Die Schweizer Bundesregierung will kein Geld für familienfreundliche Politik ausgeben. Vergangenen Mittwoch hat der Bundesrat die Initiative «Vaterschaftsurlaub jetzt!» abgelehnt. Sie hat vier Wochen Elternzeit für Papis gefordert. Zu teuer, befinden auch die Wirtschaftsverbände.
Nicht alle Betriebe teilen dieser Haltung. Manche zeigen in Sachen Vaterschaftsurlaub sogar Pioniergeist. So zum Beispiel das Ingenieurbüro Walhauser und Hermann in Münchenstein. Hier gewähren die Unternehmer ihren Mitarbeitern viel Freiraum und Flexibilität zugunsten des Familienlebens. Wir wollten von Mitinhaber Roman Hermann wissen, wieso bei seinem Unternehmen funktioniert, was sich Bundesrat und Wirtschaftsverbände nicht vorstellen können.
Roman Hermann, Sie setzen sich als Unternehmer für eine familienfreundliche Firmenpolitik ein. Wie sieht die Arbeitsteilung bei Ihnen zu Hause aus?
Meine Frau arbeitet 60 Prozent, wie schon vor unserem ersten Kind, und ich arbeite wieder Vollzeit. Nach der Geburt hatte ich zwischenzeitlich auf 50 Prozent reduziert.
Dann profitieren Sie also gar nicht von Ihrer eigenen Firmenpolitik?
Doch. Ich bin zwar den ganzen Tag hier, aber sehr flexibel. Heute Nachmittag zum Beispiel musste mein Sohn zum Zahnarzt und ich konnte ihn problemlos begleiten. Teilzeitarbeit ist nur ein Teil unseres Angebots. Wir möchten insgesamt die Familie mit dem Beruf in Balance bringen.
Wie machen Sie das konkret?
In erster Linie: mit Flexibilität. Das Familienleben ist sehr dynamisch, hat unterschiedliche Phasen, und es entstehen spontane Bedürfnisse. Starre Strukturen sind daher für Eltern schwierig. Wir möchten, dass unsere Mitarbeiter ihr Familienleben pflegen. Darum ist uns wichtig, dass sie mit jedem Anliegen zu uns kommen können und wir gemeinsam Lösungen suchen. Die gibt es immer. Es braucht einfach etwas Verständnis, wenn etwa ein Kind krank ist und der Mitarbeiter darum zu Hause bleibt. Das ist für uns das gleiche, wie wenn der Mitarbeiter selbst krank wäre.
Woher kommt dieses Verständnis?
In der Geschäftsleitung sind wir alle etwa im gleichen Alter. Als wir Familien gründeten, wurden uns auch die Schwierigkeiten richtig bewusst. Ausserdem war Mitinhaber Marco Waldhauser eine Zeit lang in Finnland, wo die Bedingungen für Familien generell besser sind als bei uns. Und vor vier Jahren regte die Fachstelle UND einen Austausch unter KMU über Familienfragen an. Auch von dort konnten wir einige Massnahmen ableiten. Wir stellten fest, dass Familienfreundlichkeit eine reine Willensfrage ist.
«Auch auf Kaderstufe hängt alles vom Willen und der Organisation ab.»
Viele Arbeitgeber sehen dennoch nur Nachteile. Insbesondere, dass der Angestellte halt öfter fehlt.
Das ist eine Frage der Kommunikation und der Organisation. Die Mitarbeitenden müssen sich auf dem Laufenden halten können – etwa an der verbindlichen Montagssitzung, wie wir sie haben. Hier kommen alle zusammen. Der Rest ist Planung. Wir arbeiten in Projekten. Das hat arbeitsintensive Phasen kurz vor Abgabe zur Folge. Die werden nach Abschluss zwar kompensiert, doch für Eltern ist das nicht ideal. Ihre Verpflichtungen zu Hause sind ja immer die gleichen. Mit guter Planung können wir das auffangen.
Auch auf Kaderstufe?
Auch da hängt alles vom Willen und der Organisation ab. Wir haben eine 80 Prozent-Stelle im Kader und das geht. Ein Projektleiter bekommt nächstens ein Kind. Auch da gibt es Lösungen. Zum Beispiel könnte er ein oder zwei Projekte weniger übernehmen. Und wenn eine Leiterin oder ein Leiter bereit ist, begrenzt auch zu Hause die Mails zu checken, ist sehr viel möglich.
Viele Eltern haben Angst, Teilzeitarbeit würde die Karriere verbauen, für einen Kaderjob würde dann eben doch der Vollzeiter bevorzugt.
Klar, solche Überlegungen können eine Rolle spielen. Andererseits ist ein 100-Prozent-Pensum kein Garant für gute Arbeit. Ich behaupte sogar, dass Teilzeiter besser und effizienter arbeiten als Vollzeiter.
Familienfreundliche Angebote gelten unter Arbeitgebern als teuer. Bei Ihnen gibt es Teilzeitarbeit und zwei Wochen Vaterschaftsurlaub. Was sagen die Zahlen dazu?
Unter dem Strich sehen die Zahlen etwa gleich aus, sicher nicht schlechter. Die Mitarbeiter sind dankbar um die Felxibilität und zeigen das mit einer hohen Arbeitsmoral. Die Freiheiten werden auch nicht missbraucht, sondern nur dann genutzt, wenn es nötig ist. Mit ganz wenigen Ausnahmen vielleicht.
«Wenn man offen ist, bringt das den Mitarbeitern und dem Unternehmen sehr viel.»
Kontrollieren Sie die Mitarbeiter?
Nein, das System basiert auf Vertrauen. Das geht gar nicht anders. In unserem Bereich sind wir aber ohnehin auf die intrinsische Motivation der Mitarbeiter angewiesen. Unsere Angestellten müssen ihre Arbeit gern haben. Sonst können sie nicht so selbstständig sein, wie es der Job verlangt.
Für die Mitarbeiter mögen die Arbeitsbedingungen viel bringen, profitiert auch das Unternehmen?
Das ist nur schwer messbar. Auf die Fluktuation hat es sich aber sicher positiv ausgewirkt. Bei 55 Mitarbeitern haben wir maximal drei Abgänge im Jahr. Viele unserer Mitarbeiter sind schon jahrelang dabei, manche seit ihrer Lehre. Manche haben sich inzwischen weitergebildet und sind trotzdem geblieben – das ist nicht selbstverständlich.
Es gibt also Positives für beide Seiten. Wovor haben Arbeitgeber denn noch Angst?
Ich denke, die Wirtschaftsverbände und ihre Politikern wollen vor allem keine neuen Regulierungen, Quoten und andere Zwangsmassnahmen. Sie fürchten sich vor einer höheren Belastung für die Firma. Diese Angst halte ich aber für unbegründet. Wenn man offen ist, bringt das den Mitarbeitern und dem Unternehmen sehr viel.
Als Unternehmer werden Sie auch kein Freund von Regulierungen sein, oder?
Sicher, wir warten nicht auf neue Vorschriften. Bei der Familienfreundlichkeit könnten Regulierungen aber tatsächlich Wirkung zeigen. Skandinavien zeigt das ja. Wir finden, wir arbeiten wirklich genug in der Schweiz. Unsere Wirtschaft muss endlich entspannter mit dem Thema umgehen. Die wird schon nicht gleich zusammenbrechen.
Am Donnerstag, 26. Oktober tritt Roman Hermann auf dem Podium «Kinder – Küche – Karriere. Vom Dilemma der neuen Väter» in der Offenen Kirche Elisabethen auf. Der Anlass der Abteilung Gleichstellung BS beginnt um 18 Uhr.