Flammende Grussworte eines Implenia-Kadermannes, Auftritte des Vizepräsidenten der Basler Muslim Kommission und eines angeblichen Vertreters der Medizinischen Fakultät der Münchner Ludwig-Maximilians-Universität: Einige Redner an der Eröffnung der neuen Basler Scientology-Kirche haben für Irritation gesorgt.
«Ich bin hierher gekommen, um Ihnen zu Ihrem neuen Gebäude zu gratulieren.» Die Worte von Marco Pulver waren des Lobes voll. Der Leiter der Region Nordwest Implenia Modernisation & Development gehörte zu den geladenen Gästen und Rednern bei der Einweihung des Scientology-Zentrums am vergangenen Samstag.
Pulver hatte beim Umbau des Gebäudes als Projektleiter die Verantwortung übernommen. In seiner Rede vor den Versammelten äusserte sich der Kadermann des Implenia-Baukonzerns auffallend positiv über seine Gastgeber. Das Zentrum tue in spiritueller und sozialer Hinsicht Gutes. Scientology engagiere sich etwa, um die «Jugend vor dem schleichenden Einfluss der Drogen zu wappnen».
Nur «persönliche Meinung» kundgetan
Pulvers Auftritt lässt die Vermutung aufkommen, dass zwischen dem Unternehmen und Scientology eine Nähe bestehen könnte, die über den Bauauftrag hinausgeht. Implenia-Sprecher Reto Aregger dementiert jedoch, dass es abgesehen vom Auftrag für den Umbau Berührungspunkte zwischen der Firma und Scientology gebe.
Wie er sagt, wurde Marco Pulver zwar als Projektleiter des Umbaus von Scientology eingeladen. Ein öffentlicher Auftritt sei jedoch ursprünglich nicht vorgesehen gewesen. «Seine Aussagen anlässlich der Rede erfolgten ohne Absprache mit dem Konzern und widerspiegeln denn auch seine persönliche Meinung», hält Aregger fest.
Für den Runden Tisch der Religionen kein Thema
Seltsam mutet ebenso an, dass sich unter den eingeladenen Rednern auch Ayhan Seker befand. Der Vizepräsident der Basler Muslim Kommission war bis Ende 2013 Jahr Mitglied des Runden Tischs der Religionen, einem Austauschzirkel von Basler Glaubensvertretern.
Auch Seker rühmte Scientology in seiner Ansprache: «Möge diese Kirche ein Symbol der Toleranz und des Friedens sein», sagte er und erhielt dafür tosenden Applaus.
Ayhan Seker, Vertreter der Basler Muslime, am Scientology-Rednerpult. (Bild: Scientology)
Für eine Stellungnahme war Ayhan Seker bislang nicht zu erreichen. Jedenfalls hat sein Auftritt nichts mit dem Runden Tisch der Religionen zu tun. Lilo Roost Vischer, Koordinatorin für Religionsfragen im Basler Präsidialdepartement, hat von den Einladungen an die Feier gewusst.
Dass dabei aber der Eindruck erweckt werde, dass die Religionsvertreter offiziell im Kontakt mit Scientology seien, sei irreführend, sagt Roost Vischer: «Eine Mitarbeit am Runden Tisch wurde bisher nicht erbeten.» Ein Beitritt von Scientology stehe auch nicht zur Diskussion: «Wir nehmen nur Religionsgemeinschaften als Neumitglieder auf, die kantonale Anerkennung erhalten haben», stellt Roost Vischer klar.
Unter den Rednern befand sich auch der Mediziner Johann Bauer, der als Vertreter der Medizinischen Fakultät der Münchner Ludwig-Maximilians-Universität angekündigt wurde. Fest steht allerdings nur, dass Bauer in München studierte. Derzeit führt er eine eigene Praxis in Baar, die mit einer «revolutionären» Behandlungsmethode gegen die Schmerzerkrankung Fibromyalgie wirbt.
