Der Unirat mit dem ehemaligen Regierungsrat Ueli Vischer an der Spitze hat einen rekordverdächtig hohen Männeranteil. Er könnte beinahe genausogut als Gewerbeverband durchgehen.
Es sollte ein Bund fürs Leben werden. Seit ihrer Jugend sind Ueli Vischer und Christoph Eymann eng miteinander befreundet. Es war Vischer, der Eymann Ende der 1970er-Jahre zu den Liberalen holte und ihm somit die Tür in eine neue, vornehme Welt öffnete – in jene des Basler Daigs. Vieles haben sie gemeinsam durchgemacht und erlebt. Einer der Höhepunkte in ihrer jahrzehntelangen Freundschaft war die gemeinsame vierjährige Zeit in der Basler Regierung – Eymann als Erziehungsdirektor, Vischer als sparender Finanzminister. Unzertrennlich waren die beiden heute 61-jährigen Herren, ein eingeschworenes Duo.
Als Vischer Anfang 2005 zurücktrat, verlor der frühere Nationalrat Eymann seine Bezugsperson in der Exekutive. Doch es sollte nicht lange dauern, bis die beiden ihre Freundschaft weiter festigten: Im Frühling 2005 wählte die Regierung Ueli Vischer zum neuen Uniratspräsidenten – und zwar auf Eymanns Vorschlag.
Es war eine Wahl, die für Gerede sorgte. Auch sieben Jahre später ist in der Basler Politik noch immer von Vetternwirtschaft die Rede. Davon will Vischer nichts wissen: «Wie alle Mitglieder des Unirats wurde ich nicht von Christoph Eymann gewählt, sondern von den Regierungen der beiden Trägerkantone.»
90 000 Franken für Vischer
Trotzdem: Vischer hat es vor allem Eymann zu verdanken, dass er – nebst seinem Mandat als Verwaltungsratspräsident der Messe Schweiz – gleich zwei bedeutende, aber völlig verschiedene Präsidien besetzen darf. Der Job an der Uni bringt ihm rund 90 000 Franken im Jahr ein. Vischer gilt als kompetent und dossierfest, jedoch auch als sehr zurückhaltend. Er ist ein Mann ohne grosse Visionen. Ein Verwalter.
Überhaupt sind im Entscheidungs- und Aufsichtsorgan der 550-jährigen Universität Basel starke Persönlichkeiten dünn gesät. Und: Mit Ausnahme der beiden Bildungsdirektoren Christoph Eymann und Urs Wüthrich, die von Amtes wegen dort sitzen, würde der Rat in seiner Zusammensetzung glatt als Gewerbe- oder Wirtschaftsverband durchgehen. Es ist kein ausgewogen demokratisch zusammengesetztes Gremium. Es dominieren Wirtschafts- und Pharmavertreter: Paul L. Herrling ist Forschungschef des Novartis-Konzerns, René Imhof Leiter der Pharmaforschung von Roche Basel und Dieter Scholer selbstständiger Berater im Bereich Life Sciences.
Zwei Frauen, neun Männer
Dominik Koechlin wiederum ist nicht nur Verwaltungsratspräsident des Telekomunternehmens Sunrise, sondern auch Verwaltungsrat der Clariant AG. Auch sonst kommmen die wirtschaftlichen Interessen im Unirat nicht zu kurz, etwa mit Klaus Endress, der CEO der bekannten Endress+Hauser-Gruppe (Anbieter von Messegeräten) ist.
Sibylle Schürch, ehemalige SP-Grossrätin, ist inzwischen verheiratet mit dem FDP-Regierungsratskandidaten Baschi Dürr. Die einstige Sekretärin der Gewerkschaft VPOD ist auch Mitglied der Geschäftsleitung der Valora AG in Muttenz. Die ehemalige Kiosk AG war in der Vergangenheit der Schrecken der Gewerkschaften. Und da wäre noch Gabriella Karger. Sie ist Geschäftsleiterin und Inhaberin der S. Karger AG – einer Verlagsbuchhandlung für Medizin und Naturwissenschaften. Schliesslich sitzt auch Walter Mundschin, der ehemalige Baselbieter Landschreiber, im Rat.
«Sehr pharmanahe»
Die Zusammensetzung des Unirats ist etwa SP-Grossrätin Doris Gysin ein Dorn im Auge. «Dieser muss breiter abgestützt sein. Leute aus dem geisteswissenschaftlichen Bereich fehlen – auch mangelt es an Frauen. Die Uni Basel ist nicht nur eine Uni für Life Sciences.» Sie sehe zwar ein, dass dieser Bereich eine wichtige Rolle spielen müsse, «allerdings habe ich die Befürchtung, dass dieser eine derart dominante Rolle einnimmt, dass andere Sachen stiefmütterlich behandelt werden», sagt das Mitglied der Bildungs- und Kulturkommission.
Auch Heidi Mück, Grossrätin des Grünen Bündnisses, findet: «Der Unirat muss ausgewogener sein – er ist sehr pharmanahe. Auch weiss man nicht, was er genau macht, die Mitglieder wirken derart im Hintergrund.» Ähnlich, wenn auch verständnisvoller, äussert sich CVP-Grossrat Oswald Inglin. Es sei logisch, dass die Pharma im Gremium vertreten sein müsse. «Aber man darf nicht vergessen, dass die Uni auch noch andere Aufträge hat.»
Vischer wehrt sich
Nicht nur aus der Politik werden Stimmen laut, dass der Unirat zu wirtschafts- und pharmanah sei, auch die Studentische Körperschaft der Universität Basel kritisiert die Konstellation. «Es wäre wünschenswert, wenn das Gremium ausgeglichener zusammengesetzt wäre. Es fehlen Personen aus den Geisteswissenschaften», sagt Vorstandsmitglied Sebastian Gartner. Und er stört sich daran, dass die Studenten keinen Sitz im Gremium haben. Hoffen darf er auf einen Vorstoss der SP-Grossrätin Salome Hofer: Sie will, dass die Regierungen beider Basel den Staatsvertrag abändern, damit die Studentenschaft als beratende Stimme Einsitz im Universitätsrat erhält.
Ueli Vischer kann die Kritik, wonach das Gremium pharmalastig sei, nicht nachvollziehen. Es gebe kein Missverhältnis, sagt er. Life Sciences gehörten nun mal zur speziellen Qualität der Universität. «Deshalb macht es auch Sinn, dass das Know-how der Branche in den Unirat einfliesst. Wenn dies nicht der Fall wäre, würden wir uns eine Chance vertun.»
Und was die fehlende Vertretung der Geisteswissenschaften betreffe, meint er: «Kultureller Background sowie Kenntnisse und Verständnis für Geisteswissenschaften sind bei zahlreichen Mitgliedern vorhanden. Generell kann in einem Elfergremium nicht jede Anspruchsgruppe explizit vertreten sein. Die Arbeit eines Mitglieds darf sich aber ohnehin nicht auf die Interessensvertretung beschränken.»
Quellen
Artikelgeschichte
Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 22.06.12