Beim Kauf eines Elektrogeräts bezahlen wir stets eine Recyclinggebühr. So soll sich die Wiederverwertung der Wertstoffe von selbst finanzieren. Doch dieses System ist aus dem Gleichgewicht geraten.
Fast 150 Franken hätte ich gespart, hätte ich meine Digitalkamera nicht im Schweizer Handel gekauft, sondern via Amazon bei einem deutschen Onlineshop. Gibt meine Kamera dereinst den Geist auf, werde ich sie zur Entsorgung ins nächste Elektrogeschäft bringen. Kostenlos, die im Preis enthaltene vorgezogene Recyclinggebühr (vRG) von 40 Rappen sei Dank.
Aber auch eine in Deutschland gekaufte Kamera könnte ich auf diese Weise entsorgen. Und das Geschäft müsste das kaputte Gerät aus Deutschland annehmen, obwohl darauf nie eine vRG bezahlt wurde. Das Resultat: Das Recycling von Elektrogeräten wird zum Verlustgeschäft.
In der Schweiz existieren zwei Rücknahmesysteme für Elektrogeräte, betrieben von zwei Non-Profit-Organisationen. Die Stiftung Sens kümmert sich dabei etwa um das Recycling von Haushaltsgeräten, Photovoltaik-Anlagen und Leuchtmitteln. Der Verband Swico regelt die Rücknahme von Informatik, Büro- und Unterhaltungselektronik.
Recycling-Firmen stellen seit Jahren fest, dass die Einnahmen durch die vRG gegenüber den Recycling-Ausgaben in ein Missverhältnis geraten sind.
Beide Organisationen führen das Recycling jedoch nicht selbst durch. Sie beauftragen Drittfirmen damit. In Basel nimmt zum Beispiel das Entsorgungsunternehmen Lottner beim Schlachthof die ausrangierten Geräte entgegen. Aber auch die einzelnen Verkaufsstellen sind zur Rücknahme verpflichtet.
Sens und Swico stellen seit Jahren fest, dass die Einnahmen durch die vRG gegenüber den Ausgaben für das Recycling in ein Missverhältnis geraten sind. Das hat verschiedene Gründe. Der zunehmende Einkaufstourismus fällt jedoch besonders ins Gewicht.
Der Fehlbetrag lässt sich unmöglich genau beziffern, doch ein Blick auf das Einkaufsverhalten lässt gewisse Rückschlüsse zu. Eine von Sens in Auftrag gegebenen Studie an der FHNW (Fachhochschule Nordwestschweiz) schätzt, dass Sens und Swico jährlich zwischen zwei und drei Millionen Franken entgehen, weil die Konsumenten ihre Geräte vermehrt im Ausland einkaufen und folglich keine vRG bezahlen.
Den Recycling-Organisationen Sens und Swico entgehen wegen des Einkaufstourismus bis zu drei Millionen Franken pro Jahr.
Heidi Luck, Geschäftsführerin der Stiftung Sens, stellt auf Anfrage fest: «Unsere Rücknahmemengen nehmen laufend zu, und damit auch die Kosten. Die Einnahmen durch die vRG sind jedoch etwa gleich geblieben.» So hat Sens im Jahr 2010 beispielsweise 524’444 Stück der Kategorie Haushaltsgrossgeräte eingesammelt, fünf Jahre später waren es bereits 631’507 Stück. Bei den Kleingeräten nehmen die Mengen in Tonnen zwar ab, aufgrund der zunehmend leichteren Bauweise dieser Geräte steigen die Stückzahlen aber steil an.
Vor 2013 hielten sich die Recycling-Erträge und -Kosten noch einigermassen die Waage, Sens und Swico konnten gar Reserven anhäufen. Seit dann aber fehlt jedes Jahr mehr Geld in der Kasse, 2014 betrug der Verlust fast 3,5 Millionen Franken. Dass der Geschäftsbericht 2015 wieder einen Gewinn von fast 3,4 Millionen Franken ausweise, sei lediglich auf einen buchhalterischen Sondereffekt von 7,1 Millionen Franken zurückzuführen, schreibt die Sens. Tatsächlich hätte der Verlust also wieder über drei Millionen betragen.
Verschärft wird dieses Ungleichgewicht zusätzlich durch die seit Jahren sinkenden Rohstoffpreise. So seien die Preise von Aluminium, Kupfer und Eisen gemäss Sens-Jahresbericht innerhalb eines Jahres um 16 Prozent eingebrochen. Recycling-Unternehmen können die aus den Elektrogeräten gewonnenen Wertstoffe verkaufen, etwa das Kupfer aus den Drähten. Sens und Swico tragen dieses Marktrisiko mit und gelten den Unternehmen einen Teil der Mindereinnahmen ab.
Das Recycling-Geschäft ist aus dem Gleichgewicht geraten.
Einnahmeseitig ist das Recycling-Geschäft mit den Elektrogeräten damit in Schieflage geraten. Eine Erhöhung der vRG komme nicht in Frage, sagt Luck. «Denn damit würden diejenigen Konsumenten bestraft, die ohnehin in der Schweiz einkaufen.» Deshalb versuchen die Recycling-Organisationen, ab dem 1. Januar 2017 ihre Kosten zu senken.
Das weit verzweigte Netz von mehreren Tausend Sammelstellen biete grosses Optimierungspotenzial, ist Luck überzeugt. «Kleinere Sammelstellen sollten beispielsweise enger zusammenarbeiten.» Ein Abbau bei den Sammelstellen birgt jedoch ein Risiko, sind die zahlreichen Sammelstellen doch ein Grund dafür, dass die Schweiz eine der weltweit höchsten Rücknahmequoten aufweist.
«Wir beurteilen das Risiko eines Rückgangs der Rücknahmequote als gering», sagt dagegen Luck. Es werde auch weiterhin genügend Sammelstellen geben, damit der Bürger seine Geräte bequem zurückbringen könne. «Doch dieses System ist über die Jahre gewachsen, es ist Zeit für Anpassungen.»