«Hesch gseh, ich bi im Färnseh koh»

Der lokale TV-Sender Telebasel feiert heute Samstag ­seinen 20. Geburtstag. Zum Erfolg trägt das ­Portemonnaie von uns allen bei.

Die Sendung «061 live» wird künftig erst um 19.15 Uhr ausgestrahlt und nicht bis bisher kurz nach 18 Uhr. (Bild: Hans-Jörg Walter)

Der lokale TV-Sender Telebasel feiert heute Samstag ­seinen 20. Geburtstag. Zum Erfolg trägt das ­Portemonnaie von uns allen bei.

Düüü, düüü, düüü – düdü!» Die Melodie der Nachrichtensendung «7vor7» ist in den ­Stuben der Region inzwischen so geläufig wie das «Guten Abend» der «Tagesschau»-Moderatoren des Schweizer Fernsehens SRF. Wobei genau dieser Satz bei Telebasel nicht mehr fällt. Dani von Wattenwyl oder Tamara Wernli begrüssen ihre Zuschauer neuerdings nicht mehr – und auch der Abschied bleibt aus. Mit schlechten Manieren hat das nichts zu tun. Es steckt etwas anderes dahinter.

«7vor7» sei das Flaggschiff, das Publikum dürfe aber nicht das Gefühl bekommen, vorher und nachher werde nichts geboten, sagt Chef­redaktor Willy Surbeck. Das Programm beginnt um 18 Uhr und endet um 20 Uhr. Die Sendung um 18.53 Uhr ist also mittendrin.

Entscheidungsträger im Studio

Besonders wichtig für Surbeck ist «061 live» mit täglich einem «Entscheidungsträger» als Gast und der Möglichkeit, als Zuschauer mitzureden. Bloss sitzen die wenigsten schon vor dem Fernseher, wenn der Talk kurz nach 18 Uhr beginnt. In der Hoffnung, ein breiteres Publikum zu erreichen, soll «061 live» ab Herbst um 19.15 Uhr ausgestrahlt werden.

Mit diesem Zeitenwechsel steht Telebasel allerdings vor einem neuen Problem: Die halbstündige Sendung wird sich mit der SRF-Tagesschau überschneiden. Dazu sagt Surbeck nur: «Es ist alles heikel, was wir machen, während das Schweizer Fernsehen Bilder sendet.» Wichtig für einen Regionalsender sei vielmehr, was im engen Umfeld passiere. Da hat sich in den 20 Jahren, seit es Telebasel gibt, einiges geändert. Die «Basler Zeitung», damals noch einzige hörbare Stimme in der Region, wurde zu einer von vielen Stimmen im Medienchor.

Telebasel ist ein Sprungbrett für das «grosse Fernsehen» in Zürich.

«Früher begann keine Veranstaltung, bevor nicht ein BaZ-Journalist da war», erinnert sich Roger Thiriet, Medienkenner und neuer Präsident der Stiftung Telebasel. Heute, mit der Vielzahl an lokalen Medien, sagen die Leute nicht mehr: «Ich habe in der Zeitung gelesen …» – und meinen automatisch die BaZ. Wenn ein Basler aber sagt: «Hesch gseh, ich bi im Färnseh koh», bezieht er sich auf Telebasel. 

Nach dem Gastspiel eines Baselbieter Senders vor einigen Jahren ist Telebasel inzwischen wieder einziger aktueller Regionalsender. Die Regionalität ist offizieller Auftrag: Die Konzession verlangt ein «tagesaktuelles regionales Programm». Insofern sei es auch «ein politisches Zeichen», dass Telebasel sein Studio in Liestal aufrechterhalte, sagt Surbeck. Aus dem Pott der ­Billag-­Gebühren, die jeder Haushalt entrichten muss, erhält der Sender rund 2,5 ­Millionen Franken – das ist ein ­beträchtlicher Teil des Jahresbudgets von neun Millionen Franken.

