Politisch korrekte Waggis und Fake-News beim Arzt: Das Drummeli blühte an der Premiere am Samstag pointenreich auf. Ein Highlight war dabei der Auftritt der Wagencliquen. Musikalisch gibts diesmal mehr Piccolo als Trommel, zudem liegen bei den Märschen die Klassiker im Trend.
Das Schauspiel-Ensemble nimmt sich gleich selbst auf die Schippe: «S hett jo ächti Raamestiggli!». Der Hintergrund dürfte wohl jedem klar sein, der die Aufregung ums letztjährige Drummeli mitverfolgte. Daher wurde es im Vorfeld der grössten Vorfasnachtsveranstaltung noch nie so spannend: Wie meistert nun Regisseur Laurent Gröflin sein zweites Drummeli nach dem letztjährigen Sturm im Wasserglas? Und was sollen die angekündigten Wagencliquen auf der Bühne des Musical-Theaters?
Vergrämte können aufatmen: Gröflin hat seine Hausaufgaben gemacht. Die «Raamestiggli» sind nun knackig statt langwierig. Dabei gelingt es dem Regisseur, den klassischen Vorfasnachtshumor wiederaufleben zu lassen und gleichzeitig mit neuen Impulsen anzureichern. Das geschieht bereits im Prolog, der dieses Jahr gerappt statt gesprochen wird. Ein Dummpeter vollführt seinen Sprechgesang dabei nicht etwa zu Hip-Hop-Beats, sondern zu Fasnachtsmärschen.
«Political Correctness» für den Macho-Waggis
Der absolute Publikumsknaller ist ein ganz besonderes «Raamestiggli», das die legendäre Balkonszene wieder aufleben lässt. Dabei werden drei waschechte Waggis von einer biederen Unesco-Beauftragten in die Mangel genommen. Sie verdonnert die Fasnächtler, gefälligst politisch korrekt zu «intrigiere». Als Spassbremse gibt sie ein eisernes Reglement durch: keine Kraftausdrücke, Englisch-Übersetzung für Expats, Frauenquote auf dem Wagen und CO2-neutrale Orangen. Wie dann die angekündigten «richtigen Wägeler» ins Spiel kommen, muss noch nicht verraten werden. Die Szene bezieht auch das Publikum ein – eine starke Idee vom Drummeli-Team, den Wagencliquen als wichtigen Bestandteil des Cortège auch mal auf der Bühne die Ehre zu erweisen.
Fake News in einer Arztpraxis – auch dieses Rahmenstück kommt gut an. Eine Patientin, die Dr. Google mehr vertraut als einer Medizinerin, steht für die faktenfreie Politik. Die Ärztin zerpflückt dabei die «Ich-habe-es-im Internet-gelesen»-Argumente ihrer Scheinpatientin. Toll umgesetzt. In einem weiteren Stück kommen die letzten Regierungsratswahlen an die Reihe: Das bürgerliche Viererticket in Badehosen schickt sich auch auf der Drummeli-Bühne gleich selbst bachab.
Fasnächtliche Puristen bekommen eins auf den Deckel
Auch wenn die meisten Lacher in der ersten Halbzeit zu hören sind, bleiben die Rahmenstücke in der zweiten Hälfte durchaus solid: Eine Gruppe von erzkonservativen Fasnächtlern und «Baaseldytsch»-Besserwissern hält wohl so manchem Bebbi den Spiegel vor. Das Totschlagargument «Das hänn miir allewyl so gmacht» kommt hier als Running Gag zum Zug. Deutlich ist hier der Seitenhieb auf alle Puristen, die nach den wenig erfolgreichen Experimenten des letztjährigen Drummeli bereits den Untergang der Vorfasnacht prophezeiten.
In weiteren Stücken bekommen die Toleranzzone im Rotlichtviertel, die Baselbieter Bildungsdirektorin Monica Gschwind sowie US-Präsident Donald Trump ihr Fett ab. Ein Narren-Monolog inmitten von schrecklichen News aus aller Welt sorgt zudem für einen melancholischen Einschub, wie das eben auch zum Drummeli gehört.
