Sie werden als die Superhelden der Lebensmittel gehandelt: die sogenannten Superfoods. Ergänzungsnahrungsmittel wie Chia-Samen oder Goji-Beeren verdrängen zunehmend die konventionellen Waren im Bioladen. Superfood-Produkte sollen ein Mehrfaches an wertvollen Nährstoffen enthalten. Was ist wirklich daran?
Vor 20 Jahren fand man im Regal der Bioläden vor allem eines: Getreide in allen Varianten. Körner und Cerealien sind zwar noch immer gefragt, aber weit weniger als noch vor ein paar Jahren.
Das Sortiment ist gewachsen und präsentiert sich um einiges ausgefallener als früher. Das wachsende Angebot an sogenanntem Superfood ist ein Teil davon.
Exotische Produkte wie Chia-Samen, die Goji-Beere, Açai, die rohe Kakao-Bohne oder die Baobab-Frucht erleben einen richtigen Hype. So bunt wie das Angebot aussieht, so fantasievoll klingt auch der Ausdruck Superfood, der diese Ergänzungsnahrungsmittel zusammenfasst.
Superfood – ein Marketingstreich?
Andreas Höhener, Inhaber und Geschäftsführer des Basler Bioladens Höheners, hat viele dieser Produkte im Sortiment. Für Höhener ist das Thema Superfood jedoch kontrovers: «Superfood ist für mich ein Kunstbegriff, der von Marketingverantwortlichen geschaffen wurde. Superfood will Nahrungsmittel bezeichnen, die ein enormes Vorkommnis an Vitalstoffen wie Vitamine, Mineralstoffe oder Spurenelemente vorweisen.»
Es sei zwar festgestellt worden, dass diese Stoffe bestimmte Wirkungen auf den menschlichen Körper haben, sagt Höhener. Trotzdem sieht sich der gelernte Ernährungspädagoge weiterhin als Lebensmittelhändler und nicht als Apotheker. «Wenn Kunden nach der möglichen Heilwirkung dieser Produkte fragen, weise ich sie höflich darauf hin, dass wir Lebensmittel verkaufen und keine Medizin. Wir haben nicht umsonst ein Gesetz, dass genau besagt, dass die Heilsanpreisung bei Lebensmitteln verboten ist.»
Der Detox-Boom
Beim Marketing für Lebensmittel liest man immer mehr Ausdrucke wie «Detox», «Beauty», «Fitness» oder «Brainfood». Höhener wehrt sich gegen solche Trends in der Industrie: «Einer unserer Grossisten wollte uns kürzlich zur Marketingunterstützung ein ganzes Regal mit der Aufschrift «Superfood» liefern. Das geht mir zu weit. Wir verkaufen diese Produkte, weil die Kunden nach ihnen verlangen, jedoch ohne diesen irreführenden Werbeslogan.»
Einen Grund für diesen Trend sieht Höhener in den gesellschaftlichen Veränderungen. «Heute funktionieren viele Menschen sehr stark körperbezogen, sagt der Basler Bio-Pionier. Und dieser Körperkult werde heute äusserst exzessiv praktiziert: «Alle wollen alt werden – aber nicht alt sein.»
Bei der Natur nachzuschauen, was sie zu bieten hat, wenn der Körper Störungen aufweist, findet Höhener richtig. «Doch ist dann ein Thema für Naturheilärzte und Homöopathen.»
Nahrung als Teilaspekt der Gesundheit
Der ausgebildete Reiki-Lehrer Elias Thaler betrachtet Superfoods als eine wichtige Ergänzung, wenn es um seine Ernährung geht. Dies solle man jedoch unbedingt als Teilaspekt in einem grösseren Kontext sehen. «Ich sehe die gesunde Lebensführung als ein Ganzes. Dazu gehört viel Bewegung in einer möglichst natürlichen Umgebung sowie eine naturbelassene, ausgewogene Ernährung.», sagt Thaler. «In Algen wie Spirulina oder Chlorella sind wertvolle Nährstoffe wie das Vitamin B12 enthalten. Doch bei dieser Art von Ergänzungsnahrung muss man immer auch darauf achten, dass die Herkunft stimmt.»
Ein Beispiel sei die Goji-Beere aus China. «Es nützt nichts, wenn die Goji-Beere nicht biologisch angebaut wurde.» Auch Bio heisse nicht immer, dass keine giftigen Rückstände drin sein könnten, sagt Thaler: «Was nützt es, wenn neben dem Bio-Bauernhof eine chemische Fabrik steht, die giftige Schadstoffe in das Grundwasser lässt? Darum achte ich persönlich immer darauf, dass der Hersteller die Produkte auf Rückstände testet.»
Seit acht Jahren ist er Vegetarier – meist verzichtet er ganz auf tierische Produkte. «Wir Menschen wurden als Pflanzenfresser geboren. Unsere Zähne und unser Magen waren ursprünglich nicht für den Fleischkonsum vorgesehen», sagt Thaler. Nährstoffe wie Eisen, Proteine oder bestimmte Vitamine entnimmt er pflanzlichen Produkten.
Weiter kauft Thaler möglichst Lebensmittel, die aus der Region stammen. Dies gilt auch für Superfoods. «Wenn ich weiss, dass das regionale Superfood die gleichen Nährstoffe enthält wie ein Produkt, das von weit her kommt, greife ich auf das regionale zurück. Die Chia-Samen habe ich beispielsweise durch geschälte einheimische Hanfsamen ergänzt.»
Dies gilt übrigens auch für heimische Beeren: Die wenigsten wissen, dass Heidel- oder schwarze Johannisbeeren in nichts der exotischen Açai-Beere nachstehen, wenn es um Vitamine und Antioxidantien geht. Somit gehören auch die Schweizer Beeren zu den Superfoods – nur, dass man diese noch vor ein paar Jahren nicht so bezeichnet hätte.