Unter falschem Namen schreibt Greenpeace an eine Million Haushalte. Damit verspielt die Organisation ihre eigene Glaubwürdigkeit – und diejenige der Behörden gleich mit.
Frau Müller öffnet ihren Briefkasten und findet eine vermeintlich wichtige Mitteilung der Schweizer Behörden: Gegen ein Atom-Unglück gibt es keinen effektiven Schutz, steht da auf dem Flyer. Sie ist verunsichert, fühlt sich ohnmächtig. Den Brief hat jedoch nicht die Geschäftsstelle Kaliumiodid-Versorgung verschickt, die Informationen stammen von Greenpeace – getarnt als offizielle Dienststelle. Das jedoch werden Frau Müller und viele andere Schweizerinnen und Schweizer vermutlich nie erfahren. Die Meldung, das Ganze sei ein Fake, wird viele Adressaten nicht erreichen.
Argumente wären ausreichend
Warum schreibt Greenpeace nicht einen Flyer unter dem eigenen Namen? Weil die Reaktionen dann ausbleiben würden. Guerilla-Marketing – das ist Standard bei der Umweltorganisation. Dabei müsste Greenpeace nicht mit unlauteren Mitteln kämpfen, die Argumente der Umweltorganisation reichten völlig aus. Die Fakten, die Greenpeace erwähnt, sind nicht erfunden. Auf ein atomares Worst-Case-Szenario ist die Schweiz in der Tat schlecht vorbereitet, das sagen auch Experten. Jodtabletten sind im Ernstfall nur ein Trostpflaster, mehr nicht.
Das heisst aber nicht, dass die Tabletten nutzlos sind. Sie helfen wohl bei einem mittelschweren Atom-Unglück, darauf bezog sich das Bundesamt für Gesundheit (BAG), als es im Oktober einen Info-Flyer an alle Haushalte im Umkreis von 50 Kilometer eines Kernkraftwerks verschickte. Unter der Überschrift «Im Notfall gut geschützt» wird dort über die möglichen Auswirkungen eines Reaktor-Unfalls gesprochen. Das BAG schreibt nicht «Im Notfall umfassend geschützt». Es hätte auch nicht schreiben können «Im Notfall nur wenig geschützt», wie es Greenpeace nun moniert.
Aktion schürt Verunsicherung
Zugegeben: Der Flyer vom BAG suggeriert eine Sicherheit, die es bei Reaktor-Unfällen so nicht gibt. Man muss aber auch sagen, dass es nicht die Aufgabe der Behörden ist, die Bevölkerung mit Horror-Szenarien zu verunsichern. Diese Rolle hat nun Greenpeace übernommen. Und weil die Organisation unter falschem Namen schreibt, ist die Verunsicherung noch viel grösser. Wer in Zukunft einen Brief vom Bund erhält, könnte sich vielleicht fragen, ob der Absender wirklich stimmt. Mit der Aktion stellt Greenpeace die Glaubwürdigkeit der Behörden in Frage – und das ist Gift für eine demokratische Gesellschaft. Politiker mag man für ihre Statements behaften, eine Behörde sollte aber ernstgenommen werden.
Das Täuschungsmanöver von Greenpeace schürt den Unmut gegen Behörden. Es ist eine Verunsicherungstaktik, wie man sie sonst von rechtskonservativer Seite kennt. Auf längere Sicht könnte der Schuss daher nach hinten losgehen. Eine solche Aktion wird kein zweites Mal funktionieren. Greenpeace wird sich etwas noch Verrückteres einfallen lassen – irgendwann hat sich dieses Spiel aber totgelaufen.
Ob das Vorspielen von falschen Tatsachen rechtliche Konsequenzen haben wird, ist noch offen. Unter Umständen fällt die Täuschung unter Amtsanmassung. Das Bundesgesetz gegen unlauteren Wettbewerb ist wohl nicht relevant, da es nicht um wirtschaftliche Vorteile geht, die sich Greenpeace damit verschafft. Greenpeace spielt jedoch mit dem Feuer, solche Aktionen schneiden der Organisation selbst ins Fleisch.