Schöne Pfeifermärsche, wenig Arbeit für die Tambouren
Nun aber zum Rückgrat der grössten Vorfasnachtsveranstaltung, den Auftritten der Cliquen. Da fallen zwei Dinge besonders auf: Zum einen wird mehr gepfiffen als getrommelt. Ein Kollege – notabene ein eingefleischter Tambour – kommt sogar zu diesem gewagten Schluss:
S Drummeli isch mehr e Pfyfferli das Joor! pic.twitter.com/tv9RFaMZpB
— Dominique Spirgi (@Dospi) 18. Februar 2017
Da wären etwa die Basler Rolli mit ihrem Pfyffersolo «Spalebärg». Dabei erinnern sie ans Jahr 1984, als sich diese Altstadtgasse in eine Skipiste verwandelte. Bei den Alte Glaibasler wird der «Altfrangg» von einem Didgeridoo statt Tambouren begleitet. Bei den VKB mit dem «Fritzli» fehlen die Trommeln ebenfalls, wobei das mit einer überraschenden Comedy-Einlage verbunden ist, die an so manche Szene beim «Offizielle» erinnert. Mehr sei auch hier nicht verraten.
Altbewährt, doch originell aufbereitet
Zum anderen fällt auf, dass dieses Jahr weniger Neukompositionen, sondern Klassiker im Trend liegen. Märsche, die zu manchem Cliquen-Repertoire gehören oder schon oft auf vorfasnächtlichen Bühnen zu hören waren, sind besonders beliebt. Allerdings werden diese nicht selten mit Wortspielen umgemodelt. Die Junteressli machen etwa aus dem «Aeschlemer» einen «Vergaeschlemer». Erinnerungslücken beim Spielen werden hier mit versetzten Versen nachgespielt. Bei den Schnurebegge verwandelt sich der Festival-Marsch in «dr feschti Wal». Der «härzigste» aller Tambourmajoren, ein winkender Meeresriese, erobert dabei gleich zu Beginn die Herzen der Zuschauer.
Wie man sich aus dem gewohnten Repertoire einen Sport machen kann, zeigen die Alte Stainlemer. Sie spielen jeweils die ersten Verse eines Marsches. Diese werden live ausgelost – und nur der Tambourmajor bekommt die Projektion davon auf der Leinwand zu sehen. Blitzschnell muss die Clique also auf ein Zeichen vom einen zum anderen Marsch hüpfen.
Choreos mit Erdogan, Star Wars und Irish Pub
Das Drummeli glänzt auch dieses Jahr mit beachtlichen Choreografien: Die Schnooggekerzli tauchen etwa mit einem «Naarebaschody in Blue» die Bühne in Blautöne. Die verwunschene Seite der Fasnacht vor einem Gässlein-Gemälde – ein wunderschöner Auftritt! Dass Tambouren und Pfeifer nicht immer in Reih und Glied stehen müssen, zeigen auch die Spezi. Sie feiern mit ihrem «Scotish Irish Dance» in einem gemütlichen Pub. Ein Augen- und Ohrenschmaus ist auch der Auftritt der Spale. Bei ihnen gehts mit Ragtime und Schlagzeugbegleitung in eine Spelunke der Zwanzigerjahre: «Cantina Band» aus «Star Wars» ist im Arrangement für Trommel und Piccolo zu hören.
Bei den Breo lässt der Sultan am Bosporus die Puppen tanzen. Beim osmanischen Hof erklingt zum Beispiel Mozarts «Rondo Alla Turca», wobei die Pfeifer in Begleitung von Schellenbäumen und allerlei orientalisch klingendem Schlagwerk spielen. Auch wenn der Name Erdogan nie fällt, wird klar, worauf das türkisch inspirierte Medley anspielt, wenn sich der Sultan als Marionettenspieler gibt. Eine gelungene Idee, wie ein ernstes Thema mit einer köstlichen Performance umgesetzt werden kann.
Von Mozart bis Muppets
Andere mögens eher traditionell: Die J.B. Santihans geben in Charivari-Aufmachung den «Hanswurscht» zum Besten – bewusst schlicht und ohne Show-Brimborium. Für einen klassischen Beitrag entschied sich auch die Alti Richtig: Die «Regimentstochter» nach einer Oper von Gaetano Donizetti. Und als Ueli in allen erdenklichen Variationen kommen die Gundeli mit dem beliebten «Hofnaar» auf die Bühne.
