Isolations-Happening in B(l)asel

«Coop Himmelb(l)au»: Drei junge Wiener Architekten wollten in ihrer Kugel mehr als nur provozieren.

Barfüsserplatz, 17. Mai 1971: Staunend nehmen Passanten von der riesigen Plastikkugel Kenntnis, in der sich drei Männer ihren Weg durch die Stadt rollen. Mit dem spektakulären Auftritt demonstrierten sie dem Publikum die Eingeschlossenheit und Kontakta (Bild: Kurt Wyss)

«Coop Himmelb(l)au»: Drei junge Wiener Architekten wollten in ihrer Kugel mehr als nur provozieren.

Was soll das?», werden sich wohl viele an diesem 17. Mai 1971 gefragt haben, als das Plastikmonstrum mit einem Durchmesser von vier Metern über den Barfi rollte. Das «Das», das nicht irgendwas war, nannte sich «Rollendes Environment für zwei bis fünfzehn Personen» und war Bestandteil einer «Ausstellung mit Environments, Objekten und Modellen», die ihre Standorte zum einen in der Kunsthalle Basel, zum andern in der Galerie Stampa am Spalenberg, drittens aber auch spontan dazwischen im freien Raum bezogen hatte.

Schöpfer der «Environments» waren drei junge Architekten aus Wien, die sich 1968 zur Gemeinschaft «Coop Himmelb(l)au» zusammengeschlossen hatten, einem bis auf den heutigen Tag erfolgreichen, inzwischen auch international tätigen Unternehmen. Ihre damalige Aussage: «Unsere Umwelt ist bedrückend geworden. Die Menschen leben in lauten, verschmutzten Städten. Gelangweilt, allein und eingeschlossen in unbeweglichen, betonierten Wohnungen.»

«Kommunikationskugel»

Mit ihren Objekten wollten Wolf D. Prix, Helmut Swiczinksy und Michael Holzer Anfang der 1970er-Jahre durch die Verfremdung dieser alltäglichen Situation (eingeschlossen, kontaktlos, nur Fernsehen und Telefon sind die Verbindungen zur Aussenwelt) auf die beschränkten Möglichkeiten der (damaligen) Kommunikation aufmerksam machen. Dies unter anderem mit ihrer auch in Basel demonstrierten «Kommunikationskugel» als einer mit Walkie-Talkie verbundenen Relaisstation zwischen den beiden Ausstellungsräumen in der Kunsthalle und der Galerie Stampa. Diese waren als «Contact Box I» und «Contact Box II» bezeichnet und auf der Sende- und Empfangsfrequenz 27,315 Megahertz miteinander verbunden.

Zum weiteren Ausstellungsgut gehörten ­neben den aufblasbaren Boxen und der Kommunikationskugel eine «Villa Rosa» in drei Teilen, eine «Wolke II» als mobiler Wohnspielplatz für vier bis sechs Familien, ein «Soul Flipper», über welchen Gesichtsbewegungen via Helm in Licht und Ton übersetzt wurden, sowie ein ­«Astro Ballon», ein Meditationsraum, in welchem der Herzschlag der oder des Insassen hör- und sichtbar gemacht wurde.

Ohne Plastikblasen

Die «Coop Himmelb(l)au» macht im Übrigen auch heute noch und auch ohne Plastik­blasen mit ihren Unternehmensbereichen ­Architektur, Stadtplanung, Design und Kunst höchst erfolgreich von sich reden – wie in der Schweiz, wo sie im Jahr 2002 das «Forum­ Arteplage Biel/Bienne» im Rahmen der Expo.02 realisierte.

Was daraus zu lernen wäre? Zumindest dies: Blasen sind offenbar und nicht nur in der Kunst eine ausgezeichnete Erfindung, dringende menschliche Bedürfnisse nachhaltig ins Bewusstsein zu rufen.

Artikelgeschichte

Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 22.06.12

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