«Ich liebe mein Amt sehr, aber ich spüre Erleichterung»

Antonio Loprieno hat überraschend seinen Rücktritt angekündigt. Im Interview sagt der Rektor der Uni Basel, welche Rolle dabei die Masseneinwanderungsinitiative gespielt hat und weshalb er auch nach seinem Rücktritt an der Universität bleiben möchte.

Ein Jahr nach seiner Wiederwahl gibt Antonio Loprieno seinen Rücktritt bekannt. Seine Zukunft sieht er dennoch an der Uni Basel. (Bild: Nils Fisch)

Antonio Loprieno hat überraschend seinen Rücktritt angekündigt. Im Interview sagt der Rektor der Uni Basel, welche Rolle dabei die Masseneinwanderungsinitiative gespielt hat und weshalb er auch nach seinem Rücktritt an der Universität bleiben möchte.

Wir treffen Antonio Loprieno in seinem Büro am Petersgraben. Am Sonntag hat er überraschend seinen Rücktritt bekannt gegeben. Im Gespräch macht er einen entspannten Eindruck und erzählt von Anzeichen der Amtsmüdigkeit und seinen Zukunftsplänen an der Universität. Sämtliche Gründe für seinen Rücktritt kennt vermutlich aber nur er selber.

Herr Loprieno, Sie haben am Sonntag Ihren Rücktritt angekündigt. Sind Sie froh über Ihren Entscheid?

Ich möchte nicht den Eindruck erwecken, ich sei glücklich über meinen Rücktritt. Dafür liebe ich das Amt noch sehr. Aber ich spüre eine Erleichterung.

Wann genau haben Sie sich zu Ihrem Rücktritt entschieden?

Innerlich im Sommer dieses Jahres, als ich die Ferien auf Malta verbracht habe. Eine Auszeichnung eines Professors brachte mich zum Nachdenken, und ich merkte, wie gut die Universität vorbereitet ist für die Zukunft. Das ist ein guter Zeitpunkt für einen Rücktritt.

Das klingt sehr selbstlos.

Es gibt persönlichere Aspekte. Ich spürte in vergangener Zeit etwa auch Zeichen von Amtsmüdigkeit.

Wie zeigt sich das?

Wenn an und für sich kleine Probleme plötzlich zu einer schlaflosen Nacht führen. Und zuweilen kommt mir auch die Neugier etwas abhanden, die Dinge beginnen sich zu wiederholen. Verstehen Sie mich nicht falsch, ich komme nicht ungern zur Arbeit. Dass ich nicht als Rektor der Universität in Pension gehen möchte, war mir aber bereits länger klar.

«Die Folgen des 9. Februar haben mein Gefühl einer gewissen Amtsmüdigkeit verstärkt.»

Weshalb haben Sie sich vor einem Jahr dennoch für eine dritte Amtszeit wählen lassen?

Vor meiner Wahl liess ich bereits durchblicken, dass ich voraussichtlich nicht bis zum Ende meiner Amtszeit Rektor bleiben werde. Eine konkrete Vorstellung hatte ich damals aber noch nicht, die kam erst in diesem Sommer.

Es war für Sie als Rektor ein schwieriges Jahr. Die Annahme der SVP-Masseneinwanderungsinitiative hat für die Universität unangenehme Folgen. War das mit ein Grund für Ihren Entscheid?

Es wäre falsch, wenn ich sagen würde, das hatte gar keinen Einfluss. Die Folgen des 9. Februar haben mein Gefühl einer gewissen Amtsmüdigkeit verstärkt.

(Antonio Loprieno über die Folgen der Zuwanderungsinitiative, in der SRF-Sendung «Rendez-vous», 17.2.2014)

Inwiefern?

Es vermittelte mir eine Art Abhängigkeit meiner Funktion vom politischen Geschehen, die mir zu denken gegeben hat.

Und dann haben Sie Ihren Entscheid an jenem Sonntag bekannt gegeben, an dem die Kantonsfusion abgelehnt worden ist.

Da hingegen gibt es keinen Zusammenhang, das kann ich sogar empirisch belegen. Ich habe den Universitätsrat bereits eine Woche vor der Abstimmung informiert. Obwohl ich selber eine Fusion begrüssen würde.

Der Universität steht mit der Strategie 2014 ein grosser Umbau bevor. Inwiefern hat das Ihren Entscheid beeinflusst?

Zur Strategie 2014 bekenne ich mich vollumfänglich und engagiere mich auch persönlich für einige Bestandteile davon, etwa für den Studiengang Urban Studies und die Partnerschaft mit der University of Cape Town. Doch für die Zeit nach 2017 bin ich nicht der richtige Mann.

«Ich verstehe mich als Mann der Überbrückung. Zwischen der klassischen und der modernen Universität.»

Was für einen Mann wird es dann statt Ihnen brauchen?

Vielleicht braucht es eher eine Frau! Aber wenn es ein Geschäft gibt, zu dem ich nichts zu sagen habe, dann zu meiner Nachfolge. Die neue Person muss neue Perspektiven öffnen. Und das geht nur, wenn ich mich dazu nicht äussere. Irgendwann ist Schluss.

Als welcher Rektor wollen Sie in Erinnerung bleiben?

Für eine Bilanz ist es noch zu früh, ich möchte mich im verbleibenden Jahr noch weiter einsetzen. Ich verstehe mich aber als Mann der Überbrückung. Zwischen der klassischen und der modernen Universität. Wir freuen uns am selben Tag über 15 Millionen von Siemens und müssen gleichzeitig für diese Finanzierung in der Öffentlichkeit geradestehen. Und ich spüre mich als Person, welche diese Dualität miteinander vereint.

Aber nicht als Person, welche sich ganz dieser modernen Universität verschreibt.

Nein, dafür bin ich wahrscheinlich zu geisteswissenschaftlich kritisch.

«Macht kontaminiert, auch wenn ich nur wenig davon besitze.»

Was kommt für Sie danach?

Sie dürfen mir glauben, ich weiss es noch nicht. Ich kann mir aber gut vorstellen, an der Basler Universität zu bleiben.

Nach Ihrer Amtszeit?

Ja, in einem gewissen Sinn ist das ein Novum. Früher wurden Rektoren nach ihrer Amtszeit pensioniert. Ich würde das gerne anders machen und der Universität erhalten bleiben.

In welcher Form?

Als Ägyptologe oder in der Lehre, etwa im Bereich University Management. Vielleicht kommt es auch ganz anders. In einem Jahr beginnt für mich eine dritte Phase meines beruflichen Lebens, und die möchte ich jetzt noch nicht abschliessend definieren. Wissen Sie warum?

Sagen Sie es uns.

Weil man eine Form von Reinigung braucht. Das ist ein Amt, das einen leicht kontaminiert. Macht kontaminiert, auch wenn ich nur wenig davon besitze. Ich könnte nicht am Tag nach meinem Rücktritt an der Universität weiterarbeiten. Wenn ich am Morgen als Erstes schaue, wo Basel im Uni-Ranking steht, kann ich kein guter Forscher sein. Dafür brauche ich innere Freiheit und Distanz zu meinem vorherigen Amt. Und das wiederum braucht etwas Zeit.

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