«Glaibasel, i ha di gärn»

Die Kleinbasler fühlen sich jetzt, da die Mittlere Brücke für den Verkehr gesperrt werden soll, noch benachteiligter als sonst. Auf allen Kanälen durften sie in den vergangenen Tagen jammern. Das Kleinbasler Urgestein, der Journalist Werner Blatter, hat kein Verständnis dafür: Für ihn gibt es nichts Schöneres als ein Leben im Kleinbasel.

Werner Blatter liebt es, sein Kleinbasel mit all seinen Spezialitäten. (Bild: NIls Fisch)

Die Kleinbasler fühlen sich jetzt, da die Mittlere Brücke für den Verkehr gesperrt werden soll, noch benachteiligter als sonst. Auf allen Kanälen durften sie in den vergangenen Tagen jammern. Das Kleinbasler Urgestein, der Journalist Werner Blatter, hat kein Verständnis dafür: Für ihn gibt es nichts Schöneres als ein Leben im Kleinbasel.

«Deert iibere zieht me nit», mahnte mit beringtem Finger meine Omi aus dem Breite-Quartier. Sie war die unbestrittene Wortführerin des «Glepfer-Gellert», dem Arbeiterquartier unter dem «daigigen» Nobelhügel. Mein Entschluss war klar. Sonnenklar.

In den Sechzigerjahren des vergangenen Jahrhunderts entschied ich: «Grossbasel, ade! Hallo Kleinbasel!» Warum, das wusste ich eigentlich nicht so recht. War es «d’Ryybrug», damals landesweit das einzige Warenhaus mit einer rollenden Treppe? War es «die Mutter aller Messen», die Mustermesse? Oder gar der Rheinhafen? Bestimmt nicht das – nicht nur während den Messen – boomende Rotlichtmilieu. Nein, ich wollte einfach weg vom engstirnigen Breite-Quartier ins weltoffene Kleinbasel. Und das war nicht ganz einfach.

Aber es klappte. Ich zog vom grosszügigen Anwesen mit Hinterausgang zum Breitebadhäuschen in eine enge Mietwohnung am Rappoltshof. Immerhin mit freiem Blick auf das grüne Kleinbasler Herz, die Claramatte.

Der Entscheid war mutig, richtig mutig! Als der letzte Stuhl durch die starken Umzugsmannen am richtigen Ort platziert war, war es mir allerdings schon etwas mulmig. Doch schon am zweiten Tag nach meiner Ankunft ennet dem Bach begrüsste mich eine Mitmieterin: «I bi s’Ruthli». Eine vollbusige Dame in den besten Jahren. Nur wenige Tage später strahlte «s’Ruthli» mir hinter der Bartheke des «Bierkellers» entgegen. «Hesch ändlig gschmeggt, dass es do viel scheener isch? Wenn eppis bruchsch, eifach sage!»

Ich merkte: Hier schlagen die Herzen im richtigen Takt. Später mutierte «s’Ruthli» zur bekanntesten Bardame der Stadt – mit Standort im «White Horse».

Kleinbasler halten Stellung

Man kann sich wirklich fragen: Was sind schon Wanderferien im Engadin? Wir Kleinbasler haben die Langen Erlen, den landesweit schönsten Tierpark, zum Nulltarif. Auch die Hunde – jeder Grösse – geniessen den freien Auslauf. Einzigartig. Die Wiese spült badisches Wasser durchs Kleinbasel in den Rhein. Und deren Mündung ist der wohl lieblichste Sitzplatz weit und breit. Erst noch mit Blick auf das grösste Logistikzentrum der Schweiz, den Rheinhafen. Dem Tor zur weiten Welt. Einen Steinwurf weiter dann das Dreiländereck. Wo sonst kann man in fünf Schritten durch drei Länder «däppeln»? Daneben ankernde Kreuzfahrtschiffe mit immer mehr Gästen aus aller Welt. Meeresduft liegt in der Luft. Alles öffentlich zugänglich.

Dann gehts bachaufwärts. Der Blick über den Rhein auf den Novartis Campus, unglaublich, was da alles an feinster Architektur zu sehen ist. Ein Halt in der heimeligen Buvette bei der St. Johannsfähre. Später links die Kaserne, ein mächtiger Trutzbau, der meiner Meinung nach niemals abgerissen werden darf. Erinnerungen als bis 1962 noch Sanitätsrekruten über den Asphalt hüpften. Heute strahlt von diesem Ort alljährlich das Basel Tattoo in alle Welt.

Vorbei am Hotel Krafft, der mehrfach prämierten Nostalgieherberge. Schon wieder ein Blick über Vater Rhein: Das Münster. Gerne, sehr gerne schauen wir Kleinbasler zur Pfalz und den Grossbaslern hinauf. Aber dort stehen ja «nur» Touristen. Die «daigigen» Linksrheiner sind längst übers Wochenende in ihr Zweitanwesen verreist. Wir Kleinbasler dagegen geniessen unsere Stadt. Und halten die Stellung. Dann die Solitude. Ein Erlebnis – nicht nur für Kinder. Schön eingebettet: das Tinguely-Museum. Allein dieses Haus ist einen Tagesausflug wert. Daneben wird kräftig gerackert. Das höchste Haus der Schweiz wächst hier aus dem Boden. Im Kleinbasel, versteht sich. Roche sei Dank.

Multikulti pur

Der Entscheid fällt schwer: Weiter bachaufwärts Richtung Kraftwerk? Oder doch durch die sauberen Wohnquartiere Richtung Messe spazieren? Der Messeneubau lockt! Gigantisch, eine Messe mitten in der Stadt. Eine Weltmesse. Alle beneiden uns, wir Kleinbasler beherbergen das Epizentrum des Messewesens. Hinter der Clarastrasse liegen herrliche Seitengassen. Multikulti pur. Gemütliche kleine, fein herausgeputzte Baizli – oder wie heissen diese auf Türkisch? Egal, Multikulti pur eben. Eine kleine Weltreise endet hier in einem urgemütlichen Lokal. Freundliche Bedienung. Ein Lächeln. Den Stress überlassen wir den linksrheinisch Angesiedelten. Was gibt es auf dieser schönen Welt, was wir im Kleinbasel nicht haben?

«S Glaibasel isch mi Lääbe, s Glaibasel isch mi Wält.»

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