Gefordert: Yvonne Bürgin Flubacher

In diesen Tagen sind Hilfsorganisationen wie beispielsweise der Verein Schwarzer Peter besonders gefordert. Denn für Obdachlose kann die Kälte lebensgefährlich sein.

Yvonne Bürgin Flubacher ist wegen der Kälte mehr als sonst unterwegs. (Bild: Michael Würtenberg)

In diesen Tagen sind Hilfsorganisationen wie beispielsweise der Verein Schwarzer Peter besonders gefordert. Denn für Obdachlose kann die Kälte lebensgefährlich sein.

Wer sich unter klirrender Kälte bisher nichts vorstellen konnte, weiss spätestens seit diesen Tagen, wie sie sich anfühlt. Grässlich. Wer nach draussen muss, will möglichst schnell wieder in der Wärme ankommen. Täglich berichten die Medien von Menschen, die erfroren sind. Die meisten in Osteuropa. Menschen, die keinen Ort zum Aufwärmen haben. Unvorstellbar, denkt man, und doch: Selbst in der Schweiz, in einem der reichsten Länder der Welt, gibt es Obdachlose. Dass bisher noch keiner von ihnen der Kälte zum Opfer gefallen ist, ist nicht zuletzt das Verdienst von gemeinnützigen Organisationen.

In Basel zum Beispiel engagiert sich seit über 20 Jahren der Verein Schwarzer Peter für Menschen auf der Strasse. Das vierköpfige Team macht derzeit Überstunden, ist häufig mit Tee und Decken unterwegs, auch abends und an Wochenenden. Eine von ihnen ist die 49-jährige Yvonne Bürgin Flubacher. Die eigenen Lebensrealitäten, sagt sie, hätten sie zum Schwarzen Peter geführt. In anderen Worten: «Ich habe in jungen Jahren selber die Schattenseiten des Lebens kennengelernt.» Was sie keine zwingende, aber auch keine schlechte Voraussetzung für den Job findet. «Es hilft, in die Realität der Leute, die zu uns kommen, einzutauchen, ohne sie gleich in eine Schublade zu packen.» In die Schublade «selber schuld» etwa, wie das manche, die keine Not kennen, tun.

Immer mehr Arme

Viele sähen, wenn sie an den Schwarzen Peter denken, das Bild von Clochards, sagt Yvonne. «Ein falsches Bild.» Selbstverständlich seien auch Süchtige unter ihrer Klientel, aber nicht nur. Das Spektrum der Menschen in Armut sei gross. Und mit der Wirtschaftskrise noch grösser ­ge­worden, sagt Yvonne. Erst kürzlich hätten sie einen 61-jährigen Mann angetroffen, der ihnen beschämt gestand, dass er nach seiner Stelle auch die Wohnung verloren habe. «Immer mehr Menschen fallen durch die Maschen.»

Aber Yvonne findet auch lobende Worte: Sie erlebe trotz der Härte auch tolle Momente. Momente der Solidarität. «Basel», sagt die ursprüngliche Zürcherin, «ist eine so­ziale Stadt mit vielen Menschen, denen das Schicksal der anderen nicht egal ist.» Und sie zeigt auf zwei Feuerkörbe, die ihnen jemand vorbeigebracht hat. Am letzten Freitag wurden sie zum ersten Mal auf der Elisabethenanlage ein­gesetzt. Monika Zech tageswoche.ch/+awaeu

Artikelgeschichte

Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 10.02.12

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