Gefordert: Beat Rechsteiner

Schweinchen, Kleeblätter, Hufeisen und Kaminfeger sollen einem ein neues Jahr in Glück bescheren. Für den Kaminfeger Beat Rechsteiner aus Riehen beudetet das: viel Körperkontakt.

Kaminfeger Beat Rechsteiner soll Glück bringen. (Bild: Cedric Christopher Merkli)

Schweinchen, Kleeblätter, Hufeisen und Kaminfeger sollen einem ein neues Jahr in Glück bescheren. Für den Kaminfeger Beat Rechsteiner aus Riehen beudetet das: viel Körperkontakt.

Es passiert ihm häufig, dass ihn fremde Frauen anfassen. Ihm sanft auf die Schulter klopfen, die Hand auf seine Brust legen – und lächeln, als wäre es ihnen jetzt sicher, das Glück, das er ihnen bringen soll. In den Tagen um Silvester passiert es noch häufiger. Eine Berührung – und das Glück im neuen Jahr soll einen begleiten.

Kaminfeger Beat Rechsteiner (43) weiss nicht, ob er tatsächlich als Glücksbringer taugt. Noch nie hat er ein Brautpaar nach der Hochzeit gefragt: «War es gut für Sie, dass Sie mich umarmt haben, als Sie aus der Kirche getreten sind und ich zufällig da war?» Im Gegensatz zu seinem Grossvater und Vater verteilt er keine Einräppler, um das Glück abzurunden.

Meist hat er sowieso keine Hand frei, wenn er im Übergewand unterwegs ist. Dann trägt er Leiter in der einen und Rollrute in der anderen Hand. Steht auf einem Dach – und kaum ist der Kamin gefegt, saugt er bei der Heizzentrale im Keller den Russ weg.

Zylinder als Kopfschutz

Es hat sich viel geändert, seit Beat Rechsteiners Grossvater das Familienunternehmen gegründet hat. Der Grossvater transportierte die Arbeitsutensilien noch auf dem Fahrrad durch die Gegend. Trug einen Zylinder als Kopfschutz und stattete so ziemlich jedem Bewohner in der Gegend regelmässige Besuche ab.

Heute ist das anders, heute gibt es «Fernwärme». Die Industriellen Werke Basel werben dafür, indem sie versprechen: «Sie gewinnen an Komfort, da Sie weder Brennstofflieferungen noch Kaminfeger für Ihre Heizzentrale bestellen müssen.» Für Beat Rechsteiner und die anderen Kaminfeger, die im Kanton um ihre Kunden buhlen, bedeutet diese Entwicklung: weniger Aufträge.

Notfalldienst an Silvester

Er lässt sich aber nicht entmutigen. «Ich werde mehr und mehr zum Kundenberater, der auch technisch Auskunft geben muss», sagt er. Umdisponieren müsse er, dann laufe das Geschäft trotzdem. «Heute wollen die Kunden wissen: Warum funktioniert der Brenner nicht?»

Möglicherweise muss Beat Rechsteiner solche Fragen auch in der Silvesternacht beantworten. Für Notfälle ist er auch ohne Übergewand zur Stelle. Seine Frau ist überzeugt, dass ihr Gatte auch in Zivil Glück bringt. «Mir jedenfalls», sagt sie – und berührt ihn an der Schulter, so sanft, wie wohl kaum eine fremde Frau auf der Strasse.

Quellen

Artikelgeschichte

Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 30/12/11

Nächster Artikel