Gefesselte Herzen aus Bromsilber & Glitzerpulver

So funktionierten Liebesschmachtereien vor SMS & Co. Mit etwas Glück findet man heute noch innige Zeugnisse längst vergangener Liebschaften.

Am letzten Neubad-Flohmarkt habe ich einen tollen Fang gemacht: ein paar wunderschöne Liebeskarten. 17 colorierte Schwarzweissfotos im alten deutschen Postkartenformat 9 x 13 cm.

Auf der Rückseite mit alter Schnürlischrift bis in die letzte Ecke vollgeschrieben, wird auf der Vorderseite der Postkarte geschmachtet und angehimmelt, dass es eine Freude ist. Adrette Fotomodelle stellten Liebesszenen nach und der Photograph gab alles, damit die Sujets möglichst süss daherkommen. Da wurde mit allen damals möglichen fotografischen Tricks geschummelt und retouchiert. Vielmals wurde ein Text hineinkopiert wie dieser:  «Gefesselte Herzen: Im Herzen brennt es lichterloh, der Liebe Glut entfacht, Du hast’s vollbracht.» 

Solche Karten waren damals (etwa 1895–1925) Massenware, wurden in Kiosken und Papeterien verkauft. Es gab viele «Photographische Anstalten», die diese Art von vorgefertigten Liebeswünschen als gutes Geschäft abwickelten. Da wurde in Serienproduktion kopiert und gepinselt, manchmal noch mit Pailletten, Glitzer oder sogar Echthaar verziert.

Postkarten und Briefe waren zu der Zeit die einzigen zahlbaren Möglichkeiten für Liebespaare, sich auszutauschen. Doch dann kam das Telefon in die Haushalte und die Liebesbotschaften wurden von nun an per Hör- und Sprechmuschel ausgetauscht.

Als dann Fotoapparate auch für Privathaushalte erschwinglich wurden, erlaubte das den Menschen, sich selber fotografierte Sujets zu schicken. Doch die ästhetische Qualität der colorierten Bromsilber-Postkarten erreichten die Amateure nie.

Wer die Reproduktionen in besserer Qualität runterladen will, kann das hier tun.

Lesetipp: Der Zürcher Fotohistoriker Fritz Franz Vogel  hat 2000 der kitschigsten Karten in einem in Samt gebundenen Buch versammelt; «Kitsch per Post», Böhlau-Verlag , 2014.

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