Laut Referenzzinssatz müssten beinahe alle Mieten um 3 Prozent sinken – zumindest in der Theorie. In der Praxis stellen sich Vermieter häufig quer. Die Mieter einer Kleinbasler Genossenschaft haben den Kampf um niedrige Mieten fürs Erste gewonnen.
Der Mieter Hans Müller* wohnt seit über 15 Jahren in einer Kleinbasler Wohngenossenschaft. Die Genossenschaft wirtschaftet gut, trotzdem sind die Mieten seit Jahren gleich hoch geblieben. Müller liest Anfang Juni in der Zeitung, dass der Referenzzinssatz drastisch sinkt – von 2 auf 1,75 Prozent. Seine Miete müsste deshalb sinken, von 1360 auf 1340 Franken.
Er ruft den Genossenschaftspräsidenten an, spricht ihm mehrmals aufs Band, erhält jedoch keine Antwort. Auch der Finanzverwalter bleibt vorerst stumm. Müller macht solange Druck, bis der Präsident einwilligt.
Wenig später erhalten alle Mieter einen Brief, in dem sie der Präsident darüber informiert, dass ihre Mieten um zirka 3 Prozent gesenkt würden. Die Senkung habe «aufgrund der finanziellen Möglichkeiten» der Genossenschaft genehmigt werden können.
Referenzzinssatz sinkt kontinuierlich
Es ist offenbar das erste Mal seit Jahren, dass die Kleinbasler Genossenschaft die Mieten aufgrund des Referenzzinssatzes senkt. Dabei sind Vermieter dazu verpflichtet, jedes Mal die Mieten anzupassen, wenn der Referenzzinssatz sinkt. Und dieser sank in den letzten Jahrzehnten kontinuierlich – von 6 Prozent im Jahr 1983 auf aktuell 1,75 Prozent.
Der Referenzzinssatz leitet sich ab aus den hypothekarischen Durchschnittszinssätzen, welche die Banken festlegen. Er gilt als Orientierung dafür, wie viel ein Hauseigentümer an Hypothekarzinsen bezahlt und wie viel er deshalb für eine Miete verlangen darf.
Wenn der Referenzzinssatz sinkt, sinken für Hauseigentümer tendenziell auch die Ausgaben – in der Theorie zumindest. Je nach dem, ob der Hauseigentümer die Liegenschaft voll finanziert hat oder diese über eine Hypothek besitzt. In jedem Fall steht dem Vermieter weniger zu, wenn die Hypothekarzinsen sinken. Eine Senkung von 0,25 Prozent entspricht einer Mietreduktion von knapp 3 Prozent, so will es das Mietgesetz.
Man kennt sich und traut sich nicht, gegen die Verwaltung vorzugehen.
Dennoch wehren sich Vermieter gegen die Mietsenkung – wie es bei der einleitend beschriebenen Genossenschaft über Jahre hinweg der Fall war. Wenn Hans Müller und die Mieter der Kleinbasler Genossenschaft jeden Monat zirka 20 Franken weniger zahlen, muss die Verwaltung vielleicht 60’000 Franken pro Jahr weniger budgetieren. Manche Genossenschaften können sich dies nicht leisten – gerade jene, die sehr niedrige Mieten anbieten, sagt Patrizia Bernasconi, Basta-Grossrätin und Co-Geschäftsleiterin des Mieterverbands Basel.
«Wenn die Miete bereits niedrig ist, stellt sich die Frage, ob eine Mietreduktion überhaupt angebracht ist», sagt Bernasconi. Trotzdem seien Mietreduktionen grundsätzlich auch bei Genossenschaften legitim.
Ein Problem bei Genossenschaften sind häufig auch die internen Strukturen. Man kennt sich, sieht vordergründig den gemeinnützigen Zweck der Genossenschaft und traut sich nicht, eine Mietzinsreduktion durchzusetzen.
Forderungen abgeblockt
Im Falle der Kleinbasler Genossenschaft sorgte das Thema Referenzzinssatz für Spannungen zwischen Mietern und Vorstand. Die Mieter gingen nicht gegen den Vorstand vor, das Thema Referenzzinssatz blieb lange Zeit unangetastet. Als es an Generalversammlungen zur Sprache kam, blockte der Präsident die Forderungen ab.
