Ist Basel-Stadt wirklich der Kanton der Säufer und Drogenfreaks?

Seit Sonntag wissen wir, dass Basel auch beim problematischen Alkohol- und Drogenkonsum die Restschweiz massiv überholt. Bei nüchterner Betrachtung relativiert sich allerdings das Bild. 

Ist Basel wirklich die ganz grosse Alk- und Drogen-Hochburg der Schweiz?

Die Zahlen liessen aufhorchen: Über 17 von 1000 Einwohnern des Kantons Basel-Stadt mussten 2016 im Zusammenhang mit übermässigem Alkohol-, Medikamenten- und Drogenkonsum im Spital behandelt werden.  Das ist der absolute Spitzenwert im Lande, wie die «Sonntagszeitung» berichtete. Bei den nachfolgenden Westschweizer Kantonen Jura, Wallis, Genf und Waadtland lagen die Werte mit rund 10 von 1000 Einwohnern wesentlich tiefer.

Die «Sonntagszeitung» berief sich auf eine Auswertung des Schweizerischen Gesundheitsobservatoriums (Obsan), das «Spitalaufenthalte mit Haupt- oder Nebendiagnose einer substanzbedingten Störung» zusammengetragen hatte. Mit Substanzen sind Alkohol, illegale Drogen, Tabak sowie Beruhigungs- und Schlafmittel gemeint, die unter anderem mit akuten Vergiftungen, psychotischen Störungen oder Abhängigkeitssyndromen in Zusammenhang gebracht wurden.

Basler Gesundheitsdepartement relativiert

Die Frage, warum Basel-Stadt im Kantonsvergleich so deutlich ausreisst, beantwortet das Obsan nicht. Auch die «Sonntagszeitung» begnügt sich mehr oder weniger mit der Feststellung, dass die Rate von Basel-Stadt fast viermal so hoch ist wie diejenigen in Zug, Appenzell Innerrhoden und Nidwalden.

Hinterfragt werden diese Daten aber vom Gesundheitsdepartement von Basel-Stadt. «Wir sehen nicht, dass das Konsumverhalten der Basler Bevölkerung in diesem Ausmass vorhanden ist», sagt Departementssprecherin Anne Tschudin auf Anfrage. «Daher haben wir die Daten der Studie weiter analysiert.» Die Gesundheitsbehörden von Basel kommen nun zu einem wesentlich differenzierteren Bild.

Speziell an der Auswertung des Obsan ist, dass bei den Spitalaufenthalten nicht nur die Haupt-, sondern auch die Nebendiagnosen der Spitalärzte erfasst wurden. Wird jemand zum Beispiel aufgrund der Folgen von übermässigem Alkoholkonsum ins Spital eingeliefert, dann landet dieser als Hauptdiagnose in der Statistik. Gelangt jemand mit einem Beinbruch ins Spital, kann Alkoholkonsum als Nebendiagnose festgehalten werden.

Anteil der Hauptdiagnosen in Basel-Stadt tief

Schaut man beim Kantonsvergleich nun auf das Verhältnis zwischen Haupt- und Nebendiagnosen, dann fällt auf, dass der Anteil der Hauptdiagnosen in Basel-Stadt mit 27 Prozent (oder 940 Fällen) tief ist. Er liegt unter dem schweizerischen Durchschnitt von 28,8 Prozent und den Werten von mehreren Inner- oder Ostschweizer Kantonen, die zum Teil weit über 30 Prozent liegen.

Tschudin kann sich diese ungleiche Verteilung nicht erklären. Im Basler Gesundheitsdepartement vermutet man aber, dass in Basel-Stadt viel differenzierter oder mehr erfasst werde als in anderen Kantonen. «Ausschlaggebend für eine Einschätzung müsste unseres Erachtens jedoch die Hauptdiagnose sein, bei welcher Basel-Stadt unter dem Durchschnitt ist.»

Auch Walter Meury, Geschäftsführer der Suchthilfe der Region Basel, kann diesen Ausreisser nicht nachvollziehen. Er fragt sich, ob die Daten schweizweit einheitlich erfasst werden. «Diese Frage stellt sich insbesondere deshalb, weil sich in der Vergangenheit herausgestellt hat, dass zum Beispiel bei der Erhebung der sogenannt drogenbedingten Mortalitätsraten die Erhebungspraxis in den einzelnen Kantonen derart unterschiedlich gehandhabt wurde, dass eine brauchbare Interpretation nahezu unmöglich war», schreibt er auf schriftliche Anfrage.

Selbst im Schweizerischen Gesundheitsobservatorium zeigt man sich über den Ausreisser Basel-Stadt ratlos. «Wir haben uns auf die Daten des Bundesamts für Statistik berufen und können die auffälligen Zahlen nicht beurteilen», heisst es dort auf Anfrage.

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