Hooligans – zwanzig Jahre danach

Heute Abend im Schweizer Fernsehen: Ein Dok-Film über vier Basler, die in den Neunzigern als Schläger stadtbekannt waren, sagt indirekt auch einiges über die heutige Sicherheitsdiskussion aus.

Hass gegen den Vater. Wenn Jimmy Trauer spürt, dann muss er das Gefühl unterbrechen – mit Gewalt. (Bild: SRF/Oscar Alessio)

Heute Abend im Schweizer Fernsehen: Ein Dok-Film über vier Basler, die in den Neunzigern als Schläger stadtbekannt waren, sagt indirekt auch einiges über die heutige Sicherheitsdiskussion aus.

Vor über 20 Jahren hat Alain Godet eine Gruppe Männer kennengelernt, die sich an Gewalt aufgeilte. Jung waren sie. Jung und aggressiv. Ständig im Kampf gegen irgendetwas oder mit irgendjemandem, immer auf der Suche nach dem Kick. Sie nannten sich «Ultras» und waren die Anführer in der Muttenzerkurve im alten Jog­geli. Weithin sichtbar in ihren Bomberjacken mit dem nach aussen gedrehten orangen Innenfutter. Die Stadien waren ihr Revier. Die Stadien und die Steinenvorstadt, damals ein potentiell raues Pflaster mit Spielsalons und Autoverkehr.

1999 schon hat Godet eine Dokumentation über den harten Kern jener «Ultras» gedreht. Jetzt hat er vier von ­ihnen wieder getroffen. «Narben der Gewalt» heisst der Film, der aus diesen neuen Begegnungen entstanden ist, der die Geschichte seiner Protagonisten aber auch immer wieder in Rück­blenden erzählt.

Wie wird jemand so gewalttätig?

Was bringt jemanden dazu, derart ­gewalttätig zu werden, wie es Frosch, Nevio, Gök und Jimmy in ihren jungen Jahren waren? Und kann ein Schläger seine Vergangenheit hinter sich lassen? Das sind die Fragen, denen Godet nachgeht. Und denen sich die vier ehemaligen «Ultras» meist erstaunlich offen stellen.

Es sind keine Erfolgsgeschichten, die die ehemaligen Könige des Stras­senkampfs zu erzählen haben. Nevio immerhin hat es geschafft, hat eine ­Arbeit und schaut liebevoll zu seinem Sohn, dem er eine ähnliche Karriere wie die eigene ersparen will. Sein Rezept: «Du musst mit den Kindern reden. Bei mir zuhause gab es immer gleich aufs Dach.»

Es ist die Geschichte von Jungen, die auf der Strasse jene Gewalt weiterleben, die sie zuhause mitbekommen. Jimmy, der als Primarschüler zusehen musste, wie sein Vater seine vier Hunde vor seinen Augen erschoss. Oder Gök, der als Sechsjähriger dazwischenzugehen versuchte, wenn der Vater ­seine Mutter verprügelte.

Antworten ganz im Privaten

Godet sucht seine Ant­worten nicht in grossen gesellschaft­lichen Zusammenhängen. Er findet sie im kleinen, ganz privaten Rahmen. Und trotzdem kann der Film auch Denk­anstösse liefern zu den heute geführten Diskussionen um die Sicherheit im Schweizer Fussball und in Basel.

Wer die Bilder der randalierenden Fans in den Fussballstadien der Neunziger sieht, wer den Schilderungen der Gewalt auf der Strasse lauscht, dem kommt unvermittelt ein Gedanke: Wenn heute alles immer schlimmer werden soll, wie war es dann in den Neunzigern? Besser jedenfalls nicht. Ein Penalty, das bedeutete damals in der Steinenvorstadt, einem am Boden liegenden wehrlosen Opfer mit einem Fusstritt den Rest zu geben.

Der Film «Narben der Gewalt» wurde am 23. ­Januar an den Solothurner Filmtagen uraufgeführt. Er ist im Online-Archiv von SF abrufbar.

Artikelgeschichte

Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 20/01/12

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