Der Finanzverwalter ebendieser Genossenschaft gibt sich beim Thema Mietreduktionen denn auch zurückhaltend. Zahlen will er keine bekannt geben, er droht vielmehr mit einer Anzeige, sollten Namen oder Zahlen veröffentlicht werden.
Mieter hegen «leise Furcht»
Der Druck, den Hauseigentümer ausüben, schreckt Mieter nicht nur bei Genossenschaften ab, ein Begehren durchzusetzen. «Einige Mieter hegen die leise Furcht, der Vermieter könne kündigen, wenn sie einen Antrag auf Mietreduktion schreiben», sagt Beat Leuthardt, Co-Geschäftsleiter des Basler Mieterverbands. Dabei sei diese Furcht unbegründet, es gebe seit Jahren keine Kündigungen mehr wegen Forderungen zur Mietzinssenkung gemäss Referenzzinssatz.
Laut einem Bericht des Schweizerischen Mieterinnen- und Mieterverbands (SMV) profitieren nur 17 Prozent aller Mieter in der Schweiz von der Senkung des Referenzzinssatzes. Damit gingen Milliarden an den Mietern vorbei, sagte Michael Töngi vom SMV letztes Jahr.
Damit Sie von der Mietzinsreduktion profitieren können, zeigen wir, wie Sie vorgehen müssen.
Mietzinssenkung beantragen: So gehts
1. Mit einem formlosen Schreiben können Mieter bei ihrem Vermieter eine Senkung des Mietzinses verlangen. Zum Beispiel: «Hiermit beantrage ich eine Reduktion des Mietzinses gemäss aktuellem Referenzzinssatz.»
2. Wenn die Hausverwaltung vier Wochen lang nicht reagiert, heisst es: nachhaken. In manchen Fällen reicht ein Telefonat mit der Hausverwaltung, die dann erklärt, weshalb keine Antwort kam.
Sofern die Hausverwaltung den Antrag ablehnt, ist eine juristische Konsultation angebracht. Der Basler Mieterverband bietet für seine Mitglieder kostenlose Rechtsberatung. Im Gespräch mit dem Mieterverband lässt sich rasch klären, ob es sich um einen berechtigten oder unberechtigten Einwand gegen die Mietreduktion handelt.
Grosse Immobilienfirmen lehnten die Mietreduktion häufig auch grundlos ab und warteten auf die Reaktion der Mieter, sagt Beat Leuthardt. Manche Hauseigentümer schreiben unberechtigte Antworten wie: Man habe die Mieter doch immer sozial und zuvorkommend behandelt, eine Mietreduktion sei deshalb unangebracht. Diese Begründung gelte selbstverständlich nicht, so Leuthardt.
Berechtigte Einwände gebe es schon, zum Beispiel wenn Forderungen aus vergangenen Mietstreitigkeiten zur Verrechnung vorliegen. In einem solchen Fall klärt der Mieterverband die Chancen auf ein erfolgreiches Durchsetzen der Mietreduktion ab.
3. Wenn sich der Vermieter querstellt und der Mieter eigentlich Anrecht auf eine Mietreduktion hat, muss der Mieter den Fall an die Schlichtungsstelle weiterziehen. Die Schlichtungsstelle macht keinen Rechtsspruch, sie versucht mit den Parteien eine Lösung zu finden.
Einige Vermieter würden angesichts des Termins bei der Schlichtungsstelle von sich aus einlenken oder sie senden an diesem Tag ein Fax an die Schlichtungsstelle, in dem sie der Mietzinssenkung zustimmten, sagt Leuthardt. Der Gang zur Schlichtungsstelle ist deshalb in manchen Fällen unumgänglich.
4. Die nächste Instanz ist das Zivilgericht. Wegen Referenzzinssatz-Anpassungen gelangten in der Praxis aber nur sehr wenig Fälle ans Zivilgericht, so Leuthardt. Es mache nur dann Sinn, wenn der Mieter dies auf sich nehmen will und er Erfolgschancen hat.
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* Name geändert