

Enormer Medienrummel

Stünde draussen nicht ein Grüppchen Tierrechtsaktivisten in schwarzer Trauerkluft, die mit ernster Miene Flugblätter verteilen und Grablichter anzünden, man könnte die Aufregung fast vergessen, die im Vorfeld dieser Schaumetzgete entbrandet ist.

Diese Tierschützer waren die einzigen Kritiker, die am Samstag den Weg nach Sissach fanden.

Trotzdem wendet sich Metzger Häring an die Zuschauer und gibt ein paar Grundregeln durch, bevor er und seine beiden Gehilfen sich an die Arbeit machen:

«Ich bitte darum, hier keinen Aufstand zu veranstalten. Es ist im Interesse der Tiere, dass Sie alle sich möglichst ruhig verhalten. Wem der Anblick zu viel ist, der soll sich einfach umdrehen. Die Tötung und das Ausbluten dürfen weder gefilmt noch fotografiert werden.»

Häring schreitet zur Tat. Die Tiere werden einzeln aus dem Gehege gebracht und mit einem Seil am rechten Hinterbein an einem Ring im Boden fixiert. Mit grosser Gelassenheit gibt Häring dem Schwein die Zeit, bis es sich beruhigt hat und nicht mehr zappelt. Ein letzter Apfelbissen, dann setzt er den Bolzen an, genau zwischen Augen und Ohren. Ein Knall. Die Sau sackt in sich zusammen, etwas Blut läuft aus dem Einschussloch.

Tot und ausgeblutet liegt das Schwein in der Brühwanne.

Während das Tier noch zuckt, sticht Häring mit einer Klinge in den Hals. Erst durch das Ausbluten ist die Tötung vollendet. In einem Eimer wird das Blut gesammelt, es soll später zu Wurst verarbeitet werden. Ein Schwein von ungefähr 130 Kilogramm Lebendgewicht gibt bis zu fünf Liter Blut.

Doch bis dahin liegt noch viel Arbeit vor den drei Metzgern. Die getöteten Schweine müssen entborstet, gesäubert, entweidet und halbiert werden. Häring will zeigen, wie früher an Bauernhöfen geschlachtet wurde, bevor Hygienevorschriften den Hausmetzgeten den Garaus machten. Entsprechend setzt er auch altes Werkzeug ein.

Traditionelle Methoden

So spaltet er die Schweine nicht etwa mit einer elektrischen Säge, sondern greift zum handgeschmiedeten Spalter. Eine enorme Klinge, die an alte Samuraifilme erinnert. Mit präzisen Schlägen arbeitet er sich zentimeterweise durch den an einer Holzvorrichtung aufgehängten Körper.

Viel Handarbeit und grosser Körpereinsatz. Rolf Häring und seine Kollegen setzen nur traditionelle Methoden ein.

Fast unbemerkt macht sich unter den Zuschauern eine Entspannung breit. Das Töten ist vorbei, das Blut aufgefangen. Häring hat jeden Schritt erklärt, Fragen beantwortet und aufgezeigt, worin sich diese Schlachtung von der industriellen Variante unterscheidet.

Beide Tiere sind halbiert an ihren Hinterläufen aufgehängt und der Schlachtplatz bereits wieder einigermassen aufgeräumt. Viele Zuschauer wärmen sich an dampfenden Gläsern auf, Kaffee fertig. Die angespannte Stille ist aufgeräumter Geselligkeit gewichen.

Das hochgejazzte Tötungsspektakel hat nicht stattgefunden. Stattdessen wurde den Zuschauern stolze Handwerkskunst demonstriert. Es ist beeindruckend, wie ruhig die Metzger arbeiten, obwohl weit über 100 Augenpaare jeden ihrer Handgriffe aufmerksam beobachten. Geübte Schnitte, flinke Finger: Aus den Schweinehälften werden Filets, Rippli, Schinken, aus Innereien, Schwarte und Kopf wird Wurstfüllung.

Lehrstück für bewussten Fleischkonsum

Die Tierschützer haben ihre Mahnwache beendet. Nur einige Grablichter und Parolen in Strassenkreide sind zurückgeblieben. Zusammen mit den einzigen an diesem Tag wahrnehmbaren Kritikern haben sich auch die vielen Vertreter der nationalen Medien verabschiedet.

Es war ein grosser Medienzirkus um eine zwar eindrückliche, letztlich jedoch unspektakuläre Nummer.

So ist die Schlachtung wieder, was sie ursprünglich hätte werden sollen: Eine lokale Angelegenheit, ein Dorffest, ein Treffen für Interessierte und Geniesser. Ein Lehrstück auch, für einen bewussten Fleischkonsum.

Während im Hintergrund die grossen Kochtöpfe dampfen und der Feuermeister Holz nachlegt, füllt Häring vorne Därme mit einer grellroten Mischung aus Blut, Milch, Zwiebelschwitze und Gewürzen. Ein Mädchen im Schulalter löchert die Metzger mit Fragen, zwei kleinere Mädchen können sich noch nicht so recht entscheiden, ob sie sich ekeln oder doch lieber fasziniert hinschauen wollen. Eine ältere Dame fühlt sich angesichts der hadernden Jugend zu einer belehrenden Aussage gemüssigt:

«Das isch nid gruusig. Us däm sin au mir.»

Der Vormittag nähert sich langsam seinem Ende, viele Zuschauer haben den Kaffeebecher mit der Bierflasche getauscht. Erste Sonnenstrahlen erreichen den Innenhof und die Scherze werden lauter. Wenn die Metzger Fleischstücke zum Degustieren anbieten, wird beherzt zugegriffen. Schnörrli, Hals, Schwarte, Schwänzli.

«Los Peter, hau mir no chli Fleisch ab. Bi jo schliesslich scho sitem 6i am Morge do.»

Metzgermeister Häring kurbelt am Fleischwolf und ist wieder zu lockeren Sprüchen aufgelegt. Neben Fleischabschnitten und Innereien mischt er auch ein wenig gekochten Kohl in die Leberwurstmasse, «schliesslich sollen auch Vegetarier die Chance haben, unsere Würste zu probieren.»

Aus Blut wird Blutwurst.

Dann werden die fertigen Blutwürste gebracht, Häring probiert als erster davon, halbiert eine Wurst und saugt die Füllung aus dem Darm. «Sehr gut», sagt er mit lauter Stimme, «wer will probieren?».

Während die Zuschauer zufrieden an ihren Blutwürsten nuckeln, gibt einer den Metzgern ein Bier aus. Sie prosten sich zu, posieren für ein letztes Bild.

Dem Wurstmahl mit über 150 Gästen steht nichts mehr im Weg.

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