Frauenpower

Der Entscheid, wem sich das Laufental nach der Gründung des Kantons Jura anschliessen sollte, hat die Gemüter im betroffenen Gebiet erhitzt wie selten ein Ereignis. Am 12. November 1989 war es klar: Das Laufental soll zum Baselbiet. Wut bei den einen, überschäumende Freude aber bei den andern, bei der Mehrheit.

Jubelnde Laufentalerinnen, die sich darüber freuen, dass sie bald zum Baselbiet gehören werden. (Bild: Kurt Wyss)

Der Entscheid, wem sich das Laufental nach der Gründung des Kantons Jura anschliessen sollte, hat die Gemüter im betroffenen Gebiet erhitzt wie selten ein Ereignis. Am 12. November 1989 war es klar: Das Laufental soll zum Baselbiet. Wut bei den einen, überschäumende Freude aber bei den andern, bei der Mehrheit.

Jubel nach einem Fussballtor oder nach einem Take-Out im Frauencurling? Es geht um mehr. Es geht um einen erlösenden Moment nach einem Ringen von Monaten und Jahren. Die Kamera ist auf die Siegerseite gerichtet und hat Frauen im Visier, Frauen, die bisher eher im Hintergrund standen.

Es geht hier um Politik. Wir sind im Jahr 1989, seit 18 Jahren gibt es auch für die weibliche Hälfte der Schweiz ein Recht auf politische Mitbestimmung. Wir sind in Laufen im gleichnamigen Tal, das am 12. November 1989 mit 51,7 Prozent entschieden hat, nicht mehr zu Bern, sondern zum Baselbiet gehören zu wollen. Die zentrale Figur trägt die künftige Kantonszugehörigkeit mit dem neuen Emblem und einem «jo» bereits auf ihrer Brust.

Wo es Sieger gibt, gibt es auch Verlierer. Diese sind da nicht im Bild, werden von der Kamera gleichsam geschont. Sicher wird es, bei aller Bitternis, auch faire Verlierer darunter gehabt haben. Die schlechten Verlierer hatten später nochmals Gelegenheit, ins Bild zu kommen.

Dem Jubel vom 12. November war eine lange und zum Teil sehr unschöne Geschichte vorausgegangen, die mit den verfügbaren 2500 Zeichen dieses Textes nicht angemessen wiedergegeben werden kann. Das Laufental hatte diesen Wechsel nicht gesucht, die Frage war ihm in den 1970er-Jahren gleichsam als Nebenprodukt der Jura-Frage vor die Füsse gelegt worden. Man durfte respektive man musste aussuchen zwischen Bern, Solothurn, Basel-Stadt und Baselland. Nachträglich beinahe belustigend ist ein Plakat der Berntreuen, die sich nicht zu gut waren, in die Trickkiste der alteidgenössischen Tellsage zu greifen und vor den basellandschaftlichen «Landvögten» zu warnen!

Mit der Abstimmung der direkt Betroffenen war die Sache allerdings noch nicht ausgestanden. Es brauchte, weil in diesem Lande alles langsam geht, noch vier Jahre, bis das regionale Resultat vom ganzen Volk der Eidgenossen mit rund 75 Prozent Ja-Stimmen erwahrt wurde. Die Gegner hatten noch nicht aufgegeben und zum Beispiel mit dem Argument gefochten, dass mit einem Ja den Grenzveränderungen in der Schweiz «Tür und Tor» geöffnet würden. Und am Abend, dazu gibt es Pressebilder, verbrannten die berntreuen «Wildschweine» in Laufen eine Baselbieterfahne.

Man könnte jetzt zur Frage übergehen, wie der Kantonswechsel verkraftet und ob der Graben, die jene Auseinandersetzung aufgerissen hatte, inzwischen wieder zugeschüttet wurde. Ein Bild soll aber mehr sein als nur ein Aufhänger für eine Geschichte. Darum ein letzter Blick auf die Frauen. Hat sich da nicht auch ein Mann eingeschlichen und ging es diesem Wesen vielleicht nicht nur ums Laufental?

Artikelgeschichte

Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 18.05.12

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