Ricola-VR-Präsident Felix Richterich bittet in einer Stellungnahme zum Freitod des langjährigen CEO der Firma darum, die Privatsphäre der Trauerfamilie zu respektieren. Die TagesWoche hat Barabara Weil, Geschäftsführerin des Dachverbands der Suizidprävention Schweiz «Ipsilon», zur Problematik von Medien und Suizid befragt.
Der CEO der Firma Ricola AG, der 53-jährige Adrian Kohler, hat letzte Woche Suizid begangen. In einer persönlichen Stellungnahme bestätigt heute der Verwaltungsratspräsident Felix Richterich die diversen Medienberichte vom Wochenende zum Freitod Kohlers. Dieser habe letzte Woche aus eigener Initiative den Verwaltungsrat «über Unregelmässigkeiten in seiner persönlichen Geschäftsbesorgung» informiert. Daraufhin habe der VR am Mittwoch beschlossen, Adrian Kohler bis auf weiteres freizustellen, um den genauen Sacherhalt abzuklären. Am Donnerstagabend habe die Polizei den VR über den Freitod Kohlers informiert.
Richterich betont in seiner Stellungnahme, dass es «keine Hinweise auf eine Beeinträchtigung der gesunden finanziellen Situation des Unternehmens und des Geschäftsgang» gebe; bei den Unregelmässigkeiten handle es sich um solche «von unbedeutendem Ausmass», sagte auf Anfrage der sda Ricola-Mediensprecher Bernhard Christen; es gehe um «ein paar hundertausend Franken». Adrian Kohler war seit 25 Jahren für den Bonbon- und Kräuterteehersteller in Laufen tätig gewesen, seit 2004 als Vorsitzender der Geschäftsleitung. 2010 hat das Familienunternehmen einen Umsatz von knapp 301 Millionen Franken erwirtschaftet.
In seiner Mitteilung richtet sich Felix Richterich auch mit der Bitte an die Medien, die Privatsphäre der Trauerfamilie zu respektieren. Medien geraten immer wieder in Kritik, wenn sie über Suizide berichten. Nebst der Verletzung der Privatsphäre der Hinterbliebenen könnten solche Berichte andere zum Nachahmen animieren, lautet der Vorwurf von Präventionsfachleuten. Die TagesWoche hat Barabara Weil, die Geschäftsführerin von Ipsilon, Dachverband der Suizidprävention Schweiz, dazu befragt:
Frau Weil, bei den Beiträgen der veschiedenen Medien über den Tod des CEO von Ricola fällt auf, dass in einigen der Suizid gar nicht erwähnt ist, während andere sehr ausführlich darüber berichteten. Das zeigt auch das Dilemma der Medienschaffenden im Fall einer Selbsttötung. Was ist nun richtig?
Barbara Weil
Barbara Weil: Grundsätzlich gilt: Der Suizid einer unbekannten Person geht die Öffentlichkeit nichts an. Bei jemandem, der im öffentlichen Leben steht, ist auch das öffentliche Interesse da. Dann ist die Information über den Suizid gerechtfertigt.
Dennoch werden die Medien immer wieder von Präventionsfachleuten deswegen kritisiert.
Es kommt darauf an, wie sie über den Suizid berichten. Absolut unnötig ist, Art und Ort des Suizids zu nennen oder abzubilden. Vorsicht sollte man auch walten lassen bei Erklärungsversuchen. Bleibt der Eindruck der Auswegslosigkeit zurück, kann das jemanden, der gerade in einer Lebenskrise steckt, zum Nachahmen anregen.
Sie meinen den so genannten Werther-Effekt. Gibt es den tatsächlich?
O ja, das ist wissenschaftlich untermauert. Umfangreiche Studien belegen, dass gewisse Suizid-Berichte bei verwundbaren Personen den Nachahmer-Effekt auslösen: Weil sie sich in einer ähnlichen wie in der geschilderten Situation sehen.
Also sollen Medien doch lieber schweigen?
Wie schon gesagt, das müssen sie nicht unbedingt. Aber gut wäre, sie würden statt den Werther- den Papageno-Effekt auslösen. Nämlich das Bewusstsein schaffen, dass jeder Mensch einmal eine Krise im Leben haben und sie mit entsprechender Hilfe bewältigen kann.