Das «Museum of Broken Relationships» zeigt, was nach einer Trennung von Beziehungen übrigbleibt. Klingt deprimierend, ist es aber nicht. Ganz im Gegenteil.
Im ersten Stock des alten Patrizierhauses an der Elisabethenstrasse liegt ein kleiner Zettel:
«Ich habe mein Leben wie ein Serienkiller gelebt: Mit einem Teil abschliessen, ihn erwürgen und weitergehen zum nächsten… Ich mache die Entdeckung (.…), dass die Toten noch sprechen.»
Das Zitat stammt von der britischen Schriftstellerin Jeanette Winterson und will sagen: Was einmal war, ist nie ganz verschwunden. Wenn eine Beziehung beendet wird, bleibt immer etwas hängen. In diesem Fall war es ein roter Hut mit Blumenbordüre, der nun im Museum für Wohnkultur liegt.
Der Hut ist Teil einer Ausstellung, die – etwas makaber ausgedrückt – den abgewürgten Toten eine Plattform bietet, indem sie Objekte vergangener Liebesgschichten und die dazugehörigen Geschichten präsentiert.
Die Ausstellung basiert auf einem preisgekrönten Projekt, das sich «Museum of Broken Relationships» nennt und 2006 mit einer Trennung begann: Die beiden Zagreber Künstler Olinka Vištica und Dražen Grubišić hatten sich getrennt und beschlossen, als therapeutische Massnahme ihren Trennungsschmerz gemeinsam zu überwinden. Also stellten sie persönliche Gegenstände aus, die sie in Zeiten ihrer Beziehung verbunden hatten.
Normalerweise, so Vištica, würde man die Erinnerungen an kaputte Beziehungen zerstören. Für sie und Grubišić sei aber wichtig gewesen, sich an die gemeinsamen schönen Zeiten zu erinnern. Sie errichteten ein Archiv, das bald auch mit den Beziehungsrelikten ihrer Freunde und Freundesfreunde bestückt wurde und seither zu einer riesigen «Gefühlskonserve» angewachsen ist, die als Wanderausstellung durch Metropolen wie Singapur, Istanbul oder Mexico City tourt.
Und jetzt ist das Museum der kaputten Beziehungen in Basel angekommen: Künstlerischer Leiter Boris Nikitin und Co-Kurator Benedikt Wyss kannten das Projekt von früher und waren sofort Feuer und Flamme. Als Ausstellungsort entschieden sie sich für das Museum für Wohnkultur – ein Ort, der nicht nur den persönlichen Gegenständen eine quasi-natürliche Umgebung liefert, sondern als voll eingerichtetes Haus auch thematisch hervorragend ins Konzept passe, wie Nikitin meint: «Es ist eine Verbindung von emotionalen Interieurs mit dem tatsächlichen Interieur eines Stadthauses, öffnet aber auch den Blick für die Geschichten, von denen diese Räume erzählen.»
Die Verbindung ist den beiden Kuratoren gelungen: Die Objekte harmonieren mit der Umgebung des schmucken Patrizierhauses (in dem Johann Rudolf Burckhardt bekanntlich sein ganz eigenes brisantes emotionales Interieur lebte, als er sich im 18. Jahrhundert von seiner ersten Frau scheiden liess) und stehen an sorgfältig ausgewählten Orten. So befindet sich in der alten Küche ein Toaster («Als ich auszog, nahm ich auch den Toaster mit. Das wird’s dir klar machen. Wie wirst du jetzt irgendwas toasten?») und eine Espressomaschine, im Schlafzimmer ein paar hochhackige Schuhe («Während unserer gemeinsamen Zeit wollte er immer, dass ich mich im Bett wie eine Domina kleide und vor allem High Heels trage») und im Rosenboudoir ein Wörterbuch («Während Länder auseinanderfielen, blieb das Wörterbuch intakt»).
Noch vor der Schwierigkeit, für jedes Objekt ein passendes Plätzchen zu finden, kam die Herausforderung der Besorgung der Gegenstände: «Am Anfang waren alle ganz begeistert von der Idee. Die Wenigsten schickten dann aber auch wirklich was ein», meint Wyss. Also ging er persönlich auf die Suche – am Ende musste dann auch seine Mutter dran glauben.
Woher kommt diese Zurückhaltung, wenn es um persönliche Geschichten geht? Die Frage kann Wyss auch nicht endgültig beantworten: «Vielleicht hat es mit der Grösse dieser Stadt zu tun, man überlegt es sich zweimal, wenn man weiss, dass der Expartner die Ausstellung sehen und sich darin erkennen könnte.» Vielleicht liege es aber auch einfach an der nördlichen Reserviertheit, wenn es um intime Themen geht.
Dražen Grubišić nickt, als er von Wyss‘ Theorie hört. «In der nördlichen Hemisphäre ist es tatsächlich schwieriger, an Objekte zu kommen.» Ganz anders seien hingegen Buenos Aires oder Mexiko-City gewesen: «Da hatten wir nach einem Tag bereits 200 Schenkungen.»
- Die Liebesmülldeponie
- Geliebtes Endlager
- In Amors Gruselkabinett
- Einbruch ins Land der Gefühle
- Germanwings im Bauch
- Futter aus der Gefühlskonserve
- Vergiss di Alti!
- Auf der Spitze des Beziehungs-Eisbergs
- Eisberg für Relation-Ships
- 50 Shades of Pain
- Neues aus dem Beziehungs-Schredder
- Beziehung pfui, Ausstellung hui
Das Schenken von persönlichen Objekten und der Geschichte dazu zeichnet auch stets ein Psychogramm der Stadt, in der das Museum gerade Halt macht. An Basel ist dabei auffällig, dass der Begriff «Beziehung» sehr weitläufig gedeutet wurde: Statt Liebesbeziehungen von Paaren, erzählen die Geschichten oft von familiären Beziehungen, von der Beziehung zur Arbeit oder einem Ideal (Stichwort: Pferdearsch). Fast scheint es so, als ziere sich der Basler, allzu intime Momente preiszugeben. Aber auch das hat seinen Reiz: Die Objekte erzählen von verstorbenen Enkelkindern, von lieben verlorenen Freunden, Neuanfängen und Schlussstrichen.
Obwohl den Objekten stets ein Ende vorangeht, würde Vištica das «Museum of Broken Relationships» nie als traurige Ausstellung bezeichnen. Vielmehr würden hier Liebesgeschichten erzählt, Erinnerungen erhalten und Zeugnisse menschlichen Zusammenseins erstellt. «Es ist ein Archiv der Liebe», sagt sie und schaut lächelnd zu Grubišić.
Sollen die abgewürgten Toten doch reden – wenn sie so erzählen, wie es diese beiden Menschen und ihr Museum der kaputten Beziehungen tun, dann halten wir uns gerne daran: Ans Erinnern, als das neue Vergessen.
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«Museum of Broken Relationships» im Rahmen der Dokumentartage «It’s the Real Thing», Museum für Wohnkultur, Elisabethenstrasse 27-29. Vernissage: 16. April, 18 Uhr.