Halbwertszeit

Auch von schönen Dingen kann man genug bekommen. Oder zumindest so tun.

Adventskalender gibt es bereits seit Oktober. Der abgebildete Kalender mit Asterix und Obelix ist für 2.50 Franken bei Coop City erhältlich. (Bild: Hans-Jörg Walter)

Auch von schönen Dingen kann man genug bekommen. Oder zumindest so tun.

Eigentlich sollte man meinen, wenn einem etwas gefällt, dann möchte man so viel wie möglich ­davon ­haben. Das erklärt die vielen Sportsendungen im Fernsehen, stimmt aber nicht immer. Bei einigen ­Dingen (Sonne, heiss und fettig, Zigaretten) halten sich viele Menschen aus Vernunft ­zurück, denn zu viel ist schlecht für die Gesundheit oder die Figur, und so viel Schaden ist ihnen der Spass dann doch nicht wert.

Weihnachten ist auch so eine ­Sache, die viele Menschen sehr ­gerne mögen, denn man bekommt Geschenke, besinnliche Stunden, weil man nett zueinander sein muss oder es wenigstens versucht, überall sind Kerzen, und es werden leckere Sachen serviert. Man sollte also ­meinen, wenn das ganze Jahr über Weihnachten wäre, wäre die Welt ein wenig besser, denn bis auf das süsse und fettige Essen muss man die ganze Sache doch positiv bewerten.

Die Versuche verschiedener Detailhandelsketten, bereits im Oktober mit Tannenzweigen, Gutzi und ­Samichläusen weihnachtliche Stimmung zu verbreiten, wird aber von vielen als ­Belästigung empfunden. Advent und Weihnachten dürfen erst im Dezember stattfinden, 24 Tage Vorfreude sind ­genug. Das kann man an jedem Adventskalender ablesen, sonst ist man Mitte Dezember so übersättigt, dass man die Kerzen eiskalt ausbläst und zu niemandem nett ist. Jetzt gerade übrigens auch nicht, denn man ist ja so wütend, weil überall schon Weihnachten ist. Seltsamerweise schlägt sich die gruppierte Aversion gegen vorzeitigen Weihnachtserguss aber nicht in Konsumverzicht nieder. Lebkuchenherzen sind eben auch im Oktober lecker.

Artikelgeschichte

Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 23.11.12

Nächster Artikel