Es soll tatsächlich Zeitgenossen geben, die sich darüber mokiert haben, dass Raphael Wicky bei seinem Trainerdebüt in der Super League legere Sportklamotten getragen hat und keinen Anzug oder zumindest ein Jacket. Der fesche 40-Jährige, der in jedem Zweiteiler eine gute Figur abgibt, wird sich auch dem Basler Heimpublikum so präsentieren, wie er sich an seinem Arbeitsplatz, in seiner Coachingzone, am wohlsten fühlt. Er sagt: «Ich habe das Gefühl, das bin eher ich.»
Und wen das wirklich interessiert: Wenn dann im September die Champions League gespielt wird, kann sich Wicky getrost an seine eigene Kleidungslust halten. Vielleicht gibt es eine Art Etikette, weshalb Trainer fast ausnahmslos im Anzug an der Seitenlinie stehen. Aber eine Anordnung diesbezüglich macht die durchaus anordnungsfreudige Uefa nirgends. Entgegen anderslautenden Behauptungen.
Was das alles mit dem ersten Heimspiel des FC Basel an diesem Sonntag zu tun hat? Gar nichts. Es wird weniger der optische Auftritt des Trainers das Thema sein als der optische Eindruck seiner Mannschaft. Es ist quasi Tag 2 der neuen Ära, die vor Wochenfrist in Bern mit einem enttäuschenden Tag 1 begonnen hat. Und alles andere als ein Sieg über den FC Luzern würde aus Basler Optik als Fehlstart in die neue Zeitrechnung gewertet werden. Und aus der Restschweiz gäbe es Häme als Zugabe.
Jünger, regionaler, attraktiver – so ist es angekündigt
Es ist also in mehrfacher Hinsicht ein spezielles Spiel für Wicky, seine Heimpremiere als Trainer des FC Basel, wo er vor vier Jahren als Coach der U18 begonnen hat. Und was es bedeutet, beim Serienmeister auf dem Chefposten zu stehen, bekam er schon nach dem ersten Spiel in Bern zu spüren: Er musste sich vorhalten lassen, etwas mutlos in sein Startspiel gegangenen zu sein, was System und Aufstellung anbelangt.
Dem entgegnete Wicky am Freitag: Dass seine Mannschaft im Stade de Suisse auf den letzten 30 Metern nicht genügend spielte, habe mit Mut oder System nichts zu tun. Sie hätten in seinen Augen das Spiel bis zum ersten Gegentor sogar so gut kontrolliert, dass man sich womöglich in falscher Sicherheit gewogen habe.
Eine der spannenden Fragen vor der Heimpremiere ist also, ob dieser FC Basel bereits ein anderes Gesicht zeigen wird. Jünger, regionaler, flexibler, dynamischer – sprich: attraktiver soll der Fussball ja sein. So ist es angekündigt worden, darauf freuen sich 22’300 Jahreskarteninhaber und weitere 2600 Besucher, die bis Freitagmittag ein Ticket für die Partie gegen den FC Luzern erworben haben.
Es werden, wenn um 16 Uhr angepfiffen wird, zwar ein paar nebensächliche Dinge neu sein im St.-Jakob-Park. Der Spielerausgang – vulgo: Senftube – etwa wurde renoviert, und an den Getränkeständen gibts einen Zwei-Sterne-Becher. Auf der Tribüne wird ein neuer Präsident das Gezeigte begutachten, wobei noch nicht klar ist, ob Bernhard Burgener das aus seiner Loge oder den für die Vorstandsmitglieder reservierten Plätzen tun wird. Und vielleicht sitzt neben ihm auch schon Jean-Paul Brigger, der neue Delegierte des Verwaltungsrates, der offiziell am 2. August seinen Dienst beim FCB aufnimmt.
Am Grundmuster und am Kader hat sich nicht viel verändert
Was allerdings ziemlich ähnlich wie zuletzt aussehen wird, ist die Mannschaft. An der hat sich in der kurzen Übergangsphase namens Sommerpause nichts radikal verändert. Und verändern wird sich auch ein Grundmuster nicht, mit dem man in Basel und im Schweizer Fussball umzugehen hat: Dass es dem Serienmeister obliegt, das dicke Brett zu bohren, dass ihm tief gestaffelte Gegner, im Joggeli sowieso, entgegenstellen.
Das war auch in Bern so, wo die Young Boys sich auf ihre Umschaltqualitäten und lange Bälle verlegten, während der FCB fast zwei Drittel der Spielzeit in Ballbesitz war. Und am Muster, dem geduldigen Bohren der Bretter, so steht zu vermuten, wird sich im nationalen Umfeld nichts Grundlegendes verschieben. Auf Ballkontrolle und Ballzirkulation ist diese Mannschaft ausgelegt, damit hat sie nicht erst die letzte Saison dominiert. Eine Saison notabene, die nun fast schon geschichtsklitternd als «langweiliger Beamtenfussball à la Urs Fischer» verunglimpft wird.
Die Latte, man merkt es, liegt hoch für Raphael Wicky und sein Team, die diffuse Sehnsucht nach mehr Spektakel wird nicht einfach zu erfüllen sein. Das hat Luca Zuffi im Frühjahr in einem Interview mit der TagesWoche vorsichtig angemerkt. Bei den Kräfteverhältnissen, die nun einmal herrschen, wird aus dem FCB nicht plötzlich ein konterndes Überfallkommando werden.
Spannend ist, welche Wirkung Wickys Arbeit entfaltet
Das Schöne ist natürlich, dass dieses FCB-Kader nach wie vor eine ausserordentliche Qualität und gehöriges Potential besitzt. Da wird bald von den Kutesas, den Buas, den Schmids die Rede sein, oder den van Wolfswinkeln oder Oberlins. Vielleicht auch auf Kosten eines Zuffi oder anderer Etablierter.
Der Trainer versucht zu erklären, dass der Fussball, der in bis dato 36 Trainingseinheiten unter seiner Anleitung eingeübt wurde, nur bedingt etwas mit dem System, der Grundordnung zu tun hat, mit der er die Mannschaft aufs Feld schickt. Gestaltungswillen, die Raumaufteilung und Laufwege, vor allem jene in die Tiefe, sind für ihn eher die Messlatte.
Und trotzdem wäre es spannend zu beobachten, was das in der letzten Vorbereitungsphase forcierte System für eine Wirkung entfaltet. Mit einer Dreierabwehrkette, mit Michael Lang und Renato Steffen und auf den Flügeln, mit einem aus der Tiefe operierenden Matias Delgado, einem Jungen wie Dominik Schmid und einer wie auch immer besetzten Doppelspitze.
Gegen 18 Uhr an diesem Sonntag wird man womöglich schon ein bisschen schlauer sein.
Ausserdem zum Spiel gegen Luzern: Der FC Basel nimmt einen zweiten Anlauf