Endlich gibt’s ein Gratistram. Leider nicht in Basel, sondern in Tallinn
Was lange währt, wird endlich gut. Der kostenlose Nahverkehr, in Basel auch «Gratistram» genannt, wird endlich realisiert. Es geschehen noch Zeichen und Wunder …
Nein, nicht in Basel! In Tallinn, der estnischen Hauptstadt. Dort können seit Anfang Jahr alle gemeldeten Einwohner den ÖV kostenlos benutzen. Dank einer Ausweiskarte mit Chip öffnen sich ihnen die Türen der städtischen Busse gratis. Nicht Angemeldete und Touristen müssen weiterhin Tickets kaufen.
Wer nun meint, das sei in einem Städtchen wie Tallinn eben leichter zu realisieren als in einer richtigen Stadt wie Basel, der täuscht sich: Tallinn ist mit 420 000 Einwohnern mehr als doppelt so gross wie unser Rhein-Metropölchen, das eine einschlägige Volksinitiative vor gut 40 Jahren bachab schickte – wobei sich damals immerhin 40 Prozent für das «Gratistram» aussprachen.
Ein netter Nebeneffekt der damaligen «Drämmli-Unruhen» (mitten im Feierabendverkehr hatten im Juli 1969 Studenten und Lehrlinge am Barfi den Tramverkehr blockiert, aus Protest gegen höhere BVB-Tarife): Die Abos wurden günstiger und später zu Umwelt-Abos geadelt. Die Tramoberen waren lernfähig – ein wenig.
Übrigens: In Tallinn nahm im Januar der städtische Autoverkehr um 15 Prozent ab. Das behaupteten wir «Gratisdrämmler» schon vor 40 Jahren für Basel. Behält Tallinns Bürgermeister damit Recht, dass sich der Gratis-ÖV für die meisten Mitbürger lohnt, bestätigt er bloss, was wir den Basler Stimmbürgern schon 1969 vorrechneten – erfolglos. Deshalb warten wir noch immer – aufs Gratisdrämmli nämmli.
Artikelgeschichte
Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 25.01.13