Freut euch, ihr seid die Hoffnung!

Mit oder ohne Religion: Die Welt ist, was wir Menschen aus ihr machen.

Gaudete! Ein Engel überbringt den Hirten die frohe Kunde von Christi Geburt. – Gemälde eines namenlosen Künstlers aus dem 12. Jahrhundert.

(Bild: WGA)

Mit oder ohne Religion: Die Welt ist, was wir Menschen aus ihr machen.

Vor etwas mehr als 2000 Jahren hielt eine Gruppe von Hirten auf einem Feld in der Nähe von Nazareth Nachtwache bei ihrer Herde. Da trat ein Engel Gottes zu ihnen und ein helles Licht umstrahlte sie. Die Hirten fürchteten sich sehr. Darauf sagte der Engel zu ihnen: «Fürchtet euch nicht, denn ich verkünde euch eine grosse Freude, die dem ganzen Volk zuteil werden soll. Heute ist euch in der Stadt Davids der Retter geboren; er ist der Messias, der Herr.»

Diese Episode aus den Anfängen der christlichen Heilsgeschichte schildert uns einzig der Evangelist Lukas. Sie wirft einige Fragen auf. So kann man sich beispielsweise fragen, weshalb es gerade die Hirten sind, die als Erste von der Geburt des Retters erfahren. Ist es ein Hinweis darauf, dass die frohe Botschaft gerade auch auf die ärmeren Schichten zielt, wenngleich sie sich auch an das ganze Volk richtet?

Gemischte Gefühle

Unter den Bildern, die noch bis zum 8. Januar 2017 im Rahmen der Ausstellung «Archäologie des Heils – Das Christusbild im 15. und 16. Jahrhundert» im Basler Kunstmuseum zu sehen sind, gibt es keine Darstellung, in deren Zentrum die «Verkündigung an die Hirten» steht. Immerhin finden sich zwei, drei Gemälde, welche die anschliessende Anbetung des Christuskindes durch die Hirten zeigen. Sieht man sich diese Gemälde genauer an, kann man auf ihnen im fernen Hintergrund auch den einen oder andern Hirten sehen, dem ein Engel Christi Geburt verkündet.

Andere Szenen und Episoden aus Christi Lebens- und Leidensweg sind an der Basler Ausstellung weitaus prominenter vertreten, angefangen bei der «unbefleckten Empfängnis» bis zum qualvollen Ende des Messias. Die Bilder und ihre Botschaft lösen beim religionsskeptischen Betrachter gemischte Gefühle aus.

So finde ich es erheiternd, wie die Maler damit ringen, das Konzept der «unbefleckten Empfängnis» visuell umzusetzen. Der Meister des Hohenlandenberg-Altars hat dafür die Darstellung einer Empfängnis durchs Ohr gewählt. Dabei gleitet das Jesuskindlein hinter dem Heiligen Geist (in Gestalt einer Taube) auf einem Strahl göttlichen Lichts direkt in Marias Ohrmuschel. So wird Gott Fleisch – doch geht damit auch eine Distanzierung vom menschlichen Körper einher.

Letzteres zeigt sich auch darin, dass man glaubte, Anna, Marias Mutter, sei ebenfalls die Frucht einer «unbefleckten Empfängnis» gewesen.

Unschöne Seiten der Christenheit

Doch was ist mit der Freude, zu der die Hirten aufgerufen wurden? Am ehesten kann ich sie auf den Darstellungen des Stalls von Bethlehem entdecken.

Diese Spuren von Freude werden allerdings überschattet vom Leiden und der Trauer auf Bildern der Passion Christi, die niemanden unberührt lassen. Sie wecken unser Mitleid und sollen uns klarmachen, welches Opfer Jesus für unser (Seelen-)Heil dargebracht hat.

Die gemarterten Körper jener Bilder verweisen aber auch – von den Malern kaum beabsichtigt – auf unschöne Seiten der Christenheit hin. So liegt der Gedanke an die Märtyrer der frühen Kirche nahe, die sich, um ihren Glauben zu bezeugen, zu Tode martern liessen. Man fragt sich, was das für ein Gott sei, der solches von den Gläubigen erwartet. Die heidnischen Götter Griechenlands und Roms gaben sich mit dem Blut von Tieren zufrieden.

Denken muss ich aber auch an jene Christinnen und Christen, die im Laufe der Jahrhunderte von anderen Christen unterdrückt, drangsaliert oder gar getötet wurden, sei es, dass sie nach ihrem Besitz strebten oder dogmatische Differenzen mit Feuer und Schwert austrugen. Nicht weniger abstossend sind solche Taten, wenn sie an Anders- oder Ungläubigen begangen wurden. Und dass manche Kirchen sich mit den Mächtigen dieser Welt verbanden, macht die Sache nicht besser.

Das Zeitalter des Wassermanns

Vor diesem Hintergrund ist es kein Wunder, dass es im Laufe der letzten 2000 Jahre nicht bei der einen «Frohen Botschaft» blieb. Nicht alle waren so sympathisch-harmlos wie jene, welche 1968 von den Sängerinnen und Sängern des Musicals «Hair» und ein Jahr später von der Popgruppe The Fifth Dimension mit dem Hit «The Age of Aquarius/Let the Sunshine in» verbreitet wurde.

Dass das Zeitalter des Wassermanns, in welchem Friede den Lauf der Planeten bestimmt, bereits angebrochen sei, glaubt heute wohl niemand. Dies könnte sich aber ändern, wenn sich auf Erden der Götterfunke Freude mit Menschenliebe und Vernunft paart – so viel Hoffnung muss sein.
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«Das Christusbild im 15. und 16. Jahrhundert», Kunstmuseum Basel. Freier Eintritt bis zum Ausstellungsende am 8. Januar 2017.

Zur Ausstellung ist im Kunstverlag Josef Fink eine Begleitpublikation erschienen.

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