Jugendliche brauchen Freiräume ohne Konsumzwang, sagt Sam Keller. Der Direktor der Fondation Beyeler muss es wissen: In den 1980er-Jahren verbrachte er selber mehr Zeit in Basels Nachtleben als tagsüber an der Uni. Ein Auszug aus dem grossen Interview in der aktuellen Ausgabe der TagesWoche.
Basel macht immer wieder mit Lärm- und Litteringstreitigkeiten von sich reden. Als Vertreter der 1980er-Generation, die sich Freiräume zum Teil auch handfest eroberte, muss Ihnen das ziemlich kleinkariert vorkommen.
Sam Keller: Ich staune oft darüber, was hier als Problem angesehen wird. Für mich sind das oft eher «Problemli». Im Grossen und Ganzen entwickelt sich Basel doch wunderbar! Das war nicht immer so: Noch vor 20 Jahren hatte ich das Gefühl, dass die Stadt stehenbleibe. Aber natürlich bringen mehr Freizeitangebote auch mehr Konflikte. Diese müssen aber in der Gesellschaft ausgetragen werden. Ich halte nichts von Verboten.
Was geht Ihnen durch den Kopf, wenn Sie an die heutige Freiraum-Bewegung denken?
Ich registriere, dass es im Moment sehr viele Angebote für Erwachsene und Senioren gibt – nicht aber für die Jungen. Ich finde, man sollte den jungen Leuten besser zuhören und ihnen die Möglichkeit geben, die Stadt mitzugestalten. Ich staune manchmal auch darüber, wie brav junge Leute heute darauf warten, dass ihnen Freiräume zugestanden werden. In den 1980er- und 1990er-Jahren hatte die Jugend die Initiative ergriffen – wenn ich zum Beispiel an die Besetzung der Alten Stadtgärtnerei denke. Junge Leute brauchen heute Orte, wo sie nicht nur Konsumenten sind, sondern auch kreativ sein können. Dieses Anliegen sollten wir ernst nehmen.
Die 1980er-Generation bereitete den Boden für die heutige «Mediterranisierung» der Stadt: Es gab noch nie so viele Clubs und Open-Air-Anlässe wie heute. Manchmal hat man den Eindruck, die ganze Stadt sei zur Festhütte geworden. Was halten Sie von dieser Entwicklung?
Also Mediterranisierung finde ich gut – das mediterrane Lebensgefühl ist ja eine positive Sache. Eine Helvetisierung, Amerikanisierung oder Nordkoreanisierung fänden wir ja weniger gut (lacht). Ich glaube, wir gehen in die richtige Richtung. Andere Kulturen und Lebensweisen zu integrieren, hat unserem Land immer gut getan. In einer Stadt wie Basel muss man öffentlich darüber verhandeln, welche Aktivitäten zu welchen Standorten passen und wichtig sind. Das Prinzip «Alles ein wenig überall» führt kaum zum Ziel, sondern bloss zu Streitigkeiten.
Leute aus Ihrer Generation haben Sie noch lebhaft als Enfant terrible in Erinnerung, das in den 1980er-Jahren vor allem auf der Gasse anzutreffen war.
L’université de la rue! Ich war sehr neugierig zwischen 20 und 30, jobbte, ging aus und reiste viel herum. Auch an der Uni habe ich verschiedene Fächer ausprobiert. Das war alles sehr spontan und spielerisch in dieser Zeit.
Was haben Sie denn alles studiert?
Neben Kunstgeschichte auch Philosophie und Geschichte – und ich habe mich sogar in den Wirtschaftswissenschaften versucht. Zu Beginn war ich ein sehr engagierter Student. Später war ich mehr in der Rio Bar anzutreffen als in den Hörsälen (lacht).
Warum das?
Ich merkte, dass man an anderen Orten mehr über das Leben und die Kunst erfährt als an der Uni – und dass man dort auch die interessanteren Leute trifft.
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