Schweigen ist Gold? Nicht, wenn eine junge Frau von einer Gruppe pöbelnder Dummköpfe angegriffen wird. Egal, ob sie ein Kopftuch trägt oder nicht.
Der Schock sitzt tief. Eine 34-jährige Türkin ist am letzten Herbstmesse-Wochenende im Basler 8er-Tram von einer Gruppe Jugendlicher erst angepöbelt und dann auch noch geschlagen worden. Dies offensichtlich deshalb, weil sie ein Kopftuch getragen hat, wie «20 Minuten» berichtet.
Im Tram wären genug Menschen gewesen, die der jungen Frau hätten zu Hilfe kommen können. Doch: «Kein Mensch hat was gesagt oder unternommen», schrieb diese auf Facebook. Ihr Post, in dem die junge Frau den Vorfall schilderte, erhielt laut «20 Minuten» viel Zuspruch. Mehrere Frauen aus der Region hätten daraufhin von ähnlichen Erfahrungen berichtet.
Haben solche Attacken gegen religiöse Minderheiten also zugenommen?
Die Basler Staatsanwaltschaft (Stawa) kann dies so nicht bestätigen, da sie dazu keine spezielle Statistik führt. Die Stawa führe jedoch immer wieder Verfahren wegen Verdachts der Rassendiskriminierung und klage diese auch an, sagt Stawa-Sprecher Peter Gill. Ob bei einem tätlichen Übergriff auch ein rassistisches Motiv vorliegt, muss jeweils durch die Stawa abgeklärt werden, auch wenn das Opfer der Ansicht ist, dies sei eindeutig der Fall.
Die subjektive Einschätzung decke sich nicht immer mit der gesetzlichen Definition. Dies werde unter anderem dadurch geprüft, indem das Opfer und allfällige Zeugen befragt und Beweise gesichert würden. Je nach Situation können beispielsweise Bilder von Überwachungskameras, E-Mails oder auch Briefe Beweise liefern.
Was tun?
Auch wenn es keine Zahlen zur Häufigkeit solcher Übergriffe gibt: Das Vertrauen in die Sicherheit haben einzelne Muslima offenbar verloren. So zitiert «20 Minuten» eine Betroffene, die von sich schreibt, sie könne «kaum noch den ÖV benutzen». Sie ginge auch «schon lange nicht mehr in die Stadt oder in Kinos».
Dass in einer eskalierenden Situation niemand reagiert, davon müsse leider immer ausgegangen werden, sagt Stawa-Sprecher Gill: «Jeder denkt, es wird sich schon ein anderer darum kümmern. Zudem will man selber keine Probleme.»
Doch diese Blockade liesse sich lösen. «Man muss die Zeugen aus der Anonymität holen», rät Gill. Das heisst: einzelne Personen direkt ansprechen und sie um Hilfe bitten. So unterstützt man einerseits die angegriffene Person, andererseits werden dadurch auch andere Personen aufgefordert, nicht wegzuschauen.
Was aber kann man konkret unternehmen? Gill rät zu diesem Vorgehen:
- Nicht wegschauen lautet das erste Gebot. Gehen Sie davon aus: Wenn Sie nichts tun, wird niemand etwas tun. Nicht wegschauen ist eine Form der Zivilcourage und hilft den Strafverfolgungsbehörden, Täter zu ermitteln.
- Rufen Sie die 117 an. «Die Distanzen sind in Basel kurz», sagt Gill, «die Polizei ist schneller vor Ort, als man denkt.» Und lieber einmal zu viel anrufen. Denken Sie daran: Andere rufen schon die Polizei, nur weil jemand falsch geparkt hat.
- Sprechen Sie Betroffene direkt an. Sind keine Waffen im Spiel, fragen Sie die in Bedrängnis geratene Person, ob sie Hilfe braucht. Nehmen Sie Einzelne aus der Gruppe (etwa im Tram) in die Pflicht, mitzuhelfen. Sagen Sie zum Beispiel: «Sie, rufen Sie die Polizei!»
- Wenn Sie sich verbündet und die Polizei alarmiert haben, versuchen Sie zu schlichten. Gehen Sie dabei nicht weiter, als es die Situation erlaubt. Eine Bedienungsanleitung gibt es dazu keine. Verlassen Sie sich auf Ihr Bauchgefühl, aber bringen Sie sich nicht selbst in Gefahr.
- Merken Sie sich, wie die Täter aussehen und wohin sie flüchten. Geben Sie diese Informationen sofort der Polizei weiter.