Basel hat seit 1898 ein schweizweites Unikum: das Victoria-Haus im botanischen Garten der Uni. Darin beheimatet ein kreisrundes Becken mit acht Metern Durchmesser und eine riesige Victoriaseerose. Jedes ihrer Schwimmblätter hat zwei Meter Durchmesser und trüge locker ein Kind. Im Zentrum des Acht-Meter-Beckens wird alljährlich eine Pflanze dieser Art gepflanzt, die sich über den Sommer gewaltig ausbreitet. Nächste Woche wird das Becken vorbereitet.
Dafür steigt die zuständige Gärtnerin Edith Zemp in ihre Fischerhose. Um an den Pflanztopf für ihren Setzling zu gelangen, muss Zemp vor Dienstschluss fünf Stöpsel im Victoria-Becken ziehen. 25’000 Liter Wasser laufen über Nacht gemächlich ab. Das langsame Tempo ist wichtig, sonst bildet sich ein Strudel, der die Fische mitreisst. Die aber sind Zemps unverzichtbare Mitarbeiter. Sie fressen unerwünschte Algen.
Frühjahrsputz im Becken
Am nächsten Morgen steigen Zemp und fünf Kollegen ins Becken. Sie fischen die gut hundert Fadenfische und einen fünfmal so grossen Schwarm Guppys ab und machen dann den Frühjahrsputz im Becken.
Beim Abfischen kann Zemp gleich unerwünschte Fische aus dem Becken befördern. Regelmässig kommen Fischbesitzer auf die Idee, ihre zu gross gewordenen oder zu vermehrungsfreudigen Fische im scheinbar wohnlichen Becken auszusetzen. Zemp: «Wir hatten schon unterarmlange Welse. Goldfische finden wir ständig.» Im Becken bleiben können sie nicht. «Die Barschartigen graben die Pflanzen aus», berichtet die Gärtnerin.
Guppys und Goldfische
Einmal wurde gar der Victoria-Setzling abgerupft. Goldfische finden im Aussenteich des botanischen Gartens Asyl, bis sie von Interessenten abgeholt werden. Den Exoten ist es dort zu kalt, sie müssen in die Fischauffangstation in Zürich.
Ist das Becken gereinigt, tauschen die Gärtner die Erde für die Victoriaseerose aus und tragen 600 Liter Spezialmischung aus Lauberde, Quarzsand, Lehm und getrocknetem Kuhmist ins Becken. Die Pflanze selbst wird erst um Ostern herum gesetzt, wenn die Blätter an der Unterseite Stacheln ausgebildet haben, die vorwitzige Fische abhalten.
Artikelgeschichte
Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 22.02.13