Der Renault Heck war, was auch VW Käfer und Fiat Topolino waren – Traumwagen fürs kleine Budget.
Gebrauchsgegenstand, Rauschmittel, Statussymbol, Ausdruck einer bestimmten Lebenseinstellung: Das Auto als Inbegriff für Mobilität und Verfügbarkeit, aber auch für Spass, Nervenkitzel sowie – immer mehr – als Réduit für unser armes, überfordertes Ich hat den unterschiedlichsten Ansprüchen und Herausforderungen zu genügen.
In den Jahren des Wirtschaftswunders nach dem Zweiten Weltkrieg, als in Europa fast über Nacht wieder kleine Autos aus improvisierten Produktionshallen rollten, darauf ausgerichtet, den bescheideneren Ansprüchen breiter Bevölkerungsschichten zu genügen, war die Gier nach dem neuesten Modell und immer ausgefalleneren Extras noch längst nicht so ausgeprägt wie heute.
Weit inniger jedoch war das Verhältnis zum hart ersparten Blechkütschlein. Zum Renault 4CV aus Frankreich zum Beispiel, der von 1946 bis 1961 produziert wurde und den man hierzulande als Renault Heck bezeichnete oder ganz einfach nur als «Crèmeschnittli».
In Italien und weit darüber hinaus machte der Fiat Cinquecento Furore, der von 1936 bis 1957 als «Topolino» (Mäuschen) verehrt wurde und dessen Nachfolgemodelle in unzähligen Variationen bei uns etwas burschikos, jedoch nicht ohne Hochachtung als «Tschinggeruggseggli» apostrophiert wurden. Alle Rekorde jedoch schlug der von 1938 bis 2003 zuerst in Deutschland, später aber auch in verschiedenen anderen Ländern und sogar in Übersee gebaute VW Käfer. Insgesamt liefen 21,5 Millionen Stück vom Band. All diese Modelle geniessen heute Kultstatus, und auch die im hohen Alter noch funktionsfähigen Exemplare sind heiss begehrt. Absolut zu recht.
Fotograf Kurt Wyss war einer der Glücklichen, die sich über lange Jahre hinweg auf die treuen Dienste eines Renault Heck verlassen konnten. Und als dessen Tage 1964 gezählt schienen, überliess er ihn zur spielerischen Ausschmückung einem Kindergarten, dessen Kinder Wyssens verbeulten «Flitzer» weiss grundierten und phantasievoll ausschmückten.
Das künstlerisch inspirierte Happening im Kindergarten verlängerte im Übrigen das Leben des Renault Heck noch eine ganze Weile. Kurt Wyss war von diesem absoluten Unikat derart begeistert, dass er den Wagen noch einmal reparieren und verkehrstauglich aufrüsten liess, bis der 4CV dann doch das Zeitliche segnete, nachdem er, wo immer er auftauchte, für grosses Aufsehen und viel Freude sorgte.
Zu lernen gäbe es daraus Folgendes: Ein liebevolles, mit bescheidenen Mitteln betriebenes Facelifting kann manchmal Wunder wirken. Und das bestimmt nicht nur bei vierrädrigen Oldtimern.
Artikelgeschichte
Erschienen in der Wochenausgabe der TagesWoche vom 06.09.13