Globi und andere koloniale Fantasien

Die Schweiz besass nie eigene Kolonien. Und doch wimmelt es an Denkmustern aus jener Zeit. Erstmals findet jetzt eine Auseinandersetzung damit statt. 

Die Schweiz besass nie eigene Kolonien. Und doch wimmelt es an Denkmustern aus jener Zeit. Erstmals findet jetzt eine Auseinandersetzung damit statt. 

Dass der gute alte Schweizer Comic-Abenteurer Globi rassistisch veranlagt war, weiss man in der Schweiz seit einigen Debatten in den letzten Jahren über den strittigen Gehalt von Kinderbüchern. Das neue Buch «Postkoloniale Schweiz» der an der Uni Basel ausgebildeten oder tätigen Philosophinnen und Historikerinnen Patricia Purtschert, Barbara Lüthi und Francesca Falk geht einen Schritt weiter und beleuchtet, wie klassische koloniale Denkmuster in der Comic-Figur zum Ausdruck kommen.

Dahinter steht ein relativ junger Ansatz der Kulturwissenschaften. Dieser untersucht die Verschränkungen zwischen der Schweiz und Drittweltländern auf koloniale Stereotypen und überlieferte Perspektiven.

Komplizenschaft

Ein vielversprechender – gleichwohl auf den ersten Blick konstruierter und möglicherweise von der eigenen Gesinnung abgeleiteter Zugang. Zwar ist bekannt, dass die Schweiz etwa am Sklavenhandel mitverdiente. So finanzierte die Daig-Familie Burckhardt Sklavenschiffe in Afrika. Eine Kolonialmacht war die Schweiz aber nie. Doch die Verstrickungen gehen über diese Komplizenschaft hinaus. Das Buch stellt infrage, dass koloniale Denk- und Verhaltensmuster den Besitz eigener Kolonien voraussetzen. Gerade weil die Schweiz aussen vor blieb, als Europa aufbrach, um sich Ländereien in der Dritten Welt einzuverleiben, hat es anders als in den früheren Kolonialmächten nie eine Auseinandersetzung damit gegeben.

Die Globi-Figur, die 1935 als Werbeträger für die Warenhauskette Globus geschaffen wurde, beinhaltete – als harmlose Kindergeschichte angelegt – «einen Subtext, in dem sich rassistische, heteronormative und sexistische Logiken verbinden», schreibt Autorin Purtschert. Die technische, charakterliche und intellektuelle Überlegenheit Globis über die Einheimischen ist geradezu ein Merkmal der «Globi»-Bücher.

Anfällig für koloniale Denkmuster war und ist auch die Werbung, wo unter dem Deckmantel der Exotik rassistische Darstellungen auftauchen. Als Beispiel ist Werbung für sogenannte Weisswaren angeführt, die im Globus mit der Figur des «weissen Negers» angepriesen wurden. Dieser warb etwa für Reinigungsmittel. Während seine Arme und Beine schwarz waren, strahlte sein Gesicht ganz in Weiss. Die naheliegende Assoziation: Mit Globus-Seife lässt sich sogar ein schwarzes Gesicht «reinwaschen».

Auch heute wird in der Werbung mit kolonialen Vorstellungen gearbeitet. So bezeichnet Globus in Basel die Rubrik «delicatessa» als «Kolonialwaren». Und auf Modeplakaten inszeniert das Warenhaus die «gute alte Kolonialzeit», wie Falk festhält.

Der «Blick» und die «Afro-Miss»

Koloniale Denkmuster haben die insgesamt 17 Autoren des Buches auch in der Idee der Neutralitätspolitik, in der Entwicklungshilfe und in den Medien identifiziert. Sie haben sich insbesondere im Umgang mit Migranten niedergeschlagen. Etwa dann, wenn im Boulevardblatt «Blick» wochenlang verhandelt wird, ob Miss-Schweiz-Kandidatin Jeannette Bally, die in Kongo geboren wurde, wegen ihrer Hautfarbe Vor- oder Nachteile hat.

Artikelgeschichte

Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 24.08.12

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