Kein Nato-Draht für Ungarn – Berliner Unternehmer lassen Grossauftrag sausen

Ein Stahlgrosshandels-Unternehmen aus Berlin liess sich einen Auftrag von rund einer halben Million Euro freiwillig entgehen. Die beiden Firmenchefs der Mutanox GmbH verweigerten aus ethischen Gründen die Lieferung von Nato-Draht nach Ungarn, weil sich Flüchtlinge am Zaun schwer verletzen könnten.

A Hungarian soldier builds a razor wire fence at the border to Serbia near the village of Horgos, Serbia, September 16, 2015. Hungary's right-wing government shut the main land route for migrants into the European Union on Tuesday, taking matters into its own hands to halt Europe's influx of refugees. REUTERS/Stoyan Nenov

(Bild: STOYAN NENOV)

Ein Stahlgrosshandels-Unternehmen aus Berlin liess sich einen Auftrag von rund einer halben Million Euro freiwillig entgehen. Sie sagen: «Orban soll selbst mal einen Nato-Draht passieren.»

Der Sitz der Firma Mutanox GmbH befindet sich in einer ziemlich unwirtlichen Ecke im Berliner Bezirk Neukölln, in unmittelbarer Nachbarschaft von stark renovationsbedürftigen Häusern und gleich unterhalb der S-Bahnlinie. Es handelt sich um einen typischen KMU-Betrieb, von dem man nie etwas in einer Zeitung liest.

Das änderte sich allerdings vor ein paar Tagen, als via «Die Welt» publik wurde, dass die beiden Geschäftsführer einen Grossauftrag aus Ungarn im Juli dieses Jahres abgelehnt hatten. Das Berliner Stahlgrosshandels-Unternehmen sollte mehrere Tausend Rollen Nato-Draht für einen Zaun mit einem geschätzten Auftragswert von rund einer halben Million Euro liefern. Das Material war als Schutzmassnahme gegen Flüchtlinge an der ungarisch–serbischen Grenze vorgesehen. 

Lieber weniger Geld, dafür ruhigen Schlaf

Die Mutanox GmbH liefert Nato-Draht an verschiedenste Abnehmer, es ist eine spezielle Form von Stacheldraht und wird unter anderem verwendet, um Ausbrüche in Gefängnissen zu verhindern, um Schiffe vor Piraten zu schützen oder um Atomanlagen zu sichern. Neuerdings eben auch, um Flüchtlingen an der ungarischen Grenze im wahrsten Sinne des Wortes den Weg abzuschneiden.

«Da machen wir nicht mit», sagten sich Talat Deger und Murat Ekrek, «es war ein gemeinsam gefällter Herzensentscheid», beteuern die beiden Geschäftsführer und Besitzer der Firma im Gespräch mit der TagesWoche. Sie nehmen sich Zeit, obwohl sie von Medienleuten momentan überrannt werden. Ein Fernsehteam des Schwedischen Fernsehens wartet als Nächstes.

Jedes Mal, wenn sie Fernsehbilder vom inzwischen fertig erstellten Zaun mit blutenden Flüchtlingen sehen, sind die beiden erst recht davon überzeugt, richtig gehandelt zu haben. Dass jetzt einfach eine Konkurrenzfirma zum Handkuss gekommen ist, stört sie nicht. Sie würden unter diesen Umständen gerne auf ein solches Geschäft verzichten. «99 Prozent» der Reaktionen auf ihren Entscheid seien positiv ausgefallen. Bloss ein paar wenige Kritiker hätten sie als «linke Faschisten» bezeichnet. «Aber ich weiss gar nicht, was das eigentlich heisst», sagt Deger und lacht.

Ein ausländischer Journalist habe ihn gefragt, was er dem ungarischen Ministerpräsidenten Orban gerne mitteilen möchte. «Ich würde ihm sagen, dass er doch einmal durch einen Nato-Draht gehen soll.»

Nächster Artikel