Harter Franken? Hohe Steuern? Die Region Basel und ihre KMU halten der Krise stand.
Wenn er seinen Kunden die Aussicht von der Terrasse zeige, bleibe denen jeweils die Spucke weg, sagt Pascal Mangold, CEO von Magnolia International (Firmenporträt), und zeigt mit dem Finger rheinabwärts. «Der schwarze Kamin da drüben ist Frankreich, auf der anderen Seite Deutschland und hier die Schweiz.»
Doch nicht die schöne Aussicht war es, die die Basler Software-Firma dazu bewog, in die St.-Johanns-Vorstadt zu ziehen. «Basel», ist Mangold überzeugt, «ist für uns der beste aller denkbaren Standorte.» Dass dem so ist, liegt an der zentralen Lage Basels in Europa und der guten Anbindung durch den EuroAirport – vor allem aber findet Mangold im Dreiländereck eines: qualifizierte Arbeitskräfte, die dem Anforderungsprofil entsprechen und obendrein bezahlbar sind. «In Zürich gibt es zwar mehr Leute, aber auch mehr Firmen, die um sie buhlen.»
Im Schatten der Leuchttürme
Wer in der Region Basel von Wirtschaft spricht, meint meistens: Pharma, Chemie, Life Sciences. Und wer ausserhalb der Region von der Basler Wirtschaft spricht, erst recht. Gern geht vergessen, dass es neben den omnipräsenten Global Players Hunderte erfolgreich wirtschaftende Unternehmen in der Region gibt. Doch im Schatten der Leuchttürme fällt nur selten etwas Licht auf sie.
«Es ist wie mit dem FCB im Sport», sagt der Solarunternehmer Dominik Müller. So schön der Erfolg des Clubs sei, überstrahle er doch alles andere. Was der FCB für die anderen Sportvereine der Region, sind Novartis und Roche für die regionalen KMU. Selbst wer dreistellige Millionenumsätze erzielt, wie Dan Holzmann (Firmenporträt) mit seinen Vitaminkapseln JuicePlus, kann in Basel gänzlich unbeachtet bleiben.
Die Multis stehen den KMU nicht nur punkto medialer Aufmerksamkeit vor der Sonne. Auch bei der Ansiedlung neuer Unternehmen legt die Standortförderung den Fokus auf Firmen aus dem Life-Sciences-Bereich. Dabei ist gerade die Positionierung des Standorts Basel als «Biotech Valley» mit schwer absehbaren Risiken verbunden. So grossartig die Erfolge einzelner Unternehmen sind, so jäh können die Höhenflüge enden, wenn das Patent für den einzigen Megaseller in der Produktpalette abläuft. So geschehen bei der Allschwiler Actelion. In den letzten fünf Jahren fiel der Kurs der Actelion-Aktie von knapp 75 Franken (September 2007) auf derzeit noch rund 45 Franken. Im Juli gab das Unternehmen bekannt, es werde 135 Stellen streichen. Der Intensität, mit der Biotech-Start-ups in der Region gefördert werden, tut dies keinen Abbruch.
«Was für eine Standortförderung?»
Wer sein unternehmerisches Glück in einem anderen Bereich sucht, bleibt auf sich selbst gestellt. «Standortförderung? Was für eine Standortförderung?», schimpft etwa Magnolia-CEO Pascal Mangold. In den harten Jahren, die die Firma in ihren Anfängen erlebte, spürte sie nichts von einer Förderung. Nur schon beim Networking hapere es. Ein kompletter Witz sei die Informatikausbildung an der Universität Basel. «Was wir brauchen, sind Top-notch-Leute. Und die absolvieren ihr Studium garantiert nicht in Basel», klagt Mangolds Partner Boris Kraft. Dieser Missstand sei keineswegs gottgegeben. «Freiburg im Breisgau hat vorgemacht, dass man das mit dem nötigen Willen durchaus ändern kann.»
Harter Franken, hohe Steuern, unbezahlbare Löhne – das Wehklagen, das der durchschnittliche Schweizer Patron reflexartig von sich gibt, sobald ihm ein Mikrofon unter die Nase gehalten wird, war den von der TagesWoche porträtierten Unternehmen keine Silbe wert. Wer international tätig ist und Filialen im Ausland hat, wie Magnolia, weiss um die Vorzüge des Standorts Basel. «In Spanien kann dich die Gründung einer GmbH 20 000 Euro kosten», sagt CEO Mangold. «Hierzulande kostet es ein Zehntel und klappt auch deutlich schneller.»
Generell fühlen sich die porträtierten Firmen (siehe «Verwandte Artikel) von den Behörden hier nicht gegängelt, sondern im Gegenteil unterstützt. Auch die ach so hohen Unternehmenssteuern in der Region wurden nur zum Thema, wenn man sie ansprach. Der Tenor: Auf anderen Baustellen gibt es dringenderen Handlungsbedarf.
