Peter Galler will den Besuchern seines Museums auf dem Friedhof Hörnli Demut vermitteln. Sagt er zumindest. Am Schluss läuft dann doch wieder alles auf eine gute Pointe hinaus.
Die grösste Attraktion, die Peter Galler in seinem Museum auf dem Hörnli zu bieten hat, ist Peter Galler selber. Galler hat als Grabmachermeister 50 Jahre lang Kniegelenke aus dem Ofen gefischt. An der Museumsnacht will er durch den Fundus führen, den sein Beruf abwirft.
«Jackson!» Galler lässt seine Faust auf einen Sarg niederfahren. US-Fabrikat, blauer Stahl, 20 000 Dollar in der Anschaffung. «Darin steht der Saft zehn Zentimeter hoch, bis der Boden durchgerostet ist.» Galler zieht die Nase hoch: «Pfui!» Der Jackson habe sich auf dem Schweizer Markt nicht durchgesetzt. Schweizer mögen es trocken.
Der Tod hat meistens eine Pointe bereit. Und Galler kennt sie alle. Aber er hat auch eine Botschaft, die er den Besuchern seines ansonsten oft geschlossenen Museums mitgeben will. Galler will sie formulieren, er sinniert, zerkrümelt ein paar Sätze. Was, ja was denn? Dann ganz sanft im Kaplanton: «Demut.» Er beugt sich vor: «Ich will die Bluffer ein bisschen runterholen und ihnen klarmachen, dass keiner etwas von dieser Welt mitnimmt.»
Früher, als zwei von fünf nicht durchkamen, hätten die Leute das Leben als Geschenk gelebt, auf Du und Du mit dem Sensemann. Galler zeigt auf eine Fotografie: vier Kinder, ganz in Weiss, bleiche Gesichtlein, zur Totenschau zurechtdrapiert. Birsfelden, 1920. Er tippt mit dem Finger darauf herum: «Italiener, ziemlich sicher sogar.» An Pilzvergiftung gestorben, das konnte er in Erfahrung bringen. Jetzt will er wissen, was mit den Eltern geschehen ist.
Galler interessiert sich heute mehr für die Menschen als für die Objekte. Bald wird er die Grabbaumeister der letzten Jahrzehnte zu einem Abendessen einladen. «Wenn es gratis Schnaps gibt, kommen die.» Dann will er ihnen Erinnerungsstücke ableiern, Versicherungsnachweise, Lohnabrechnungen, Ferienscheine. Über die Dokumente will er die Biografien hervorholen.
Seine Frau ist bereits ein Artefakt. Ihre Urne wacht neben der Küche, wo die Besucher der Museumsnacht bekocht werden. «Sie hatte immer Angst, dass das Essen nicht reicht.» Auch Galler will sich dereinst kremieren lassen. Die Urne hat er schon. Sie steht auf dem Kutscherbock eines alten Leichenwagens. Blaue Keramik, eine Drittklassurne aus dem 19. Jahrhundert. Nichts Prätentiöses. Aber mit viel Geschichte.
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Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 13/01/12