Geldregen für die Uni Basel

Für das Molekül, das einer ihrer Professoren entwickelt hat, zahlt Pfizer einem Partnerunternehmen der Uni wohl bald mehrere Hundert Millionen Dollar. Zehn Prozent davon fliessen nach Basel. Der Anteil des Professors ist, finanziell gesehen, mehr wert als zehn Nobelpreise zusammen.

Ihren Börsengang feierte Glycomimetics mit einer riesigen Leuchtreklame am Times Square in New York. (Bild: Glycomimetics)

Für das Molekül, das einer ihrer Professoren entwickelt hat, zahlt Pfizer einem Partnerunternehmen der Uni wohl bald mehrere Hundert Millionen Dollar. Zehn Prozent davon fliessen nach Basel. Der Anteil des Professors ist, finanziell gesehen, mehr wert als zehn Nobelpreise zusammen.

Am 15. Januar 2014 ging die zwei Dutzend Angestellte zählende amerikanische Pharma-Firma Glycomi­metics an die New Yorker Technologiebörse Nasdaq und brachte 8 Millionen Aktien unter die Leute. Der Börsengang spülte rund 57 Millionen Dollar in ihre Kasse. Heute ist Glycomimetics, geführt von der ehemaligen Novartis-Managerin Rachel K. King, an der Börse 175 Millionen Dollar wert, der Aktienkurs liegt bei knapp 10 Dollar. Seit ihrer Gründung 2003 gab die Firma 79 Millionen Dollar aus und nahm 23 Millionen Dollar ein. Ausser Aktien hat Glycomimetics bis heute noch nie ein greifbares Produkt verkauft.

Millionen-Hoffnung dank Molekül

Trotzdem zahlte der Pharmakonzern Pfizer 2011 22,5 Millionen Dollar in bar und versprach weitere 327 Millionen plus Umsatzbeteiligung für die weltweiten Rechte an der chemischen Verbindung mit dem Codenamen GMI-1070 im Portefeuille von Glycomimetics. Sich ausgedacht und gebaut hat das Molekül der Chemiker Beat Ernst am Biozentrum der Universität Basel. Seit 2004 bezahlte Glycomimetics, laut Uni-Mediensprecher Matthias Geering jedes Jahr rund 200 000 Dollar für die Arbeit von Ernst und Teilen seiner Forschungsgruppe.

In einem Interview mit Radio DRS2 erklärte Beat Ernst 2012, sie seien für «Design und Synthese» der Moleküle verantwortlich. Danach wanderten diese zu Glycomimetics. Dort würden sie unter anderem in Tierversuchen ­getestet. Dabei habe sich gezeigt, dass GMI-1070 äusserst effizient verstopfte Blutgefässe wieder durchlässig machen könne. Das Signal, die Substanz an Menschen auszuprobieren!

Im April 2013 schloss Glycomimetics die ersten Versuche an Patienten ab. Die Substanz wurde 76 zwischen 12 und 60 Jahre alten Personen verabreicht, die an der Sichelzellenanämie leiden. Ein Symptom dieser Erkrankung der roten Blutkörperchen ist ein in Schüben auftretender, äusserst schmerzhafter Verschluss der Blutgefässe. GMI-1070 konnte diesen rascher beheben als ein Placebo, ein erster Beweis seiner Wirksamkeit.

32 Millionen in Aussicht

Der Vertrag von Glycomimetics mit Pfizer sieht vor, dass die weiteren Tests bis zur Zulassung eines Medikaments in der Verantwortung des Pharma­giganten liegen. Laut der Übereinkunft zahlt Pfizer insgesamt 115 Millionen Dollar, wenn die ersten sogenannten Phase-III-Tests beginnen (voraussichtlich Mitte 2014) und später der kommerzielle Verkauf des Medikaments in den USA und Europa anläuft. Weiter erhält Glycomimetics 70 Millionen Dollar, wenn die Zulassungsbehörden in den USA und Europa das Medikament bewilligen. Und bis zu 135 Millionen werden fällig, wenn gewisse Umsatzziele erreicht werden. Zudem erhält Glycomimetics einen Anteil an kommenden GMI-1070-Umsätzen. Dieser bewege sich zwischen 10 und 40 Prozent. Laut Dokumenten der amerikanischen Börsenaufsicht reicht er «from the low double digits to the low teens», je nach Geschäftsgang.