Manche Cliquen setzen auf kleine Geschichten: Viele Requisiten (unter anderem ein ganzes Tram 8) tragen die Wettstai auf die Bühne. Ihr «Basler Marsch» wird zu einem hektischen Einkaufsbummel über die Grenze. Ein weltpolitisches Sujet verbirgt sich hinter «Liberty Bell» von den Glunggi. Der Sousa-Marsch spielt hier auf den Brexit, aber auch die Freiheit an der Fasnacht an. Witzig sind auch die Rhygwäggi mit einem «Muppets-Medley», wo der Stuntman Gonzo als Tambourmajor seine Faxen vollführt. Natürlich dürfen dabei die Kommentare der beiden ewigen Nörgler Statler und Waldorf nicht fehlen.
Ausgefallen kostümiert sind die Rhyschnogge bei ihrem «Auprès de ma blonde». Das Arrangement von René Brielmann basiert auf einem alten französischen Soldatenlied. Hier ist klar, woran die Clique hier bei einem «Blonden» denkt: Pfeifer als «Stange» mit Schaumkrone, Tambouren als Harassenköpfe. Eine tolle Bieridee. Die Basler Dybli verneigen sich vor Mozart. Ihr «Papageno» lehnt sich an die Zauberflöte an. Mit venezianisch anmutenden Larven lassen sie den quirligen Vogelfänger aufleben. Geschmackvolle Kostüme in Schwarz-Weiss tragen auch die Sans Gêne mit einem «Elfer», der zunächst nur von genau elf Musikern gespielt wird, bis dann die ganze Clique einsetzt.
Gugge mit Pyro-Show
Die ganz Jungen punkten ebenfalls im Drummeli. Die Glaine Opti-Mischte krabbeln als Insekten auf die Bühne und übernehmen mit einem verspielten «Knock, Knock, it’s a Bug» den diesjährigen Trommelschul-Part. Vom Dreikäsehoch am «Beggli» bis hin zum Fortgeschrittenen können hier alle etwas zu diesem Käferkonzert beitragen. Mit dem farbenfrohen Auftritt feiert die Junge Garde gleich ihren 50. Geburtstag.
Auch die Gugge lassen bei der Bühnenpräsenz nicht lumpen. Die Läggerli-Hagger schränzen als Piloten in Begleitung des Akkordeon-Orchesters Grenzach ein «Love is in the Air». Den aufwendigsten Auftritt des Abends legen später die Hunne Basel hin: Mit Bläsern auf einer mehrstöckigen Buckingham-Kulisse und Pyro-Effekten kommt ihr Queen-Medley daher. Unter Freddie-Mercury-Larven heisst es auch bei ihnen «The Show Must Go On».
Anders als in anderen Jahren gehts bei den Schnitzelbängg zu: Zusammengewürfelte Formationen, die es nur am Drummeli zu sehen gibt, stehen diesmal auf der Bühne. Zunächst betrachten Anneli und Hansli das Geschehen aus der Optik von Primarschülern. Handschlag-Debatte und Lehrplan 21 kommen so an die Reihe. Auch der Akkordeonistin, die beim Barfi stets nur zwei Töne spielt, ist ein Vers gewidmet – wobei es aber am Schluss um eine andere Person geht. Selbst mit dem Kinder-Spaziervers «E Huet, e Stock, e Rägeschirm» werden hier Pointen gestrickt.
Aus einem echten Toi-Toi-WC tauchen die Brunzguttere als zweiter Bangg auf. Dieser nimmt den neuen Kunstmuseum-Bau und die Fasnachtsbox aufs Korn. Auch das Drummeli (samt Publikum) wird nach dem Wirbel vom letzten Jahr von den Brunzguttere in die Pfanne gehauen.
Spottverse dieser Art werden wohl nächstes Jahr ausbleiben. Das lässt zumindest die gelungene diesjährige Ausgabe erahnen. Es scheint also, dass das Drummeli-Team einen Weg gefunden hat, den bissigen Vorfasnachtshumor mit einer Prise Selbstironie und neuen Ideen unter einen Hut zu bringen.