«Ich halte den Auftritt für heikel»

Der Publizist und ehemalige Chefredaktor des Schweizer Fernsehens, Peter Studer, hält die von der TagesWoche publik gemachte Doppelrolle von SRF-Moderator Reto Lipp für heikel. Bewilligungen für solche Einsätze müsse die Fernseh-Chefredaktion bei politisch heissen Themen restriktiv vergeben.

TV-Moderator stellt an der PS-Versammlung der Geschäftsleitung der Basler Kantonalbank vorher schriftlich vorgelegte Fragen. (Bild: Alexander Preobrajenski )

Der Publizist und ehemalige Chefredaktor des Schweizer Fernsehens, Peter Studer, hält die von der TagesWoche publik gemachte Doppelrolle von SRF-Moderator Reto Lipp für heikel. Bewilligungen für solche Einsätze müsse die Fernseh-Chefredaktion bei politisch heissen Themen restriktiv vergeben.

Peter Studer

Peter Studer (Bild: zvg)

Peter Studer, Sie waren von 1990 bis 1999 Chefredaktor des Schweizer Fernsehens. Hätten Sie die Moderation von Reto Lipp an der PS-Versammlung der Basler Kantonalbank bewilligt?

Ich hätte jedenfalls grosse Fragezeichen gesetzt, denn ich halte den Auftritt des von mir geschätzten Reto Lipp für heikel. In den «Publizistischen Leitlinien des Schweizer Fernsehens SRF» aus dem Jahr 2011 steht, dass Journalisten zwar Aufträge zur Leitung von Diskussion annehmen können, doch nur solange Themen kontrovers debattiert werden. Das war hier kaum der Fall. Zudem muss klar sein, dass der Moderator vom Veranstalter unabhängig ist.

Das war bei der PS-Versammlung der Basler Kantonalbank nicht so.

Peter Studer ist Publizist und Medienrechtler. Er war von 2001 bis 2007 Präsident des Presserats. Davor war er von 1990 bis 1999 Chefredaktor beim Schweizer Fernsehen.

Ich habe das Gespräch selbst ja nicht miterlebt, aber die Berichte in der TagesWoche gelesen. Wenn es stimmt, dass der ECO-Moderator einen Fragekatalog durchgearbeitet hat, welchen die Bankleitung den Diskussionsteilnehmern vorab schriftlich vorlegte, damit diese ihre Antworten im Voraus formulieren konnten, dann geht das schon sehr weit.

Das Schweizer Fernsehen bestätigte gegenüber der TagesWoche, dass den Teilnehmern der Diskussion die Fragen zuvor schriftlich vorlagen. Trotzdem sei die journalistische Unabhängigkeit von Reto Lipp nicht gefährdet gewesen. Reto Lipp habe freie Hand in der Vorbereitung gehabt und an der Veranstaltung habe er jederzeit nachhaken und tiefer bohren können. Genügt das?

Sogar wenn Reto Lipp die Fragen ergänzt und nachgehakt hat, ist es doch eine sehr weitgehende Vorausbestimmung. Kommt dazu, in den publizistischen Leitlinien von SRF steht weiter, dass in heissen Fragen vor eidgenössischen und wichtigen kantonalen Abstimmungen die Bewilligungspraxis für solche Moderationen restriktiv sein muss. Und gerade der Bankendeal mit den USA, von dem die Basler Kantonalbank profitieren würde, ist ja zwischen Regierung und Parlament, aber auch innerhalb des Parlaments heftig umstritten. Vielleicht wäre da ein Analogieschluss geboten gewesen.

«Es muss klar sein, dass der Moderator vom Veranstalter unabhängig ist.»

Entscheidend ist also, dass nur Geschäftsleitungsmitglieder und der Bankratspräsident ohne Gegenstimmen an der Podiumsdiskussion teilnahmen und dass die Fragen den Teilnehmern vorher schriftlich vorlagen?

Ja, obwohl Lipp ein sehr erfahrener und kompetenter Wirtschaftsjournalist ist.

Da sind wir uns einig.

Sein Auftritt in der Arena hat mich beeindruckt. Lipp brachte eine der wenigen wirklich originellen Fragen ein: Wenn jetzt alle Politiker über die Zürcher und Basler Kantonalbank herfallen, müsse man sich doch fragen, was denn all die Parteivertreter in den Bankräten dieser Kantonalbank getan hätten, um die Entgegennahme von unversteuerten US-Geldern zu stoppen.

Die Kritik richtet sich ja auch nicht an ihn persönlich. Es geht vielmehr darum, wie heikel solche PR-Veranstaltungen für die Glaubwürdigkeit von News-Moderatoren sein können.

Ja, ich zweifle nicht an der persönlichen Unabhängigkeit von Kollege Reto Lipp. Aber es gilt ja in solchen Situation immer auch den bösen Schein zu vermeiden.

Nächster Artikel