Seit Januar ist der Wintersport um ein Gerät reicher. Die Crossblades sind eine Mischung aus Schneeschuh und Kurzski. Wir haben sie ausprobiert. Fazit: Aller Anfang ist schwer, aber das braucht einen nicht zu entmutigen.
Aus einem nicht besonders üppigen Katalog an Skitouren sind uns manche Momente in allerbester Erinnerung geblieben: jener pulvrige Hang am Clariden, einmal beste Verhältnisse am Fläckli, ein Teil des Steingletschers, der wunderbare Frühjahrssulz am Lavey, der Gipfelhang der Ebene Fluh, die obersten 300 Meter am Chli Bielenhorn, oder vor allem: die Abfahrt vom Gorihorn hinunter bis zur Flüela-Passstrasse.
Mit der knappen Aufzählung soll nicht gemeint sein, das Skitourengehen sei eine einzige Mühsal – die Aufstiege sind allemal eine Besonderheit und jeden Schritt wert. Aber das Abfahren ist für mittelprächtige Skitourengänger nicht immer der reine Genuss.
Gewisse Dinge sind einfach nicht mehr zu erlernen, und man sieht neidvoll jenen Könnern zu, die mit präzisestem Aufsetzen des Skis und scheinbar spielerischen Kick-Spitzkehren die Hänge hinauffedern; die auch bei schwerstem «Teig» und im hinterhältigsten Bruchharsch noch elegant abfahren können und denen es auch nichts auszumachen scheint, wenn die Sichtweite nur noch eine Handbreite beträgt.
Integrierte Steigfelle
Aber jetzt kommt für all jene, die gerne Touren im Schnee unternehmen, es aber nie über den Status des Dilettanten hinausgebracht haben, so etwas wie kurze Hoffnung auf. «Kurz» ist dabei nicht zeitlich zu verstehen: Die Hoffnung ist gerade mal 89 Zentimeter lang. Es handelt sich um eine Mischung aus Schneeschuh und breitem Kurzski: die Crossblades. Seit Anfang Jahr sind sie exklusiv bei Bächli Bergsport erhältlich.
Und wer hats erfunden? Der 76-jährige Wengener Ulo Gertsch, Geschäftsführer der Firma Inventra aus Steffisburg, entwickelt seit Jahrzehnten erfolgreich Wintersportgeräte, insbesondere Sicherheits- und Tourenbindungen. Die Crossblades sind sein neustes Produkt.
Auf den ersten Blick erweckt das Gerät nicht allzuviel Vertrauen: ein flaches Badwännli aus Kunststoff. Dessen Qualitäten offenbaren sich erst, wenn man sich die Unterseite ansieht: Sie besteht aus einer Platte, auf der man dank integriertem Steigfell steigen, als auch, wenn man sie wendet, gleiten kann. Hat man so viel begriffen, erschliesst sich auch der Sinn der – nur scheinbar fragilen – Badwännli-Form: Sie soll für Auftrieb sorgen, beim Steigen wie beim Gleiten.
Den ersten Fehler begehe ich schon, bevor ich mir die Crossblades an die Bergschuhe schnalle: Ich sehe mir das Demo-Video an. Leicht und locker und fröhlich und technisch gekonnt ziehen die Frau in Rot/Türkis und der Mann in Blau/Schwarz ihre Spuren. Leider wird mir das – keine grosse Überraschung – nicht ganz so gut gelingen. Davon später.
Wir haben die Crossblades nur an einem einzigen Morgen ausprobiert, auf einem nicht allzu steilen Hang mit zwei etwas steileren, kurzen Rampen, bei etwa 30 Zentimeter Neuschnee. Über das Verhalten der Crossblades bei anderen Verhältnissen können wir nur mutmassen: Vermutlich lassen sie sich im Sulzschnee gut führen, und vielleicht taugen sie im Aufstieg bei harten Verhältnissen nicht allzuviel. Anders als Schneeschuhe verfügen sie nämlich nicht über Krallen, und anders als beim Tourenski können keine Harscheisen angebracht werden. Aber wie gesagt, das sind Vermutungen, die versiertere Tourengänger überprüfen müssen.
Zunächst gefällt, wie leicht das Wechseln vom Aufstiegs- in den Abfahrts-Modus fällt. Ohne aus der Bindung zu steigen, gelingt es nach kurzer Zeit, die Platte zu wenden – eine Schnalle am Heck öffnen, die Platte aus den zwei Führungs- und Halte-Schlitzen herausziehen, wenden, dieselben Schlitze wieder anvisieren – Magnete helfen beim Einsetzen – Heckschnalle wieder zu, fertig. Das geht auch mit Handschuhen. Man braucht nicht aus der Bindung steigen wie beim Skitourengehen, keine Felle abziehen, mit klammen Fingern zusammenlegen und zuhause zum Trockenen aufhängen, keinen Rucksack ablegen.
Erste Versuche verlaufen unfall-, wenn auch nicht sturzfrei
Der Aufstieg fiel zuvor ebenfalls leicht. Schneeschuhe muss man im Neuschnee bei jedem Schritt heben, die Crossblades dagegen pflügen dank der breiten Schaufel eine Spur. Das spart Kraft. In mässig steilem Gelände steigt man in der Falllinie, bei den steileren Rampen genügt der Halt allerdings nicht; immerhin kommen wir auch im Schräghang-Aufstieg einigermassen vorwärts.
Und schliesslich die Abfahrt: Wie gesagt, kein Vergleich zum Demo-Video. Aber es ging auf Anhieb, und zwar unfall-, wenn auch nicht sturzfrei. Die Bögen bekommt man hin, ohne viel nachzudenken, die Gleitphase fiel bei unserem Versuch nicht allzu rasant aus, weil wir immer eine Portion Neuschnee mitgeschoben haben. Seitwärts ist die Balance gut zu halten, die vor- und rückwärtige Balance fiel uns wegen der Kürze der Crossblades etwas schwerer. Das hat bei Geschwindigkeitswechseln auch zu den harmlosen Stürzen geführt. An das Tiefschnee-Fahrgefühl, das sich – falls überhaupt – auf Ski einstellt, kommt man mit Crossblades aber nicht heran.
Das Fazit des Tests, der wie gesagt keinerlei Anspruch auf allgemeine Gültigkeit erheben kann: originell getüftelt, gut verarbeitet, solide und präzis ausgeführt. Die an sich widersprüchlichen Anforderungen von Steigen und Gleiten sind gut zusammengebracht. Ulo Gertsch hat ein Sportgerät geschaffen, das trotz gewisser Einschränkungen durchaus Potenzial hat, nicht zuletzt auch in der Sparte Fun.
Doch auch der Spass hat seine Grenzen: Ob Tourenski, Snowboard, Schneeschuh oder ob Crossblades, Lawinen machen da keinen Unterschied.
Gesamtlänge: 89 cm; maximale Breite: 19 cm (an der Schaufel); minimale Breite: 16,5 cm (im Bindungsbereich)
Wendeplatte mit Steigfell und Gleitbelag: 67 cm x 11 cm, mit Stahlkanten
Crossblades sind mit Hardboot-Bindung für Tourenskischuh oder mit höhenverstellbarer Softboot-Bindung erhältlich. Bei beiden Bindungen ist eine einstufige Aufstiegshilfe integriert.
Gewicht und Preis mit Hardboot-Bindung: 3,720 kg/559 Franken; mit Softboot-Bindung: 4,320 kg/599 Franken
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Crossblades kann man exklusiv bei Bächli Bergsport kaufen oder mieten.