Klaus Littmann: «Kunst hat dasselbe Recht wie andere Aktivitäten»

Der Schützenmattpark wird diese Saison zum Kunstraum. Initiant Klaus Littmann stellt sich im Interview der Diskussion um die Nutzung des öffentlichen Raums und spricht über seinen Umgang mit negativen Reaktionen aus der Bevölkerung.

Klaus Littmann vor der Skulptur von Bernhard Luginbühl im Schützenmattpark. (Bild: Stefan Bohrer)

Der Schützenmattpark wird diese Saison zum Kunstraum. Initiant Klaus Littmann stellt sich der Diskussion um die Nutzung des öffentlichen Raums.

Drei Skulpturen markieren den Start des neusten Kulturprojekts von Klaus Littmann im Basler Schützenmattpark. Sie haben in den vergangenen Tagen zu heftigen Diskussio­nen mit Anwohnern und Nutzern des Parks geführt. Ein Gespräch mit dem Kulturunternehmer über Kunst, den öffentlichen Raum und seinen Umgang mit negativen Reaktionen aus der Bevölkerung.

Sie haben in der letzten Woche für Gesprächsstoff gesorgt. Hat Sie das überrascht?

Nein. Wenn sich etwas ändert, reagieren die Menschen ganz unterschiedlich darauf. Das ist normal.

Die Reaktionen waren nicht nur positiv. Nehmen Sie Angriffe auch persönlich?

Nicht grundsätzlich. Ich organisiere eine Installation nicht im öffentlichen Raum, weil ich das lustig finde, sondern weil ich etwas auslösen will. Die Debatte finde ich notwendig. Aber es wird dann schwierig, wenn Leute nur meckern oder sogar zum Vandalismus aufrufen. Und es ist unverantwortlich, wenn Medien diese Aufrufe auch noch publizieren.

Was möchten Sie denn mit ­Ihrem Projekt auslösen?

Ich möchte Denkanstösse geben. Ich möchte, dass die Leute ihre Sehgewohnheiten hinterfragen. Das erreichten wir etwa 2008 mit «City sky», als wir Strassenzüge mit lichtdurchlässigen Blachen überdachten. Man läuft durch eine Situation, die man kennt, und plötzlich gibt es eine Veränderung, das Licht ist anders oder es steht was Neues da …

Beim jetzigen Projekt ist es besonders wichtig, dass sich dauernd etwas verändert. Erstaunlich finde ich, dass die Debatte bereits begonnen hat, bevor das Projekt ganz steht. Insgesamt sind es nämlich nicht nur die drei bereits bestehenden, sondern zehn bis zwölf Skulpturen, die in den Seitenfeldern der nicht genutzten Parkflächen positioniert werden. Zusätzlich finden bis November immer wieder kurze Aktionen statt.

Die Debatte dreht sich mehr um die Nutzung des Parks, des öffentlichen Raums als um Kunst.

Da ist dann meine Funktion als Vermittler gefragt. Ich möchte erreichen, dass man über das spricht, was man sieht. In dem Moment erhält Kunst für mich eine Art gesellschaftliche Funktion. Hier kann sie einen Beitrag leisten. Ich werde deshalb selbst sehr aktiv sein und unter anderem Führungen anbieten. Normalerweise eröffnet man eine Ausstellung mit einer Vernissage. Sie haben ein Cüpli in der Hand, und das war dann die ak­tive Arbeit. Hier entwickelt sich das Projekt stets weiter, also muss ich ­aktiv daran teilnehmen.

Sie sprechen von Ihrer Funktion als Vermittler. Sehen Sie sich selbst nicht als Künstler?

Ich bin ja nur der, der etwas unternimmt, eben ein Kulturunternehmer. Ich muss strategisch denken, organisatorisch, aber auch künstlerisch. Ich muss mich auf verschiedensten Ebenen mit Kunst auseinandersetzen: Was ist Kunst? Was löst sie aus? Wie kann ich mich darin bewegen? Für mich ist dabei das Thema des öffentlichen Raums sehr inspirierend.

Was ist für Sie «öffentlicher Raum»?

Sehr vieles. Ein Museum ist ein öffentlicher Raum, ein Bahnhof auch und natürlich ein Park. Ein Museum ist aber ein öffentlicher Raum, der eine bestimmte Funktion hat, und dafür muss man Eintritt bezahlen. Ein Park dagegen hat meist mehrere Funktionen.

Im Park wollen sich die Leute ausruhen, unter einen Baum liegen. Andere möchten Fussball, Frisbee oder Kubb spielen, wieder andere etwas trinken und mit Freunden plaudern. Daneben spielen Eltern mit ihren Kindern, und einige Leute grillieren.

