Fata Morgana in der Innenstadt

Wir freuen uns, Ihnen die Geburt eines neuen Babys bekannt zu geben. Es heisst «Zeitmaschine» und ist ein Spiel mit Bildern und Geschichte.

Wir freuen uns, Ihnen die Geburt eines neuen Babys bekannt zu geben. Es heisst «Zeitmaschine» und ist ein Spiel mit Bildern und Geschichte.

Bilder, Texte, Töne und Filme aus öffentlichen und privaten Archiven sind das Rohmaterial von Geschichten, die hier in diesem neuen Abteil der TagesWoche erzählt, erfragt und erforscht werden. Sie, liebe Leserinnen und Leser, sollen Teil einer abenteuerlichen Recherche werden. Ungelöste Fälle aus der Vergangenheit und kühne Deutungen von rätselhaften Artefakten, Bildschnipseln oder Fotoalben vom Flohmarkt sollen Sie spielerisch zum Mitwirken verführen.

Wir beginnen diese Serie mit einem zufälligen Fund im Basler Staatsarchiv. Ein Kino namens «Fata Morgana» hat uns neugierig gemacht. Zoomt man in die Fotografie, entdeckt man interessante Details. Wir konzentrieren uns hier zunächst auf die beiden Kinos und die Filme, welche durch Plakatmalereien beworben wurden. Doch es gibt auch andere Dinge zu entdecken, und wir hoffen auf die tatkräftige Mithilfe der Community.

Am 24. Dezember 1907 nahm in Basel das erste permanente Kino seinen Betrieb auf. Das Cinéma mit dem klangvollen Namen «Fata Morgana» befand sich in zwei ineinander übergehenden Gebäuden mit je einem Eingang an der Freien Strasse 32 und der Falknerstrasse 7.

Unser Foto aus den Beständen des Basler Staatsarchivs zeigt einen Ausschnitt der Falknerstrasse. Darauf ist auch ein Teil des Kinos «Alhambra» zu sehen, dessen Anfänge auf das Jahr 1912 zurückgehen. Den Namen «Alhambra» erhielt das Kino an der Falknerstrasse 11 nach einem Umbau im Jahr 1919. Zuvor hiess es «Cardinal–Theater».

Zur Zeit der Aufnahme lief im «Fata Morgana» – wie die Fassadenwerbung anpreist — «Der Hochtourist», während im «Alhambra» der Film «Ronny» zu sehen war. Die Angaben zu diesen beiden Streifen – etwa auf der Website IMDb – sind rudimentär. Ergiebiger ist das Blättern in alten Zeitungen in der Universitätsbibliothek. Einem Kinoinserat in den «Basler Nachrichten» vom Dienstag, 29. Dezember 1931, ist zu entnehmen, dass «Der Hochtourist» am folgenden Tag seinen Kinostart hatte. Ein zwei Tage später in derselben Zeitung erschienenes Inserat warb für die Basler Premiere von «Ronny» am 1. Januar 1932.

Der Tonfilm «Der Hochtourist» war laut «Fata Morgana»-Inserat «eine grandiose Persiflage auf das Salontirolertum eines schmerbäuchigen Grossstadt–Blagueurs». Angekündigt wurde «ein zwerchfellerschütterndes, pointenreiches Lustspiel» mit einem «Bomben-Effekt auf das quietsch-vergnügte Publikum». Eigens darauf hingewiesen wurde, dass ein Teil der Aufnahmen «im letzten Hochsommer» in Zürich und am Vierwaldstättersee gedreht worden waren.

Bei «Ronny» handelte es sich laut Inserat «um eine restlos durchkomponierte Filmoperette». Gezeigt wurde «das reizvoll pikante Idyll auf Schloss Monbijou». Geschrieben hatte die Musik Emmerich Kálmán, der «weltbekannte Komponist» von «Die Czardasfürstin», «Gräfin Maritza» und «Die Faschingsfee». 

Die beiden Filme waren in Basel knapp zwei Wochen lang zu sehen. Ab dem 12. Januar 1932 lief im «Fata Morgana» «Der schönste Mann im Staat», das «Alhambra» zeigte ab 15. Januar «Der weisse Rausch»: «Neue Wunder des Schneeschuhs» mit Leni Riefenstahl und Hannes Schneider.

Noch ein Wort zum weiteren Schicksal der beiden Kinos an der Falknerstrasse. Das «Alhambra» wurde 1936 abgebrochen und neu gebaut, 1961 erfolgte erneut ein Umbau des Gebäudes. 1982 schliesslich wurde der Spielbetrieb eingestellt.

Das Aus für das «Fata Morgana» erfolgte viel früher: ein halbes Jahr, nachdem sich das Publikum über die Abenteuer des «Hochtouristen» amüsiert hatte, schloss es am 30. Juni 1932.

(Bild: hansjoergwalter.com)

Einst eine «Kino-Strasse»: die Basler Falknerstrasse.

Vielleicht schlummert in Ihrem Keller ein altes Fotoalbum mit unbekannten Ansichten, welche Sie von uns und der Community entziffern lassen möchten. Auch Plakate, Ausrisse aus Zeitungen und Illustrierten, Quittungen aus Basler Geschäften und vieles andere mehr hat das Potenzial für unsere Zeitmaschine. Zusendungen bitte an: zeitmaschine@tageswoche.ch

Schöne Seite zu Basler Kinos: http://www.traumkinobasel.ch/

Quellen

http://query.staatsarchiv.bs.ch/query/detail.aspx?ID=483476

 

Paul Meier-Kern: Verbrecherschule oder Kulturfaktor? Kino und Film in Basel 1896 – 1916. Basel 1993

 

Architektur für die Nacht. Kinoarchitektur. Katalog zur Ausstellung im Architekturmuseum Basel vom 23. November 1990 bis 20. Januar 1991

 

http://www.filmportal.de/film/ronny_37d67558acdd48d18c214a7ce4891fd0

 

http://www.traumkinobasel.ch/

Nächster Artikel