Mit einem Wandbild des Graffiti-Künstlers Art4000 wollten die IWB wilde Sprayer von der Voltahalle fernhalten. Erreicht haben sie das Gegenteil.
Auf Sprayer üben die Wände der Voltahalle offenbar eine unwiderstehliche Anziehungskraft aus. Jedenfalls sind an der Halle, die den Industriellen Werken Basel (IWB) gehören, immer wieder Parolen zu lesen. Die Unbekannten lassen sich von keiner Wandreinigung abhalten. Das Spiel beginnt stets wieder von vorn.
Daher entschieden sich die IWB für eine neue Massnahme. Sie meldeten sich direkt bei einem Berufssprayer, namentlich bei Marc Bellé alias Art4000. Seine Werke sind in Basel nicht unbekannt. Am berühmtesten sind seine illustren Köpfe der Rockgeschichte im Gerbergässlein.
«Das ist unsere Mauer»
Mit einem Auftrag an Art4000 für eine Wandmalerei an der Voltahalle erhofften sich die IWB, unerwünschten Nachtbuben zuvorzukommen. IWB-Sprecher Erik Rummer sagt dazu: «Erfahrungen mit anderen Projekten zeigen, dass die künstlerische Gestaltung von Flächen grossen Respekt geniesst und wildes Sprayen dadurch verhindert wird.»
In diesem Fall kam es anders: Im Mai machte sich Bellé an die Arbeit. Er wollte etwas malen, das zur Gegend passt – und begann mit dem Namensstifter, dem Physiker Alessandro Volta. Weiter kam er nicht: «Gleich am ersten Tag kamen zwei Linksautonome auf mich zu», erzählt Bellé. «Das ist unsere Mauer», sollen sie ihm gesagt haben. Es klang für ihn wie eine Drohung. «Sie sagten mir, ich solle sofort wieder zusammenpacken.»
Laut Bellé wurde sein Gemälde bereits am ersten Abend überschrieben. Als Reaktion wollte er eine Art Kompromiss anbieten und schrieb ein grosses «Peace» daneben an die Wand. Doch auch dieser Schriftzug wurde durchgestrichen.
Ärger über die Veredelung von Streetart
Zu einem ähnlichen Fassaden-Zank ist es in Basel schon mehrere Male gekommen. 2013 etwa, als ein Auftragsgraffiti bei der Dreirosenbrücke übermalt wurde – versehen mit der Nummer der staatlichen «Sauberkeitshotline gegen Schmierereien». Ins gleiche Kapitel gehören auch Malereien an IWB-Traffostationen, die ebenfalls von «wilden» Sprayern heimgesucht wurden.
Auch versöhnliche Töne von Art4000 fruchteten nicht: Das Projekt an der Voltahalle ist nun auf Eis gelegt. (Bild: Michel Schultheiss)
Die Basler Malerin Ana Vujic kennt diese Auseinandersetzungen an den Wänden. Sie sagt, wenn Sprayer bei der Voltahalle über Streetart schimpfen, sei das nicht als Angriff auf diese Kunstform an sich zu verstehen. «Wahrscheinlich regen sich die Sprayer darüber auf, wenn Streetart als Mittel zum Zweck gebraucht wird.» Aus dem unkontrollierten, selbstautorisierten Sprayen werde so eine «nach den Regeln der Konformität finanzierte Wandmalerei».
Gerade die Voltahalle und das Schulhaus gleich daneben seien schon lange neuralgische Punkte, sagt Vujic. Die politischen Phrasen, die sich besonders gegen Novartis, gegen Quartieraufwertung und gegen die geplante Sanierung an der Mülhauserstrasse 26 richten, seien den Behörden vermutlich ein Dorn im Auge gewesen.
Graffiti als Graffitischutz
Den Hintergrund des Sprayer-Knatsch kennt auch Tommy Tombola, der mit seiner Seite «Wandschmuck» seit Jahren die Basler Graffiti dokumentiert – auch wenn er mit der Voltahalle nichts direkt zu tun hat. «Solche Aufträge stellen in erster Linie einen etwas kreativeren Schutz vor Graffiti dar», sagt er. Und kritisiert: «Wie wertvoll kann eine Kunst sein, wenn sie nur an Orten existieren darf, die ansonsten illegal bemalt werden?»
Graffiti als Graffitischutz – das komme in der Szene nicht gut an. Gleichzeitig bedauert Tombola, dass die Stadt nur selten Wände für unbezahlte Spraykunst freigibt. Eine Ausnahme sei die Schäfermatte in Kleinhüningen. Tombola findet auch die Unterteilung stossend, wonach es bloss verwertbare urbane Kunst gebe und störende «Schmierereien» gebe.
Autorisierte Auftragsarbeiten oder politisch motivierte Piratenaktionen – da prallen zwei verschiedene Verständnisse vom Sprayen aufeinander. Bei der Voltahalle hat die Auseinandersetzung ein vorläufiges Ende genommen: «Das Projekt ist gestrichen», sagt Marc Bellé.
Die IWB bedauern das abrupte Ende des Projekts. Was künftig an der Wand prangen wird, steht in den Sternen: «Derzeit ist noch offen, wie wir mit der Gestaltung dieser Wand fortfahren werden», sagt IWB-Sprecher Rummer.