«Austausch mit den Anwohnern»
Nicht nur die Wahl der Redner sorgt für Diskussionen. Auch die Präsenz von Thomas Kessler, Leiter der Kantons- und Stadtentwicklung, hat bei Lesern für Stirnrunzeln gesorgt.
Auf Nachfrage stellt Kessler klar, dass er am Samstag an der Burgfelderstrasse zugegen war, um den bestehenden Austausch mit den Anwohnern weiter zu pflegen und Meinungen vor Ort im O-Ton einzuholen.
Seine Präsenz vor Ort war nicht mit Scientology abgesprochen, wie er festhält, sondern mit den engagierten Quartierbewohnern. «Ich wurde genauso abweisend behandelt wie alle anderen Passanten, welche beim Gebäude durchspazieren wollten», sagt Kessler. «Scientology hat mich nicht offiziell eingeladen in meiner Funktion, sondern erst nach meinem Insistieren auf die Durchgangsstrasse gelassen.» Ihm hätten die Geschehnisse vom Samstag einmal mehr gezeigt, dass die Sorgen im Iselin-Quartier berechtigt sind.
Stadtentwickler Thomas Kessler (rechts) im Dialog mit Scientology-Gegner Thomas Erlemann.
Dass Scientology mit schwerem Geschütz auffahren kann, weiss auch Wilfried Handl. Auch der österreichische Sektenaussteiger, der einen Blog gegen Scientology betreibt, war am Samstag bei der Demo anwesend – und geriet sofort ins Visier der Scientologen. Der Medienbeauftragte Jürg Stettler verteilte am Samstag zusammen mit einer Pressemappe einen Flyer mit dem Titel «Wilfied Handl: Fakten!».
Darin wird jedoch kaum auf die Vorwürfe Handls an die Adresse von Scientology eingegangen. Viel mehr setzt der Flyer-Text auf Attacken auf Handls Person. So wird ihm etwa vorgeworfen, Mitglied einer «Terrorvereinigung» gewesen zu sein. Die Angriffe gipfeln in der Aussage: «Aufgrund seines eigenen unethischen Lebenswandels verlässt ihn seine Frau und er zerstört dadurch sogar seine eigene Familie.» Quellen- und Autorenangaben sind auf dem Flyer keine zu sehen.
Scientology-Sprecher Jürg Stettler (im weissen Hemd) greift mit einem Flyer Sekten-Aussteiger Wilfried Handl an. (Bild: Hans-Jörg Walter)
Auf den Flyer angesprochen, antwortet Wilfried Handl mit einem müden Lächeln. «Es hätte mich gewundert, wenn nichts gegen mich verteilt worden wäre.» Der Blogger, der unlängst vom «Bayrischen Rundfunk» porträtiert wurde, ist sich solche Pamphlete gewohnt. «Ich bin nur böse, dass sie meinen Namen falsch geschrieben haben», meint er lachend.
Dabei stellt Handl klar, dass er in den Siebzigerjahren tatsächlich Mitglied bei der kommunistischen Lehrlingsgruppe «Offensiv links» war. «Ich bestreite das keineswegs, bin aber nicht stolz darauf.» Wer es ihm vorhalten wolle, solle das ruhig tun – wie das auch bei Joschka Fischers Polit-Vergangenheit gemacht werde.
Blick ins Innere der Basler Scientology-Kirche (Bild: Keystone)
Zudem sei der Flyer voller falscher Angaben. Er sei nicht dreimal aus Scientology herausgeworfen worden, sagt Handl. «Ich bekam ein Lokalverbot, obschon ich das Lokal verlassen hatte.» Aber auch ein angeblicher Rauswurf ist für ihn unproblematisch: «Selbst wenn es so gewesen wäre, müsste ich jetzt darauf stolz sein.»
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Videos der Reden und der Eröffnungsshow finden sich auf dem Blog von Wilfried Handl.