Der Name «Schönauer» kommt erstmals nicht mehr vor beim Broadway-Variété. Seit der Premiere am Donnerstag ist aber klar: Die Vorgänger Jrma und David Schönauer haben die richtigen Nachfolger für ihr reisendes Theater gewählt.
Es hätte auch ganz anders kommen können. Sie hätten Zelt, Wohnwagen und Möbel übernehmen und etwas völlig Neues aus dem 65 Jahre alten Theater machen können. Etwas mit wilder Technik und einer Grossleinwand, zum Beispiel. Doch das haben sie nicht getan: Das neue Team des Broadway-Variété führt das «Spiel- und Verzehr-Theater» auch in der vierten Generation im alten Sinn und Geist weiter. Das ist gut so und erleicherte wohl alle (Stamm-)Gäste, die am Donnerstag zum Joggeli-Gartenbad gekommen sind, um die erste Broadway-Premiere seit dem Rücktritt von Jrma und David Schönauer zu sehen. Es ist neu – und doch vertraut.
Und es beginnt mit durchsichtigen Tüchern. Sie liegen über den gedeckten Tischen – und sind plötzlich weg. Schweben langsam in die Höhe, tanzen und wirbeln dort – bis sie dann beginnt, die Show unter dem neuen Zampano Luca Botta, den die treuen Gäste seit Jahren kennen, als Sergej etwa – vor allem aber: als Sprachvirtuose. Und wenn man nicht ständig aufpasst, kann es passieren, dass ein Wortwitz untergeht, dann zum Beispiel, wenn Luca Botta das Publikum auffordert: «Füllen Sie sich wie zu Hause!»
Talente für das Publikum
Motto dieses Jahr: «La Gant – alles, was die Welt nicht braucht». Nicht einmal Geld braucht es für die Versteigerung im Broadway, Talente reichen. In Form von Tickets ab Rolle werden diese zu Beginn verteilt – und schon besteht die Möglichkeit, für x-viele Talente Dinge wie die Uhr von Luca Bottas «Uhrgrossvater» zu ersteigern, trotz gewisser «uhrheberrechtlicher» Probleme. Die Versteigerung und Slapstick-artige Einlagen sind der Einstieg in einen Abend, der alles bietet, was ein solcher Abend (nebst gutem Essen) braucht: Humor, Geist – und Schönheit. Letzteres in Form von Körpern und in Form dessen, was diese Körper tun: Akrobatik auf höchstem Niveau. Dem Zuschauer brechen nur schon vom Schauen die Knochen – oder sie tun zumindest weh.
Mit dabei ist auch wieder die Schildkröte «Adamo» mit dem französischen Akzent (Raphael Diener), die auf den Mond reist und dort Schnecken aussetzen sollte, es aber nicht übers Herz bringt. Auch Sängerin und Akrobatin Lola alias Anna Gattiker bezaubert wieder, genauso wie Komiker und Seiltänzer Christoph «Hitch» Spielmann, der als Show-Partner von Luca Botta nicht mehr wegzudenken wäre. Es reicht, die beiden auf der Bank sitzen zu sehen, zu sehen, wie sie schauen – und der eine runterfällt. Und es ist wunderbar, wenn er auf dem Seil, das kein Seil ist, tanzt und gleichzeitig den Komödianten mimt. Da fallen Körperkult und Humor zusammen – und genau das ist es, was das Publikum vom Broadway will, immer wollte – und auch jetzt bekommt.
«Zöli e Bad nehmen?»
Ein Highlight ist «ohne wenn und abel» Luca Bottas Auftritt als Papstverschnitt. Er nimmt das Publikum auf eine verbale Reise durch die Religionen dieser Welt mit und offenbart, wen er eigentlich am liebsten mag auf diesem Planeten: «Am nächsten liebe ich mich selbst.» Manchmal «papst» ihm etwas nicht und er fragt sich, wenn er eine kalte Dusche bräuchte: «Oder zöli e Bad nehmen, ja, mönche mögens heiss.» Dann wieder etwas mehr fürs Auge als fürs Ohr, der «Gantenbein» als Jongleur, verwirrt, weil da einer eine falsche Musik einspielt, das sei ja wie in der Migros, «wenn ich ein Gipfeli posten will und es nur noch Brot gibt».
Manches ist gleich und manches ist nicht mehr da im Broadway. Die Malerei von David Schönauer an den Wänden hängt nicht mehr und der Pianist spielt nicht mehr rechts auf der Bühne. Stattdessen hängt jetzt «Gant-Gut» – etwa Hitchs erste Turnhose – und das Ensemble spielt himself, mal als Band, mal allein – aber immer gut, ob Saxophon oder Akkorden, ob Chanson oder Rock.
Schönauer auf Bestellung
Was naturgemäss auch fehlt: dieses Lachen. Dieses tiefe, fast schon fiese Lachen von Ex-Zampano David Schönauer auf der Bühne. Dort lacht er nicht mehr, dafür aber im Publikum – und, wenn erwünscht, auf Bestellung am Privatanlass in Form einer massgeschneiderten Sideshow. Denn David und Jrma Schönauer wollen es nicht lassen, das Leben mit der Show, und führen punktuell und im kleineren Rahmen weiter, was sie ihr Leben lang aufgebaut und jetzt in die besten Hände gegeben haben.
Bis zum 17. November 2012 gastiert das Theater auf der Wiese neben dem Joggeli-Gartenbad – danach geht es ab ins Winterquartier. Das Problem ist bloss: Das Team hat noch keinen geeigneten Ort gefunden. Gesucht wird eine Halle in der Region, ab 350 Quadratmeter gross und mindestens sechs Meter hoch. Das Ensemble freut sich über Vorschläge – und wohl auch über weitere Menschen, die sich bei ihnen einen Abend lang «wie zu Hause füllen».