Kampf gegen illegale Fischerei: Jetzt sticht Google in See

Illegale Fischerei ist ein Milliardengeschäft und führt zur Überfischung der Weltmeere. Mithilfe von Satellitentechnik sollen die Fangschiffe nun aufgespürt werden. Den dadurch produzierten Datenschatz will Google ausheben.

Nach dem Festland die Weltmeere: Auch da liegen grosse Datenschätze für Google. (Bild: Nils Fisch)

Illegale Fischerei ist ein Milliardengeschäft und führt zur Überfischung der Weltmeere. Mithilfe von Satellitentechnik sollen die Fangschiffe nun aufgespürt werden. Den dadurch produzierten Datenschatz will Google ausheben.

Illegale Fischerei ist ein wachsendes Problem. Die Vereinten Nationen schätzen, dass dadurch ein wirtschaftlicher Verlust von 23 Milliarden Dollar pro Jahr entsteht. Die Kontrollen versagen häufig, korrupte Beamte in Drittländern drücken die Augen zu.

Mithilfe moderner Satellitentechnik sollen nun die Fangschiffe aufgespürt werden. Die Idee ist nicht neu. Doch jetzt steigt Google in die Technologie ein. Mit dem Kartenspezialisten SkyTruth und der Umweltschutzorganisation Oceana hat der kalifornische Internetkonzern ein neues Instrument zur Überwachung von Schiffen entwickelt.

Schiffe unter Beobachtung

Ein Prototyp des Systems, Global Fishing Watch, wurde letzte Woche bei dem IUCN World Parks Congress in Sydney vorgestellt. Auf Grundlage von Googles Mapping-Software zeigt das System die Bewegungen von 25’000 Schiffen im Zeitraum von 2012 bis 2013 an.

Die Bewegungsmuster verdichten sich zu einzelnen Clustern. Auf einer Weltkarte erscheinen die Schiffsbewegungen in feuerroten Punkten. Vor allem vor der westafrikanischen Küsten sind viele Bewegungen zu erkennen.

Präsentations-Video Global Fishing Watch:

Die Karte speist sich aus Satellitendaten von SpaceQuest. Das Start-up hat vier Satelliten im All, die kontinuierlich Funkwellen empfangen, welche Schiffe als Teil ihres automatischen Identifizierungssystems (AIS) aussenden.

Der Hintergrund: Alle Schiffe über 300 Gross Tons sind verpflichtet, Transponder zu tragen, die Daten über Position, Kurs, Geschwindigkeit sowie über den Schiffstyp senden müssen.

Die einzelnen Datenpakete sind relativ klein, doch in der Summe ist der Datenstrom gewaltig: Die Satelliten erfassen alle Schiffstypen. Kriegsschiffe, Supertanker, Barkassen, sogar Jachten. Big Data soll Betrüger entlarven.

Kein perfekter Filter

Mithilfe eines «Verhaltensalgorithmus» soll die Software grosse Datenmengen analysieren. «Global Fishing Watch erkennt Verhaltensweisen, die Fischerei indizieren, etwa das Vor- und Zurückfahren beim Auswerfen der Netze», erklärt David Manthos von SkyTruth. Über den Algorithmus haben die Entwickler Stillschweigen vereinbart.

Der Filter ist nicht perfekt, doch er trennt die Spreu vom Weizen. Von einem 1-Terrabyte grossen Datensatz, bestehend aus 3,7 Milliarden AIS-Mitteilungen von 110’000 Schiffen, extrahierte das System 300 Millionen Standortdaten von 25’000 Schiffen.

Laut einem Bericht von Oceana wurde ein unter russischer Flagge segelnder Trawler im September vor der ostrussischen Küste aufgespürt, der unerlaubterweise in einem Naturschutzgebiet fischte. Ein weiteres russisches Schiff wurde in den Gewässern von Fidschi gesichtet, an denen der Inselstaat exklusive Fischereirechte hält.

Das Problem ist jedoch, dass das System kleinere Schiffe, die kein AIS nutzen müssen («dunkle Flotte»), nicht identifizieren kann. Sie fallen durch den Rost. Findige Skipper können das AIS mit einem technischen Kniff auch abschalten und so ihren Kurs kaschieren.

Als Schiffoffizier weiss man zudem häufig nicht, ob das GPS-Gerät des anderen Schiffs einwandfrei funktioniert. «Die ‹dunkle Flotte› ist in der Tat eine Herausforderung für uns», sagt Manthos. «Die gute Nachricht ist, dass immer mehr Schiffe AIS nutzen, was auch heisst, dass die dunkle Flotte Jahr für Jahr kleiner wird.»

Problematisch ist auch, dass Überfischung grösstenteils legal ist. Global Fishing Watch soll die Fischerei transparenter machen.

«Ein weiterer Schritt in Googles Plan, die totale Weltinformation zu beherrschen.»

Völkerrechtler A. Michael Froomkin 

Die Daten werden öffentlich zugänglich gemacht, Google will für mehrere Millionen Dollar eine Website einrichten. «Unser Ziel ist es, Daten zur Verfügung zu stellen, sodass Fischerei-Firmen ein Auge auf Schiffe werfen können, die sie auf die Blacklist gesetzt haben», sagt SkyTruth-Sprecher Manthos.

Der Nutzer kann in die Karte hinein zoomen und überprüfen, ob Schiffe in geschützten Gebieten oder in exklusiven nationalen Zonen fischen. Es ist ein ganz neuer Ansatz: Mit Schwarm-Intelligenz soll illegaler Fischerei das Handwerk gelegt werden.

Völkerrechtlich ist die Überwachung der Meere zulässig. Das Seerechtsübereinkommens der Vereinten Nationen ermächtigt die Staaten zur Pirateriebekämpfung, die Anrainerstaaten dürfen in ihren Küstengebieten Fischereirechte ausüben. Die Betreiber betonen, dass sich das Tracking auf dem Seegebiet souveräner Staaten abspielt und der Fischfang im öffentlichen Raum stattfindet.

Weltraum kennt keine Regeln

Der Völkerrechtlicher A. Michael Froomkin, der an der School of Law der University of Miami lehrt, sagt im Gespräch mit der TagesWoche: «Diese Praxis scheint mir legal, weil es keine internationalen Vorschriften über Satellitenfotografie gibt. Das Gegenteil ist der Fall.» Das Weltraumrecht ist unreguliert. Jeder kann im All tun und lassen, was er will.

Was hat das für Implikationen auf die Privatsphäre? «Schiffe sind ja keine Träger von Freiheitsrechten im engeren Sinn», konstatiert Rechtsprofessor Froomkin. «Die Gefahr, die ich dabei sehe, ist, dass die Passagiere an Bord mit den Schiffsbewegungen verknüpft werden können.»

Zwar müssen auch Passagiere von Flugzeugen beim Boarding ihren Namen, Pass und Zielflughafen angeben. Doch diese Daten bekommt allein die Airline (und gibt sie an die Sicherheitsbehörden weiter). In diesem Fall greift Google die Daten ab. Google weiss, wer wo und wann auf hoher See ist.

Nach dem Festland (Google Maps, Google Street View) will der Internetkonzern nun auch die Gewässer kartieren. «Es ist ein weiterer Schritt in Googles Plan, die totale Weltinformation zu beherrschen und vielleicht ein Wunsch, etwas Gutes zu tun, um ein wenig die Kritik an der Privatsphäre beiseite zu schieben», so Froomkin.

Allein, Google ist nicht an der Verbesserung von Umweltstandards interessiert, sondern zuvorderst an Daten.

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