Im «Gemeinsam Café» arbeiten Flüchtlingsfrauen am Sprung in die Arbeitswelt

In Kleinbasel ist ein neuer Gastrobetrieb aufgegangen. Trotz seines gemeinnützigen Charakters ist das Lokal ein ganz normales Café. Hier arbeiten drei Frauen aus Eritrea neben dem Koch und Projektleiter Michael Rüedi. Wir haben uns umgesehen und mit Mihret, Maeza und Sara geredet.

Servieren als Einstiegschance in die Arbeitswelt: Das «Gemeinsam» Café machts möglich.

(Bild: Ketty Bertossi)

In Kleinbasel ist ein neuer Gastrobetrieb aufgegangen. Trotz seines gemeinnützigen Charakters ist das Lokal ein ganz normales Café. Hier arbeiten drei Frauen aus Eritrea neben dem Koch und Projektleiter Michael Rüedi. Wir haben uns umgesehen und mit Mihret, Maeza und Sara geredet.

Ein kleines Stück hinter der Josephskirche, an der Markgräflerstrasse 14, befindet sich ein neues Lokal mit dem ungewöhnlichen Namen «Gemeinsam Café». Dank des beleuchteten Schriftzug an einer Hauswand gegenüber ist es leicht zu finden. Hier kann man den ganzen Tag gemütlich Fairtrade-Kaffee trinken – und Mittagessen.

Was den Betrieb von anderen Cafés unterscheidet, ist einerseits sein gemeinnütziger Charakter, andererseits das täglich wechselnde vegetarische Mittagsmenü, welches vom Betreiber Michael Rüedi selbst zubereitet wird. Die Stellen im Service richten sich ausschliesslich an anerkannte Flüchtlingsfrauen. Das Ziel des Konzepts ist es, diesen Frauen, die teilweise wenig Deutsch sprechen und keinen Beruf erlernt haben, einen ersten Schritt in die Arbeitswelt zu ermöglichen.




Michael Rüedi im «Gemeinsam Café». (Bild: Ketty Bertossi)

Die Menütafel des Lokals ist gut ersichtlich an der Strasse aufgestellt, davor stehen zwei Passantinnen und betrachten den einzigen Vorschlag interessiert. Wenige Meter weiter befindet sich der Eingang des Cafés. Tritt man durch die Tür, öffnet sich ein heller Raum, in dem acht kleinere und grössere Tische stehen. An der Wand hängen Zeitungen und in einer Ecke bei den Fenstern ist für Kinder ein kleiner Spielplatz eingerichtet.

Der Aufbau des Projekts und der Umbau der Räumlichkeiten wurden zu einem Grossteil von der benachbarten Kirche und einer Basler Stiftung gefördert. Dennoch betont der Verein die Eigenständigkeit seiner Philosophie. «Wir sind sowohl politisch als auch religiös unabhängig», erklärt Projektleiter Michael Rüedi, der den Verein zusammen mit den Freunden Ruedi Beck und Markus Omlin gegründet hat.

Rüedi ist Chef und Koch. Sein Essen würzt er mit Kräutern aus dem Hof, in dem man bei gutem Wetter auch verweilen kann. Drei junge Frauen aus Eritrea arbeiten im Moment bei ihm im Rahmen eines einjährigen Praktikums. Die Eritreerinnen sind anerkannte Flüchtlinge und leben seit mehreren Jahren in der Schweiz.




Mihret, Maeza und Sara (v.l.) in der Küche. (Bild: Ketty Bertossi)

Mihret Zerai, Maeza Kefali und Sara Tesfaldet sind verheiratet und haben Kinder im Vorschulalter. Da ihre Männer arbeiten oder einer Ausbildung nachgehen, sind sie zwar nicht von der Fürsorge des Staates abhängig. Dafür waren sie, wie viele Eritreerinnen, zu Hause bei der Familie, bevor sie hier ihre Arbeit begannen. «Da fällt ihnen ja das Dach auf den Kopf», sagt Rüedi und erzählt: In solchen Verhältnissen könnten viele der Frauen auch nach Jahren in der Schweiz kaum Deutsch.

In seiner Küche ist hingegen oft Zeit für den Austausch alltäglicher Informationen: Wie eröffnet man ein Konto, wie oft sollen die Kinder Zähne putzen. Manchmal kochen sie eines der Menus zu Hause nach oder bringen Rüedi von ihrem Essen mit. Für ihre Arbeit erhalten Mihret, Sara und Maeza einen guten Praktikumslohn, der sich an den kantonalkirchlichen Richtlinien orientiert.