Handlungsbedarf bei den Kreativen
Zum Beispiel in der Kreativbranche. Dass Basel ein kreatives Pflaster ist, weiss man nicht erst seit Herzog & de Meuron. Rund 11’300 Beschäftigte arbeiten in rund 1800 Betrieben, das sind 7,1 Prozent der Beschäftigten, rund ein Sechstel der Betriebe in Basel. Etwa jeder fünfte Kreative arbeitet in einer der rund 375 Architekturfirmen (Firmenporträt Buchner und Bründler) in Basel. Dennoch sieht die Stadt so aus, als wären auf alle prägenden Bauten Herzog & de Meuron abonniert.
Ebenfalls gross ist Basel in Sachen Mode und Produktedesign. Inch Furniture, Kunotechnik, Rainer & Tobias Kyburz, Matrix, Claudia Güdel, Lela Scherrer, Tanja Klein – die Liste bekannter Namen liesse sich nahezu beliebig fortsetzen. Im öffentlichen Raum trifft man ihre Produkte kaum an.
Das zu ändern ist der Job von Raphael Rossel, der für das baselstädtische Amt für Wirtschaft und Arbeit die Studie zur Kreativwirtschaft erstellt hat und Geschäftsführer der Initiative Kreativwirtschaft Basel (IKB) ist. Einerseits sei das Bewusstsein für die ökonomische Bedeutung des Kreativsektors gestiegen. Andererseits hätten viele der Firmen deutliche Schwierigkeiten bei der Markterschliessung.
«Nicht überall ist das Marketing Chefsache wie bei Magnolia», diagnostiziert Rossel. «Und nicht jeder Architekt hat das Charisma eines Jacques Herzog.» Ein kreativer Geist macht noch nicht unbedingt einen grossen Kommunikator. Und der Kundenkontakt ist eben nicht jedermanns Sache. Rossel: «Gerade in der Architekturbranche, wo ein knochenharter Wettbewerb herrscht, haben Erfolgsfaktoren wie Marketing und Kommunikation stark an Bedeutung gewonnen.» Kein Wunder also, sind zwei Drittel der Firmen zwar «sehr zufrieden» mit ihrer Arbeit, aber nur 7 Prozent mit der Auftragslage.
Baselbiet hinkt hinterher
Dass sich Basel-Stadt in der Wirtschaftsförderung zu stark auf die Life Sciences konzentriere, lässt Volkswirtschaftsdirektor Christoph Brutschin nicht gelten. Er verweist auf die Bestrebungen, die im Bereich anderer Zielbranchen und der Start-up-Förderung unternommen werden. «Wir sind uns sehr bewusst, dass zwei Drittel der Basler Wertschöpfung aus anderen Branchen stammen.» Den grössten Handlungsbedarf sieht er in der Ausbildung zum Beispiel auch qualifizierter Handwerker, von denen es in Basel viel zu wenige gebe, und in der Arealbewirtschaftung: «Wir brauchen mehr Platz für die Wirtschaft», sagt Brutschin. Den soll es unter anderem im Hafengebiet geben.
Keine Platzprobleme gibt es im Baselbiet. Der neue Wirtschaftsförderer Thomas de Courten hat eher das gegenteilige Problem: Ihm laufen die Firmen davon. Mit Wehmut blickt de Courten auf weggezogene Firmen wie die Sucotec AG (Firmenporträt), die ihren Produktionsstandort von Liestal nach Langenthal verlegt hat, weil Firmengründer Werner Bürgin im Baselbiet nur auf verschlossene Türen stiess.
Es ist sattsam bekannt, dass der Kanton Baselland die Wirtschaftsförderung in den letzten Jahren sträflich vernachlässigt hat. Gegensteuer gibt de Courten mit intensiver Bestandespflege. «Ich besuche jede Woche Firmen, um ihre Bedürfnisse auszuloten.» Vorläufiges Ergebnis seiner Recherche: «Die wirksamste Wirtschaftsförderung ist das Beseitigen von hemmenden Vorschriften und Gesetzen.» Sprich: Steuern senken und deregulieren. Das alte Rezept.
Neben dem Life-Sciences-Cluster, das de Courten entgegen früheren Äusserungen nun doch als «ganz wesentlich» erachtet, birgt der Energiesektor in seinen Augen sehr grosses Potenzial. Zu dumm nur, dass Baselland auch für Firmen aus diesem Bereich nicht der ideale Standort scheint, wie der Wegzug des Fotovoltaik-Herstellers Solvatec (Firmenporträt) von Muttenz auf den Dreispitz in Basel zeigt: «Die Förderung in Basel-Stadt ist grosszügiger und besser verankert als in der Landschaft», erklärt Solvatec-Chef Dominik Müller seinen Abgang. Zwar hat das Baselbiet vor zwei Jahren ebenfalls ein Päckchen zur Förderung erneuerbarer Energien geschnürt. Mit 50 Millionen Franken verteilt auf zehn Jahre ist aber kaum ein Staat zu machen.
Artikelgeschichte
Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 17.08.12