1.80 Franken von uns allen

Doch im Gegensatz zu allen anderen Regionalsendern muss Telebasel als einzige Station des Landes den ganzen Rest nicht nur über Werbe- und Sponsoring-Einnahmen finanzieren: 1,6 Millionen Franken jährlich stammen direkt von den Baslern, Allschwilern und Schönenbuchern. Konkret sind es 1.80 Franken, die jeder Haushalt monatlich an Telebasel bezahlen muss. Der ­Betrag wird zusätzlich zur Cablecom-Gebühr bezahlt und ist obligatorisch.

Diese einzigartige Gebühr hat ihren Ursprung in der Geschichte des Senders. Roger Thiriet erinnert sich, wie «Ende der 1980er-Jahre das Fernseh­fieber ausbrach». Die privaten Radiosender waren erfolgreich, was fehlte, waren private Fernseh­sender. Es war auch die Zeit der Verkabelung. Luzern erhielt als erste Stadt Kabelfernsehen, da die Luzerner zuvor ausschliesslich das Schweizer Fernsehen empfingen. Die Basler dagegen konnten wegen ihrer grenznahen Lage auch ohne Kabelanschluss französische und deutsche Sender schauen, weshalb Basel als letzte Stadt ans Netz ging.

Start als «Bürgerfernsehen»

Das passte nicht allen. «Linke Politiker hatten ideologische Bedenken», sagt Thiriet. Sie befürchteten, der Zugang zu Sendungen wie «Tutti Frutti» mit halbnackten Frauen und billigen Sprüchen könnte auf Kosten der Bildung gehen. Um diese Entwicklung zu verhindern, erteilte der Regierungsrat der Balcab (heute Cablecom) den Auftrag, einen Kanal für ein lokales «Bürgerfernsehen» zu reservieren.

Dieses sollte aus einem Teil der ­Balcab-Erträge finanziert werden. Es entstand der Stadtkanal, aus dem 1997 Telebasel wurde. Der Sender generiert heute mehr als die Hälfte des Budgets mit Werbung. Doch der Gebührenbeitrag von damals, der blieb.

Was früher als «Bürgerfernsehen» bezeichnet wurde, deckt sich mit den Auflagen, die der Bund erteilt. Dazu gehört unter anderem, auf «pornografische Werbung» zu verzichten. Willy Surbeck sagt auch nicht ohne Stolz, dass Sex bei seinem Sender nicht vorkomme. Es würde auch nicht seiner christlichen Überzeugung entsprechen, solche Beiträge zu senden.

Der Chef spricht mit Gott

Surbeck ist Mitglied der Evangelischen Täufergemeinde. «Ich lese in der Bibel und spreche mit Gott», sagt er. Das Gerücht, auch seine Mitarbeiter müssten dies tun, weist er zurück: «Ich habe noch nie jemanden aus dem Team nach seinem Glauben gefragt.» Als in einem Beitrag ein offenes Kirchengesangsbuch in einer WC-Schüssel geflutet gefilmt wurde, habe er leer geschluckt, den Film aber nicht gestoppt. Vereinzelt gebe es Leute bei Telebasel, die ebenfalls in Freikirchen aktiv seien, für den Job spiele das aber keine Rolle. Das bestätigt auch ­Georg Halter, der dort neun Jahre lang Redaktor war und heute bei SRF arbeitet.

Halter hat nichts mit Religion am Hut – dennoch hätte er bei Tele­basel rasch Karriere machen können, hätte er gewollt. Doch er wollte nach Zürich zum «grossen Fernsehen». Die Entwicklung sei vergleichbar mit der Pharmaindustrie: «Wahrscheinlich spielt jeder, der in einer kleinen Firma ar­beitet, irgendwann mit dem Gedanken, zu Novartis zu wechseln.» Tele­basel sei der perfekte Einstieg in den Fernsehjournalismus und ein Sprungbrett gewesen.

Sender löst Konflikte aus

Willy Surbeck bedauert, immer wieder gute Leute an SRF zu verlieren. Er hat jedoch auch Verständnis für jeden, der «in die Welt hinaus» will. Aus­serdem gibt es in seinem Team verhältnismässig viele treue Seelen. Seine Stellvertreterin Mirjam Jauslin und «Salon Bâle»-Produzent Claude Bühler sind nur zwei Namen.