Salat zur Vorspeise. (Bild: Ketty Bertossi)

Wir setzen uns zum Essen an einen Tisch und müssen nicht lange auf die Vorspeise warten. Mihret reicht uns einen knackiger Salat mit Tomätchen an klassischer Vinaigrette. Mihret und Maeza arbeiten zügig und freundlich. «Natürlich müssen sie noch ein paar Fertigkeiten lernen», sagt Rüedi. Doch zwischendurch ist auch Zeit für einen kleinen Spass.

Als der Chef vor einiger Zeit den Gebrauch der Kaffeemaschine erklärte, begannen die Frau über das Wort Barista zu kichern. Was bei uns den professionellen Kaffee-Barkeeper bezeichnet, hat sich in Eritrea, früher eine italienische Kolonie, zum Wort für eine Frau mit vielen Männern gewandelt.

Kaum legen wir die Gabel beiseite, bringt uns Maeza den Hauptgang. Serviert wird ein griechisches Gebäck, das sich Spanakopita nennt und einem Gemüsestrudel ähnlich sieht. Dazu gibt es Wildreis an einer Safransauce.




Spanakopita und Wildreis. (Bild: Ketty Bertossi)

Die Wartezeiten im Café sind kurz: Mihret und Maeza blicken immer wieder konzentriert hinter der Kaffeemaschine aus der offenen Küche hervor, um zu schauen, ob die Gäste bereit sind für den nächsten Gang. Auf Qualität und Fairtrade wird Wert gelegt. Ein Pfirsichkompott und ein Espresso schliessen das Mittagessen ab.

Während der Mittagszeit ist hier am meisten los, die Gäste kommen zu zweit oder in Gruppen. Viele bleiben nach dem Essen noch ein wenig sitzen. Nachdem die letzten Kaffees den Gästen serviert wurden, haben die drei Frauen Zeit für eine ausführlichere Vorstellungsrunde.




Zeit für ein Gespräch bleibt immer. (Bild: Ketty Bertossi)

Jetzt ist auch Sara zu uns gestossen. Normalerweise arbeiten die Frauen an unterschiedlichen Tagen. Die Gespräche auf Deutsch verlaufen zum grössten Teil problemlos. Untereinander sprechen die Frauen die eritreische Amtssprache, Tigrinya.

Sara und Maeza kamen über Mihret zum Betrieb. Anlässe in und um die Josephskirche seien ein Zentrum der Flüchtlings- und Migrantengemeinden in Kleinbasel, sagt Rüedi. Mihret, die gut Deutsch spricht, ist die Lebendigste der Drei. In der Schweiz sei das Leben sehr sicher, im Gegensatz zu ihrem Heimatland Eritrea, und die Bevölkerung habe viele Rechte.

Einen kleinen Einblick in die Situation in Eritrea gibt uns die 27-jährige Maeza: Ihre Familie, wie auch jene von Mihret und Sarah, ist noch im Land. Die Beamten des Machthabers Isayas Afewerki übten auf die Familien der Ausgereisten starken Druck aus, erzählt sie. Massnahmen reichten von absurd hohen Geldforderungen, welches die Familienmitglieder im Ausland bezahlen, bis zur Verschleppung von Angehörigen. Deshalb packe der Vater die Familie, um sie zu verstecken, wenn Soldaten kommen, erzählt uns Maeza, die mit ihren Eltern und Geschwistern per Telefon kommunizieren kann. Gerne hätten wir den Frauen weitere Fragen gestellt, doch der Nachmittag schreitet voran und mehr Arbeit wartet.

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Das Café ist von Montag bis Samstag zwischen 8 und 19 Uhr geöffnet. Bedient werden die Gäste zurzeit von den drei Frauen Mihret, Sara und Maeza und dem Projektleiter Michael Rüedi. Mit 11.50 CHF liegt das Essen unter den ortsüblichen Preisen. Wer etwas mehr bezahlen möchte, wird dazu herzlich eingeladen. Das Geld leistet einen Betrag an die Integration von Flüchtlingen und Migranten in der Region.

Neben dem Café engagiert sich der Verein «Gemeinsam St. Johann» für weitere soziale Projekte und Begegnungen. In Zusammenarbeit mit Angelo Gallina vom Boxclub Basel und dem Staatssekretariat für Migration (SEM) arbeite man zum Beispiel an einem Sportangebot für die Menschen im Empfangszentrum Basel am äusseren Rande der Stadt.

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