Die in Ghana gegründete Lighthouse Chapel International hat heute über 1500 Missionen in 66 Ländern – eine davon ist in Basel. Ein sonntäglicher Predigtbesuch bei afrikanischen Missionaren, die sich der Rettung von verlorenen Schweizer Seelen verschrieben haben.
Sonntagmorgen, kurz vor 10 Uhr, in einem kleinen, unspektakulären Konferenzzimmer des Hotels Best Western im Basler Stücki-Areal: Vor drei Dutzend adrett aufgereihter Stühle steht ein schwarzer Altar aus Holz. Darauf leuchtet eine gelbe Plakette mit dem Logo der Lighthouse Chapel International (LCI), ein Kreuz vor einem Leuchtturm in stürmischer See. Die LCI gehört heute zu den grössten und erfolgreichsten westafrikanischen Pfingstkirchen mit Hunderttausenden von Anhängern.
In der Schweiz sind es lediglich einige Hundert, mit Gottesdiensten in elf Städten. An diesem Morgen sind dem Ruf der Mission zehn Kinder und 25 Erwachsene zwischen 20 und 50 Jahren gefolgt – viele Männer in dunklen, etwas zu grossen Anzügen, die Frauen in farbigen Blusen. Die meisten kommen ursprünglich aus Westafrika; man spricht Englisch.
Wochenthema: Basler auf Mission in Afrika
Die Basler Mission wird 200 Jahre alt. Was tun Missionare heute noch? Wie ist das koloniale Erbe ihrer Missionen zu bewerten? Und wie reagieren die Missionierten? Lesen Sie die Berichte und Analysen in unserem Wochenthema.
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Johnson Appiah, der «Shepherd» (eine Art Hilfsprediger), eröffnet den Gottesdienst. Er dreht Runden vor dem Altar und preist mit lauter Stimme den allmächtigen Jesus. In seinem Rücken werden auf eine Leinwand Bibelzitate und später Liedertexte gebeamt. Nach einigen Minuten Gottespreisung ertönt aus den Lautsprechern Musik. Die Gläubigen um mich wissen, was zu tun ist: Das persönliche Gespräch mit Jesus beginnt – unterlegt von euphorischem Europop mit verhaltenen Gitarrensoli und schmachtenden Kinderchören.
Predigen mit Humor
Einige laufen im Konferenzzimmer umher und brummeln Unverständliches vor sich hin. Andere bleiben an ihrem Platz stehen, schliessen die Augen und öffnen die Arme Richtung Himmel. Ausrufe wie «Let your will be done» und «In the name of Jesus» fliegen durch den Raum.
Die nächsten zwei Stunden oszillieren zwischen weiterem Gebrabbel, einer rhetorisch geschickt und mit viel Humor vorgetragenen Predigt von Priester Christian Anaman, dem zweimaligen Spendensammeln und gemeinsamen Gesängen.
Ein vorläufiger Höhepunkt ist nach einer Stunde mit einem ersten in Deutsch gesungenen Gospel und dem Refrain erreicht: «Was sind eine Milliarde Sterne im Vergleich zu deinem Glanz.» Meine Nachbarn singen laut mit, klatschen in die Hände und lachen aus voller Kehle. Die Stimmung ist entspannt und herzlich. Der Kitsch in Musik und Songs sowie das fröhliche Geschunkel erinnern ein wenig an ein Musikantenstadl.
Priester Christian Anaman ist ein grosser, gutaussehender Mann mit eindringlichem Blick. Und er ist ein begnadeter Geschichtenerzähler. Wenn er vom biblischen Schicksal von Salomon und Jeroboam erzählt, meint man, er berichte aus seinem eigenen Leben. Anaman lebt seit zwölf Jahren in Basel, ist mit einer Schweizerin verheiratet und arbeitet als Ingenieur.
Lob auf die Schweizer Tunnelbauer
Während seiner Predigt lobt er unter anderem den Schweizer Tunnelbau. «Da wird sogar in der Nacht geschuftet. Und bei uns zu Hause sagen sie: ‹Die Götter werden euch bestrafen, wenn ihr in die Berge geht›.» Später wird er auch von seiner Faszination für Schweizer Seilbahnen erzählen und das ausgezeichnete Abfallmanagement im Land.
Nach dem Gottesdienst will ich von Anaman wissen, wie sein Verhältnis zur Basler Mission ist, die sein Herkunftsland Ghana im 19. Jahrhundert christianisiert hat. «Sie werden in Ghana nichts Schlechtes über die Basler Missionare hören», sagt Anaman. «Sie haben uns Bildung, Gesundheitswesen und vor allem das Wort Gottes gebracht.» Zugegeben, ich bin etwas baff, hatte ich doch die Missionen als enge Verbündete der europäischen Kolonialherren betrachtet und wenig Gutes über sie aus afrikanischen Mündern erwartet. Doch Anaman betont: «Was uns die Missionare brachten, gewichte ich viel höher, als was sie uns nahmen.»
Die Schweiz als Vorbild
Die Schweiz könne auch heute noch ein Vorbild für Afrika sein, ist er überzeugt. Den hiesigen Wohlstand führt er auf christliche Werte zurück. Die gegenwärtige Schweiz bereitet ihm hingegen Sorgen: überall Drogen und Pornografie, Stress und Depression. Und wer in einem Gottesdienst sitze, treffe dort nur noch alte Leute.
«Es wird Zeit, dass wir das Wort Gottes zurückbringen und die Schweiz retten», sagt Anaman. Dafür leisten seine Leute auch Basisarbeit, verteilen Flyer und klären über die Herrlichkeit des Reich Gottes auf. Auf die Leistung seiner Mission bei der Integration von afrikanischen Migranten angesprochen meint Anaman: «Wir sind offen für alle. Aber wir wollen nicht in erster Linie Afrikaner und Migranten anziehen, sondern Schweizer.»
Übrigens: Der Gottesdienst nahm für den Autor ein etwas unerwartetes Ende. Anaman hiess mich vor versammelter Gemeinde als neues Mitglied willkommen. Danach wird mir 35-mal die Hand geschüttelt, begleitet von einem herzlichen Lachen und einem warmen «Welcome». Mehr Gastfreundlichkeit ist in der Schweiz an einem Sonntagmorgen schwer zu finden. Gerne lasse ich Anaman am Ende unseres Gesprächs deshalb im Glauben zurück, dass er heute wieder Mal eine Schweizer Seele gerettet hat.