Zartbesaiteter Softie oder räudiger Draufgänger – viele Männer haben Mühe, sich in den gängigen Geschlechterrollen zurechtzufinden. In der Steinenvorstadt hat nun die erste Männerpraxis eröffnet. Bei Äquilibris Men erhalten Männer – und Frauen – Hilfe bei ihrer Identitätssuche.
In der Steinenvorstadt steht die erste Männerpraxis der Region. Bei «Äquilibris Men» finden Männer Rat, mit ihrer Identität umzugehen. Richtige Indianer kennen zwar keinen Schmerz, brauchen deswegen aber manchmal Betreuung, über diesen zu sprechen.
Viele Männer, die schnellere Autos kaufen und sich jüngere Freundinnen anlachen, haben bestimmt eine Menge Spass, verstecken dahinter aber eine Midlifecrisis. «Ab dem Alter von 35 beschäftigt viele Männer ihr Rollenbild enorm», sagt Rehabilitations- und Gendermediziner Marco Caimi, Gründer von «Äquilibris Men». In seiner gestylten Praxis hängt ein riesiger schwarzer Büffelkopf an der Wand.
Stark wie ein Büffel
Der Büffel funktioniert für Südafrika-Fan Caimi bestens als Symbolbild eines Mannes. «Büffel sind nicht am Aussterben. Sie sind kräftig aber vorsichtig. Sie warnen einen nicht, wenn ihnen etwas nicht gefällt. Aber wenn sie einmal loslegen, kommen sie ziemlich unerwartet.» Althergebrachte Rollenbilder mögen ausgedient haben, es gibt aber nach wie vor so manchem Mann Bestätigung, sich wie ein Büffel um sein Weibchen zu kümmern. An Bestätigung fehlt es aber vielen von Caimis Kunden. «Viele sind verunsichert und unzufrieden, leiden unter Stress oder haben Probleme mit ihrer Sexualität», sagt Caimi.
Mit seinen Patienten über Sex zu sprechen, erfordert von Mitarbeiter Alexander Haener viel Fingerspitzengefühl. «Anfänglich ist man immer etwas verkrampft. Doch nach ein bisschen Vorgeplänkel bei einem Bier erwärmen sich die Patienten meistens und werden offener», sagt der Therapeut.
Anderen Patienten gehts richtig mies. «Wir betreuten schon einen Mann, der in der Kampfscheidung war und den das Gericht aus seinem Haushalt ausgeschlossen hat. Ihn mussten wir betreuen, damit er überhaupt seine Probezeit bis zum Gerichtsverfahren durchhält, ohne vollends durchzudrehen», sagt Caimi. Ein anderer Mann sei mit einer Schnittwunde unter den Augen in die Praxis gekommen. «Ich habe mein Leben ruiniert», habe dieser gesagt. Die Wunde stammte von einem Weinglas, das ihm seine Frau beim Abendessen ins Gesicht geworfen hatte. Er hatte ihr gerade eine Affäre gestanden.
Locker an der Bar
Einen treffenderen Standort als die Steinenvorstadt gibts für eine Männerpraxis kaum. Hier tigert man an Schaufenstern vorbei, die Rollenansprüche vermitteln, und geht zum Eingang der Praxis. Man steigt die Treppen hoch und steht gleich vor einer Bar. Eine erfreuliche Überraschung, mit der Geschäftsleiter Marco Caimi das miefige Ambiente einer Praxis auflockern will. Auf dem Tisch im Wartebereich liegen keine Rheumabroschüren, sondern Bildbände übers Grillieren, die südafrikanische Tierwelt und die Aktfotografie. «Wir wollen den Gästen so nahebringen, dass sie sich Hobbys suchen sollen. Das macht aktiv und gibt Selbstvertrauen», sagt Marathonläufer Caimi.
Das Team um den Mediziner besteht momentan ausschliesslich aus Männern – dies sei mehr oder weniger Zufall. Auch weibliche Mitarbeiterinnern seien durchaus erwünscht. Überhaupt ist die Männerpraxis nicht «men only», betont der Chef der Praxis. Immer wieder kommen Frauen hierher, um über ihre Beziehung zu sprechen oder um ihre Partner von einer Therapie zu überzeugen.
Caimi, der auch Paartherapie anbietet, hat selber schon einige bewegte Momente in seinem Beziehungsleben erlitten. Der Doktor, der mit einer Dissertation in der Psychologie abgeschlossen hat, liess sich zweimal scheiden. «Das waren Enttäuschungen, die ich am eigenen Leib erfahren musste», sagt er. Doch der Vater zweier erwachsener Kinder machte aus seiner Not eine Tugend und hilft nun anderen Männern, sich als Mann neu orientieren zu können.
Ob ein Büffel zum eigenen Selbstbild passt, muss jeder Mensch selber entscheiden. Es gibt noch etliche andere Charakteristiken: den des Silberrückens, des Hirschen, des Pfauen und des Schweins. Aber das sind irgendwie auch wieder Rollenbilder.