Hier gibt es bereits Konfliktpotenzial. Der eine fühlt sich gestört wegen des Fussballs, der andere wegen des Grillgeruchs. Bei der Nutzung des öffentlichen Raums kommt es deshalb stillschweigend zu einer Art Vertrag zwischen Gross und Klein, Alt und Jung, Institutionen und Individuum. Die Nutzung ist zwar enorm vielfältig, aber sie funktioniert trotzdem.

Und dann kommt noch der Littmann mit seiner Kunst …

Ich nehme wenig Platz in Anspruch. Ich denke aber, Kunst hat das dasselbe Recht wie andere Aktivitäten. Es kann nicht sein, dass man einen Anspruch an den Platz ausgrenzt. Es ist eben eine Art Vertrag zwischen allen Nutzungen. So verstehe ich den öffentlichen Raum: der Schützenmattpark als Laborsituation.

Aber andere Kulturveranstalter stellen in Ateliers oder Museen aus. Warum Sie nicht?

Weil der öffentliche Raum ideal ist für die Begegnung zwischen Kunst und Publikum. Das Museum nimmt ja immer eine Art Auswahl vor. Debatten sind öffentlich und gehören daher auch in den Aussenraum. Ob ein Werk drinnen oder draussen steht, ist nicht einerlei. Museen kann man verlassen oder gar nicht erst ­betreten. Im öffentlichen Raum dagegen gibt es kein Entweichen.

Dieser Unterschied erklärt, warum Werke im Aussenraum heftige Reaktionen auslösen. Hier habe ich auch die Chance, Menschen zu erreichen, für die der Kontakt mit Kunst nicht unbedingt alltäglich ist, und kann vielleicht dadurch auch ein Interesse an Kunst wecken.

Aber nehmen Sie sich hier nicht ein Sonderrecht heraus, den ­öffentlichen Raum mit Ihren ­Ideen zu kolonisieren?

Das darf ja jeder. Haben Sie es mal probiert, ob Sie eine Bewilligung erhalten? Ich kriege eine solche auch nicht ­automatisch. Ich habe einen langen Weg hinter mir und muss jedes Mal viele Auflagen erfüllen. Wenn Sie eine Idee haben, dürfen Sie den Gang durch die Institutionen nicht scheuen.

Auch hier, beim Projekt im Schützenmattpark, gab es viele Auflagen und viele Gespräche. Ich bin kein Besetzer, sondern einer, der einen Weg sucht, damit das Projekt für die Künstler stimmt, aber auch die öffentlichen Auflagen erfüllt sind.

Was sind das für Auflagen?

Ich komme mit einer Konzeptidee, und dann heisst es etwa: Hier können Sie nichts aufstellen, wegen des Wurzelwerks der Bäume oder weil die eine Hälfte des Rasens eine Testfläche ist. Dann muss ich das Konzept überarbeiten. Für den Aufbau der aktuellen Ausstellung mussten wir ein Trassee bauen, damit der Park­rasen geschont wird.

Und am Schluss muss der Platz natürlich wieder so aussehen wie zuvor. Der Aufwand ist aber bei jedem Projekt unterschiedlich. Bei «City sky» musste ich die Einwilligung von knapp 300 Hausbesitzern einholen, damit ich die Fassaden ihrer Häuser benutzen durfte. Das braucht viel Überzeugungsarbeit.

Stammen die Konzeptideen für Ihre Ausstellungen immer von ­Ihnen selbst?

Ja, die Ideen kommen von mir. Dann suche ich die Künstler, mit denen ich das Thema umsetzen kann, und melde mich bei der Koordinationsstelle der Stadt. Hier erfahre ich, wer durch das Projekt betroffen ist. Man organisiert ein gemeinsames Meeting, ich stelle das Projekt vor. Erst wenn ich alle Auflagen abgearbeitet habe und weiss, dass man das Projekt realisieren kann, suche ich Mitstreiter, die das Projekt finanzieren und daran mitarbeiten.

Sie beschäftigen sich seit vielen Jahren mit dem öffentlichen Raum. Was hat sich verändert?

Ich glaube, dass die Menschen heute viel grössere Ansprüche an den öffent­lichen Raum stellen. Das sieht man daran, wie er benutzt wird. Der ­Kanton hat viel dafür getan, wenn man etwa das Rheinbord ­anschaut. Das ist ein unglaublicher Gewinn für die Stadt.

Artikelgeschichte

Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 03.05.13

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