Von den in Aussicht stehenden 327 Pfizer-Millionen und den Umsatzbeteiligungen gehen immer 10 Prozent an die Universität Basel. So steht es im Kooperationsvertrag von 2004 zwischen Glycomimetics und Hochschule. 30 Prozent davon erhält die Universität als Ganze, 30 Prozent gehen an die ­Organisationseinheit, bei der Beat Ernst tätig ist, das Departement Pharmazeutische Wissenschaft, und 40 Prozent des Uni-Anteils an den Pfizer-Millionen stehen Ernst zu. Das ergibt im besten Fall für ihn rund 13 Millionen Dollar. Sollte sich das GMI-1070-Medikament bei Pfizer als Umsatzrenner erweisen, kommt wohl noch einiges mehr hinzu. Zum Vergleich: Bis anhin holt die 554 Jahre alte Universität Basel aus Lizenzen und Patenten rund 300 000 Franken pro Jahr.

GeneGuide in den Startlöchern

Ob der Fünf-Prozent-Anteil, den die Universität seit April 2013 an der Basler GeneGuide AG hält, ihre Kassen je in ähnlicher Weise klingeln lässt, steht in den Sternen. Zwei Neuropsychiater der Universität, Dominique de Quervain und Andreas Papassotiropoulos, gründeten die Firma am 3. April 2013 in den Räumen der Advokatur Vischer mit 52 500 Franken. Laut Statuten ­bezweckt die Firma «die Herstellung und den Vertrieb von Produkten und die Erbringung von Dienstleistungen auf dem Gebiet der Life Sciences, insbesondere der Neurowissenschaften». Die GeneGuide AG ist daheim an der Birmannsgasse 8, zur Untermiete bei der Abteilung für Kognitive Neurowissenschaften der Uni Basel, wo ihre Gründer arbeiten. Ihre Telefonnummer ist jene der Abteilung. Für den einen Arbeitsplatz, den sie derzeit belegt, zahlt GeneGuide 2820 Franken pro Jahr.

Die Forscher verfügen über umfangreiches Datenmaterial von 2500 zwischen 18 und 35 Jahre alten Personen, gewonnen aus Befragungen, Verhaltens- und Gedächtnistests, Gehirnuntersuchungen mit verschiedenen bildgebenden Verfahren und genetischen Analysen von Blut- und Speichelproben. Der Datenberg gehört der Uni.

Die TagesWoche konnte den Vertrag zwischen GenGuide und Universität einsehen. Gemäss der Vereinbarung lizenziert sie diese Information bis 2028 an GeneGuide gegen den Aktienanteil und eine Umsatzbeteiligung im tiefen zweistelligen Bereich. Der Vertrag verpflichtet GeneGuide, sich aktiv für die Kommerzialisierung der Daten einzusetzen und jährlich über entsprechende Aktivitäten und Umsätze zu rapportieren.

Die Industrie hat einen Fuss in der Tür

Papassotiropoulos und de Quervain wollen durch die geschickte Interpretation der Daten ihrer 2500 Probanden für bereits bekannte Medikamente neue, psychopharmakologische Einsatzgebiete finden. Am 22. Oktober 2013 vermeldete die Uni Basel einen ersten Treffer: «Durch Genanalysen entdeckt: Medikament reduziert negative Erinnerungen». Die Professoren testeten die etablierte, antiallergisch wirkende Substanz Diphenhydramin. Sie stellten fest, dass sie «zu einer signifikanten Reduktion der Erinnerungsfähigkeit von zuvor gesehenen negativen Bildern» führe. Ein Anti-Histaminikum als «Pille danach» für traumatische Erlebnisse?

Auch bei GeneGuide hat die In­dustrie den Fuss in der Türe. Laut der Universität bestehe «eine erste Zusammenarbeit mit dem biopharmazeuti­schen Unternehmen Amgen».

Artikelgeschichte

Erschienen in der Wochenausgabe der TagesWoche vom 07.02.14

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