Keine Beweise, keine Konsequenzen

Drei Ungarn haben auf Baustellen in der Region für 8 statt 32 Franken pro Stunde gearbeitet. Die Gipser waren auch auf einer kantonalen Baustelle tätig. Konsequenzen gezogen hat aber nicht Basel-Stadt, sondern zwei Unternehmen.

Ein viel zu tiefer Lohn, fehlende Sozialleistungen und Überstunden - Milán G., Ferenc Lörinc und Bálint M. (v. l. n. r.) besprechen am Tag vor ihrer Rückreise nach Ungarn bei der Unia das weitere Vorgehen. (Bild: Stefan Bohrer)

Drei Ungarn haben auf Baustellen in der Region für 8 statt 32 Franken pro Stunde gearbeitet. Die Gipser waren auch auf einer kantonalen Baustelle tätig. Konsequenzen gezogen hat aber nicht Basel-Stadt, sondern zwei Unternehmen.

Dem Geschäftsführer des Gipserunternehmens war es gar nicht recht. Drei Ungarn hatten für ihn beim Umbau des Zollfreilagers auf dem Dreispitz-Areal für 8 statt 32 Franken pro Stunde geschuftet. Gewusst habe er davon nichts, das jedenfalls sagt das baselstädtische Hochbauamt. Nur zwei Tage nachdem die Medien über den Fall berichtet hatten, sei der Geschäftsführer mit einem Stapel Unterlagen auf dem Amt aufgetaucht, sagt Leiter Thomas Blanckarts. Mit Stundenrapporten, Rechnungen, Belegen wollte er beweisen, dass er die drei Ungarn nicht zum Hungerlohn angestellt hatte.

Der Fall könne nicht exemplarischer sein für einen Lohndumping-Skandal, denn – wie Blanckarts sagt – die Unterlagen waren alle korrekt, «soweit wir das überprüfen können»: Die drei Ungarn arbeiteten 42 Stunden, das Gipserunternehmen bezahlte 50 Franken pro Stunde für jeden der drei Arbeiter. Nur eben nicht an die Arbeiter, sondern an ein anderes Gipserunternehmen. Diese Firma wiederum hatte allerdings die drei Männer auch nicht selbst angestellt, sondern von einem anderen Unternehmen «ausgeliehen».

Subunternehmer streitet alles ab

Am Ende der Kette von Subunternehmen steht die Filber GmbH in Winterthur, die in Ungarn inserierte und Handwerker suchte. Der Anfang des Lohndumping-Falls. Die Filber GmbH streitet gemäss Unia noch immer alle Vorwürfe ab, ein altbekanntes Muster. Entscheiden wird nun ein Gerichtsverfahren, die Gewerkschaft hat ihre Anwälte eingeschaltet. Sollte das Unternehmen verlieren und konkurs gehen, haftet der ursprüngliche Auftragsnehmer solidarisch. Diese neue Massnahme des Bundesrates tritt allerdings erst am 15. Juli in Kraft.

Erstunternehmer war bei den Umbauarbeiten am Zollfreilager auf dem Dreispitz das Gipserunternehmen aus Basel. Dass der Geschäftsführer sich zum Handeln veranlasst fühlte, sei kein Zufall, lässt Hochbauamt-Leiter Blanckarts durchblicken. Das Unternehmen habe eine «lange Tradition» in der Region und einen «hoch seriösen Ruf». Näheres möchte er zum Unternehmen nicht sagen – «aus Rücksicht». Einerseits seien die Anstellungsbedingungen eben korrekt gewesen, andererseits habe sich das Unternehmen schriftlich verpflichtet, für den entstandenen Schaden der drei Ungaren aufzukommen. Die Firma übernimmt damit die Solidarhaftung bereits jetzt. 50’000 Franken schuldet die Filber GmbH gemäss Unia den drei Männern an Lohnkosten, noch offen ist, ob das Unternehmen tatsächlich keine Sozialversicherungsabgaben bezahlte, wie das die Unia vermutet.

Generalunternehmen wechselt leitende Person aus

Das Gipserunternehmen aus Basel – so das Versprechen des Geschäftsführers – will dem Fall nachgehen. Im Grunde geht es dabei nicht nur um einen Lohndumping-Fall, sondern auch um eine Frage des Vertrauens unter Unternehmern. Wie Blanckarts sagt, hat das Basler Unternehmen auf einen langjährigen Partner gesetzt, der sich aus welchen Gründen auch immer gezwungen sah, wiederum den Auftrag weiterzugeben. Nun hängen aber alle mit, für die Unternehmen geht es nicht nur um den entstandenen Schaden, sondern auch um den Ruf und das Netzwerk, das letztlich auf Vertrauen basiert.

Konsequenzen muss das Basler Unternehmen vom Kanton nicht befürchten. Für das Basler Hochbauamt ist der Lohndumping-Fall erledigt. Oder fast. Wie Blanckarts sagt, hat das Amt nochmals die beteiligten Unternehmen am 120-Millionen-Bau ermahnt, «alles daran zu setzen, Lohndumping-Fälle zu verhindern». Unter Zugzwang steht dabei nun vor allem auch das Generalunternehmen (GU), das für den Neubau auf dem Dreispitz verantwortlich ist – und das hat reagiert. Der aktuelle Fall und die Mahnung hätten für Wirbel gesorgt, das GU in der Folge deshalb Konsequenzen gezogen, sagt Blanckarts. «Das Generalunternehmen hat eine leitende Person ausgetauscht, sie habe zu wenig stark den Fokus auf die Problematik gerichtet.»

Zu Besuch beim Wanderarbeiter

Die TagesWoche hat Ferenc Lörinc in Ungarn besucht. Die Reportage von Simon Jäggi über das Leben eines ungarischen Wanderarbeiters lesen Sie am Freitag in der TagesWoche (via App, am Kiosk oder bequem nach Hause geliefert mit einem Abo). Einen Vorgeschmack hat der Kollege bereits im Mittendrin-Blog geliefert.

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