TagesWoche-Leser K. war voller Vorfreude, als er unlängst die Nummer des Restaurants Matisse wählte, um dort einen Tisch zu reservieren. «Ich war kein Stammgast, aber einmal pro Jahr gönnten wir uns ein Abendessen in diesem tollen Restaurant.» Umso grösser war die Enttäuschung, als man K. am Telefon beschied, das Gourmet-Restaurant gebe es nicht mehr.
Und tatsächlich: Die Speisekarte im ehemaligen Sternelokal nahe der Burgfeldengrenze ist kaum wiederzuerkennen. Wo einst ein «cryopochierter Tomaten-Caipirinha» serviert und die «getauchte Jakobsmuschel» an «fermentiertem Knoblauch und Kalbsmark» gereicht wurde, stehen heute Rahmschnitzel mit Nüdeli und Tofu-Piccata mit Spaghetti und Tomatensauce auf dem Menü.
Es ist eine radikale Kehrtwende von der Fein- zur Hausmannskost, die auf Jahresbeginn und im Stillen erfolgte. Eine entsprechende Mitteilung sucht man auf der Website vergeblich. Auf Tripadvisor empören sich aufgebrachte Besucher, die Gourmet erwarteten und Quartierbeiz bekamen.
Gault-Millau und Michelin-Stern
Zu Ruhm und Anerkennung brachte es das Lokal unter Küchenchef Erik Schröter. Der Deutsche übernahm Ende 2011 die Küche des «Matisse», nachdem sein Vorgänger Friedrich Zemanek unter tragischen Umständen aus dem Leben geschieden war. Vier Jahre später wurde Schröter von Gault-Millau als Basler Aufsteiger des Jahres mit 17 von 20 möglichen Punkten bewertet. Dazu kam ein Michelin-Stern.
Obwohl Schröter diese Wertung auch ein Jahr später wieder hielt, waren seine Stunden im «Matisse» gezählt. «Wir kamen zum Schluss, dass das ‹Matisse› eine Neuausrichtung benötigt», sagt Philipp Fink, Geschäftsführer der Ryago AG, die dieses und andere Restaurants in Basel betreibt («Minamoto», «800° Premium Steakhouse» u.a.). Wirtschaftlich sei es im «Matisse» nicht mehr aufgegangen, die Besucherzahlen hätten stagniert. «Ein Gourmet-Restaurant zu betreiben ist mit einem Riesenaufwand verbunden. Irgendwann wurde die Luft einfach zu dünn», sagt Fink.
«Gourmet braucht Zeit und Geduld.»
Zudem will Fink mit dem neuen Konzept – nur noch am Mittag geöffnet, abends für geschlossene Gesellschaften – der Entwicklung im Quartier gerecht werden. «Der Personenkreis, der sich regelmässig ein Menü auf diesem Niveau leisten kann, ist halt schon recht beschränkt. Wir wollten uns etwas öffnen.» Die Kommunikation der Neuausrichtung sei mit Absicht nur im kleinen Rahmen erfolgt. «Unsere Stammgäste wussten Bescheid. Das sind ja auch diejenigen, die es wissen müssen», sagt Fink.
Enttäuscht klingt neben Leser K. auch Spitzenkoch Erik Schröter. Aus seiner Sicht wäre es nicht nötig gewesen, das «Matisse» neu auszurichten. «Wir haben trotz enorm schwieriger Ausgangslage mit trauriger Vorgeschichte und suboptimalem Standort regelmässig Höchstleistungen erbracht», sagt Schröter. Der Betrieb eines Restaurants auf diesem Niveau fordere den Eigentümern viel Zeit und Geduld ab. «Doch die Anerkennung der Gäste war da. Ganz zu schweigen von den Auszeichnungen.» Schröter ist nun auf der Suche nach einem neuen Projekt, «spruchreif ist aber noch nichts».