Hoffnung, die den Rücken stärkt

Predigt im Basler Münster vom 25. November 2012.

Predigt im Basler Münster vom 25. November 2012.

Rund 150 evangelisch-reformierte Kirchgänger versammeln sich am Ewigkeitssonntag im Münster. Das Münster ist dasjenige der drei Gotteshäuser der Münster-Kirchgemeinde, das erklärtermassen eine «hochkirchliche und liturgisch traditionelle Feier» bietet und den Schwerpunkt auf die Predigt legt. Im Gegensatz zur «modernen» Gellertkirche und der dem Gebet verpflichteten St. Jakobskirche. Pfarrerin Caroline Schröder Field baut ihre Predigt auf Jesaja (65, 17–25), die alttestamentarische Prophezeiung einer neuen Erde und eines neuen Himmels. Jesaja verspricht dabei noch keine Überwindung des Todes, wie es Johannes sehr viel später tut, aber jene von Ungerechtigkeit und des Grundgesetzes der Natur, von Fressen und Gefressenwerden.

Eine uralte Vorhersage, die uns immer noch Kraft geben soll? Caroline Schröder findet einen eleganten Weg, zu sagen, warum: «Geballte prophetische Hoffnung» sei die Verheissung – für Israel geschrieben, hebräisch und deshalb: von rechts nach links zu lesen. An diesem kleinen Detail hängt sie einen ebenso einfachen wie spannenden Gedanken auf: Wenn wir unser gewohntes Richtungsdenken umkehrten, auch das zeitliche, was passiert dann damit?

Wenn wir also die Gegenwart nicht mehr als von der Vergangenheit geprägt und die Zukunft als etwas sehen, was nur tröpfchenweise in die Gegenwart hineinfliesst und darin fast spurlos aufgeht; wenn wir die Verheissung, die Zukunft, als das dominante Element im Zeitgefüge (links) betrachten: Dann gewinnt sie an Bedeutung, wird zur Hoffnung, die uns den Rücken stärkt.

Pfarerrin Schröder Field spricht weiter über den Tod, unsere Furcht vor dem Verlust der Individualität. Aber den Rest des Sonntags beschäftigt mich dieser Dreh, wonach mit einer Umkehrung der Perspektive vieles im Leben zur Hoffnung Anlass geben kann. Mehr, als ich erwartet habe.

Artikelgeschichte

Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 30.11.12

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