Beide müssen nicht um ihre Stelle fürchten. Telebasel ist inzwischen eines der wenigen Medien in der Region, die schwarze Zahlen schreiben. Surbeck ist aber überzeugt, dass nicht die Sicherheit Ausschlag für die Treue mancher Mitarbeiter ist, sondern die «wachsende Bedeutung» des Senders. Er nennt es «Offizialität».

Diese lasse sich auch an der zunehmenden Anzahl von Konflikten messen, die Telebasel auslöst. Die Unabhängige Beschwerdeinstanz etwa hat kürzlich eine Klage der Erziehungs­direktoren beider Basel gegen einen Report über Schwimmbussen abgewiesen. «Es ist nicht harmlos, was wir tun», sagt Surbeck.

Keine TV-Quoten

Umgekehrt sorgt Telebasel immer wieder für Unut bei den Zuschauern. So war etwa das Unverständnis gross, als in einem Beitrag gezeigt wurde, wie Baudirektor Hans-Peter Wessels die Zunge rausstreckt. Er hatte dies im Witz getan und in der Meinung, das Interview sei bereits beendet – nicht aber mit der Absicht, so gezeigt zu werden. Kritiker werteten dies als Beispiel für den Boulevardkurs, den der Sender manchmal an den Tag lege.

Wie viele Zuschauer der Sender derzeit hat, wird wohl in den kommenden Tagen bekannt gegeben (bei Redaktionsschluss der Printausgabe mit diesem Artikel wurde bekannt, dass die superprovisorischen Massnahmen gegen das neue Quoten-Messsystem der Firma Mediapulse ­aufgehoben wurden). Die aktuellsten Zahlen stammen von 2012: Im zweiten Halbjahr kam der Sender im Schnitt auf täglich 91 000 Zuschauer.

Jung oder alt?

In Zeiten des steigenden Medienkonsums übers Internet ist es sowieso nicht mehr einfach, genaue Zahlen zu erheben. Einige Werte liegen ­dennoch vor. So ist etwa der grösste Zuschaueranteil zwischen 51 und 74 Jahre alt. Die Frage, die der Sender am ­Samstag in der Jubiläumssendung stellen wird («Ist Tele­basel jung oder alt?»), bezieht sich nicht auf das Alter der Zuschauer, sondern aufs Programm.

Ziel sei es, zeitgemäss zu bleiben, sagt Surbeck. Als journalistisches Mittel werden die Sozialen Medien ­bereits eingesetzt. Künftig sollen sich auch die Zuschauer via SMS oder Facebook bei Sendungen wie «061 live» melden können und nicht wie bisher nur via Telefon.

Live-Sendungen am Tatort

Der Empfang via Kabel verliert in der Youtube-Welt ständig an Bedeutung. «Die Zukunft liegt in der Marke Telebasel», sagt Surbeck. «Auf welchem Weg Beiträge geschaut werden, spielt keine Rolle.» Wichtig sei jedoch, dass sein Team noch näher zu den Leuten gehe. Die «Telebar» etwa werde künftig vermehrt am Ort des Geschehens produziert. Regierungsrat Baschi Dürr könnte künftig also in der Muttenzerkurve zum Gespräch gebeten werden, wenn es um Hooligans geht.

Während Surbeck begeistert von dieser Änderung ist, befürchtet Roger Thiriet zu viel Ablenkung durch die Kulisse. Die beiden Chef-Telebasler sind sich nicht in allem einig. Doch eine Überzeugung teilen sie zu hundert Prozent: «Fernsehen kann als einziges Medium überhaupt Menschen mit ihren Reflexen zeigen – und das macht das Medium einzigartig.»

  • Am Samstag, 15.Juni 2013, feiert Telebasel seinen Geburtstag auf dem Sender. Ab 12 Uhr gibt es Live-Sendungen aus der ganzen Region, am Abend folgt eine Jubiläums-Show.

Hier sehen Sie die schönsten Patzer und Versprecher des Lokalsenders:

Artikelgeschichte

Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 14.06.13

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